Bundesländer dürfen der Deutschen Fußballliga (DFL) die Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen in Rechnung stellen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied am Dienstag gegen die DFL und wies ihre Verfassungsbeschwerde gegen eine entsprechende Regelung aus Bremen ab. Das Urteil dürfte Signalwirkung haben, denn auch andere Bundesländer denken darüber nach, den Profifußball künftig zur Kasse zu bitten. (Az. 1 BvR 548/22)
Es geht um Spiele, bei denen besonders heftige Fankrawalle in der Stadt erwartet werden. Das sind oft Derbys. Bremen entschied 2014, für die höheren Kosten bei gewinnorientierten Großveranstaltungen mit mehr als 5000 Menschen, bei denen Gewalt zu erwarten ist, von den Veranstaltern eine Gebühr zu fordern. Die erste Rechnung wurde 2015 gestellt, nach einem Spiel gegen den Hamburger SV im Weserstadion.
Die DFL zog dagegen vor Gericht, hatte aber schon 2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig keinen Erfolg. Nun scheiterte auch die letzte Möglichkeit, die Verfassungsbeschwerde.
Die Bremer Regelung sei mit dem Grundgesetz vereinbar, erklärte das Verfassungsgericht. „Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Gefahrenvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt und ausschließlich aus dem Steueraufkommen finanziert werden müsste“, sagte Gerichtspräsident Stephan Harbarth.
In Bremen sollten die Mehrkosten auf die Veranstalter abgewälzt werden, führte das Gericht aus – also auf diejenigen, die dafür verantwortlich seien. So sollten nicht nur Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sondern auch die wirtschaftlichen Nutznießer der Fußballspiele die Kosten schultern. Das sei ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) zeigte sich optimistisch, in den Ländern eine gemeinsame Regelung zu finden. „Wir haben in diesem Jahr den Vorsitz der Innenministerkonferenz, und ich glaube, da werden wir eine Mehrheit organisieren, um dieses Thema abschließend zu regeln“, sagte er in Karlsruhe. Mäurer schlägt einen Fonds vor, in den die Profiligen einzahlen. Die Polizeieinsätze des Bundes und der Länder würden dann je nach Aufwand abgerechnet.
Auch Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte, er strebe „ein bundesweit einheitliches Vorgehen an“. Das Urteil eröffne die Möglichkeit einer Kostenbeteiligung. Es sehe allerdings keine Verpflichtung dafür vor.
Für Niedersachsen erklärte Landesinnenministerin Daniela Behrens (SPD), die weiteren Schritte „sorgsam abwägen“ zu wollen. Ihr vorrangiges Ziel bleibe, „dass die Vereine die Gewalt in ihren Stadien in den Griff bekommen und es gar nicht erst zu Polizeieinsätzen kommen muss“.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) begrüßte die durch das Urteil erfolgte Klärung. „Trotzdem bleibe ich dabei: Polizeieinsätze dürfen kein Preisschild haben – ich will keine Preisschlacht führen, wenn es um Polizeieinsätze geht“, fügte Reul in der „Rheinischen Post“ hinzu.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte das Urteil. „Es kann nicht sein, dass jeder Bürger für kleinste Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung mit teilweise drastischen Gebühren zur Kasse gebeten“ werde, „aber die milliardenschwere DFL die Arbeit zigtausender Polizeikräfte geschenkt bekommt“, erklärte ihr stellvertretender Vorsitzender Heiko Teggatz.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich zufrieden. Das Urteil habe eine weitreichende Bedeutung, sagte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke voraus. „Es betrifft nicht mehr nur die Polizeieinsätze bei Fußballspielen, sondern alle kommerziellen Großveranstaltungen mit Konfliktpotenzial.“ Er sprach von einem „Präzedenzfall“. Er warnte die Länder zugleich davor, die Einnahmen für andere Zwecke außerhalb der Polizei zu verwenden. Diese müssten in Ausstattung und Personal fließen.
Nicht zwischen den Bundesländern, auch bei den Fußballvereinen stehen nun Debatten über die Folgen an. Für die DFL sagte ihr Anwalt Bernd Hoefer am Dienstag in Karlsruhe: „Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht heute gesagt, dass es ein Gemeinwohlinteresse auch an der Ausrichtung von Spielen der Fußballbundesliga gibt.“ Welche weiteren Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen seien, würden die kommenden Wochen und Monate zeigen.
Die DLF forderte nach dem Urteil die Festlegung verbindlicher Kriterien für die Einstufung von Partien als Hochrisikospiel. Sie werde sich zudem dafür einsetzen, die polizeiliche Einsatzplanung „transparenter“ für die Gebührenschuldner zu gestalten, die für die Bereitstellung zusätzlicher Einsatzkräften zur Kasse gebeten werden sollten, betonte sie in Frankfurt.
Der Geschäftsführer von Werder Bremen, Tarek Brauer, forderte nach dem Urteil weitere Debatten im Ligaverband. Es dürfe nicht sein, dass sein Verein „allein die Zeche zahlen darf“. Die DFL habe mindestens eine Koveranstalterrolle, fügte er hinzu. Auch die Anhänger des jeweiligen Gastvereins trügen dazu bei, dass ein Spiel zum Hochrisikospiel werde.