Zwei Wochen nach der ersten Runde der Präsidentenwahl in Kroatien hat am Sonntag die Stichwahl begonnen. Dabei tritt Amtsinhaber Zoran Milanovic als klarer Favorit an, sein Herausforderer ist der konservative Politiker Dragan Primorac, der von der Regierungspartei HDZ unterstützt wird. Milanovic hatte seine Wiederwahl für eine zweite Amtszeit im ersten Durchgang mit einem Stimmenanteil von 49,2 Prozent knapp verpasst. 

Der ehemalige Bildungs- und Wissenschaftsminister Primorac, der nach 15-jähriger Abwesenheit in die Politik zurückkehrte, kam in der ersten Wahlrunde auf 19,4 Prozent. Eine Niederlage des 59-jährigen Akademikers und Geschäftsmanns in der Stichwahl wäre eine weitere Schlappe für die HDZ von Ministerpräsident Andrej Plenkovic nach einem Korruptionsskandal im November.

In der Stichwahl reicht eine einfache Mehrheit für den Sieg. Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage kann Milanovic jedoch sogar mit einem Stimmenanteil von gut 62 Prozent rechnen, Primorac wurde ein Ergebnis von nur 28 Prozent der Stimmen vorausgesagt.

Milanovic ist seit fast zwei Jahrzehnten eine der führenden politischen Persönlichkeiten Kroatiens. Von 2011 bis 2016 war er Ministerpräsident, das Amt des Staatschefs übernahm er im Jahr 2020. Primorac hat Milanovic wiederholt als „pro-russische Marionette“ kritisiert, der Kroatiens Glaubwürdigkeit in der EU und der Nato untergrabe. 

Der Präsident hat den russischen Einmarsch in die Ukraine zwar verurteilt, kritisiert jedoch immer wieder die militärische Unterstützung des Westens für Kiew. Milanovic stellte sich auch gegen ein Programm, bei dem kroatische Soldaten in Deutschland bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten helfen sollten.

Der Präsident hat in Kroatien vor allem repräsentative Aufgaben, ist aber auch Oberbefehlshaber der Armee und vertritt das Land auf internationaler Ebene. Das EU-Land Kroatien mit seinen 3,8 Millionen Einwohnern kämpft derzeit mit der höchsten Inflationsrate in der Eurozone sowie mit weit verbreiteter Korruption und einem Arbeitskräftemangel.

Auch wenn der Präsident in Kroatien nur eingeschränkte Befugnisse hat, halten viele den Posten entscheidend für eine politische Balance im Land, das seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 überwiegend von der HDZ regiert wurde. „Ich bin kein Fan von Milanovic, aber ich werde ‚gegen die HDZ‘ stimmen“, sagte etwa die 35-jährige Wählerin Mia, die ihren Nachnamen nicht nennen wollte, vor der Stichwahl in Zagreb der Nachrichtenagentur AFP. Die Regierungspartei habe zu viel Macht und Plenkovic wandele sich „in einen Autokraten“.

Die Wahllokale sollen um 19.00 Uhr Ortszeit (20.00 Uhr MEZ) schließen. Im Anschluss werden die Ergebnisse von Nachwahlbefragungen erwartet. Erste amtliche Ergebnisse dürften im Laufe des Abends veröffentlicht werden.