Der Bundesparteitag der AfD hat Alice Weidel als Kanzlerkandidatin aufgestellt. Die Veranstaltung begann wegen Protesten und Demonstrationen später als geplant.
Der Parteitag der AfD hat Alice Weidel als Kanzlerkandidatin aufgestellt. Mit der 45-Jährigen kürte die Partei am Samstag erstmals in ihrer Geschichte eine eigene Bewerberin um die Kanzlerschaft. Ziel sei die Übernahme der Regierungsverantwortung nach der Bundestagswahl, sagte der AfD-Co-Chef Tino Chrupalla. „Sie ist die zukünftige Kanzlerin“, bekräftigte Chrupalla. Reaktionen Weidel Musk 10.38
Die Wahl erfolgte unter donnerndem Applaus. Eine Auszählung der Stimmen gab es nicht. Weidel wurde per sogenannter Akklamation gekürt – die Delegierten erhoben sich von ihren Plätzen als Zeichen für ihre Zustimmung. Begleitet von einer Lichtshow, lauter Musik und Jubel betrat Weidel anschließend die Bühne, zeichnete ein düsteres Bild von der Lage in Deutschland und zählte die Positionen der AfD im Wahlkampf auf.
Sie sagte vor den rund 600 Delegierten, von denen viele Deutschlandfähnchen schwenkten, es brauche die AfD, um Deutschland „wieder stark, reich und sicher“ zu machen. Man müsse die Grenzen lückenlos schließen und die Botschaft in die Welt senden: „Die deutschen Grenzen sind dicht.“
„Nieder mit den Windmühlen!“
„Wir werden Nord Stream wieder in Betrieb nehmen“, rief sie etwa unter Beifall über die Erdgas-Leitung nach Russland. Sie warf der Union vor, vom AfD-Wahlprogramm abzuschreiben und schmähte die CDU als „Betrügerpartei“, die man überholen müsse. Die AfD-Spitzenfrau machte außerdem deutlich, dass sie mit dem Begriff „Remigration“ kein Problem hat. Tosenden Beifall gab es für ihren Ausruf: „Wenn wir am Ruder sind, wir reißen alle Windkraftwerke nieder. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande.“
Mit mehr als zwei Stunden Verspätung hatte der Bundesparteitag in der sächsischen Stadt Riesa erst gegen Mittag beginnen können. Wegen zahlreicher Blockaden von Zufahrtswegen durch linke Gegendemonstranten verzögerte sich die Anreise vieler Delegierter.
Das zweitägige Treffen sollte ursprünglich um 10 Uhr beginnen und startete schließlich erst einige Minuten nach 12 Uhr. Chrupalla, der die Eröffnungsrede hielt, nannte die Anreise „mehr als beschwerlich“.
AfD-Co-Chef will „Frontfrau“ Alice Weidel den Rücken freihalten
Chrupalla sagte vor der geplanten Kür der Co-Parteivorsitzenden Weidel zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl am 23. Februar, er sehe seine Aufgabe darin, „unserer Frontfrau“ den Rücken freizuhalten. Er selbst hatte im September seinen Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur erklärt.
Er ging auch auf das Online-Gespräch von Weidel mit dem US-Unternehmer Elon Musk auf der Plattform X am Donnerstag ein. Chrupalla bezeichnete Musk als jemanden, „der Raketen rückwärts einparken kann“ und sagte: „Wir haben Partner im Westen und im Osten.“
Weidel ist als Partei- und Fraktionschefin seit Jahren eines der bekanntesten Gesichter der AfD. Im Plenum des Bundestags machte sich die promovierte Volkswirtin als scharfzüngige Rednerin einen Namen. Weidels zentrales Thema ist dabei die innere Sicherheit und die Folgen der Zuwanderung.
Als offen homosexuelle Politikerin, die mit ihrer Lebenspartnerin in der Schweiz zwei Söhne großzieht, ist Weidel in ihrer Partei eine Ausnahmeerscheinung. Zudem ist sie eine der wenigen prominenten Frauen in der von Männern dominierten AfD.
Jugendorganisation „JA“ soll umstrukturiert werden
Inhaltlich geht es bei dem zweitägigen Parteitag um das Wahlprogramm der AfD für die Bundestagswahl. Ein Entwurf liegt vor. Darin werden etwa Forderungen nach einem Austritt aus der EU, dem Euro und dem Pariser Klimaabkommen erhoben. Mehrere Punkte sind aber noch strittig. Es gibt zahlreiche Änderungsanträge zum Beispiel in den Bereichen Außen-, Energie-, Migrations- und Familienpolitik, über die in Riesa debattiert und abgestimmt werden soll.
Ein kontroverser Punkt auf der Tagesordnung dreht sich zudem um den AfD-Nachwuchs: Die AfD-Spitze will die Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA), die der Verfassungsschutz als „gesichert extremistische Bestrebung“ einstuft, durch eine neue Organisation mit dem Namen „Patriotische Jugend“ ersetzen, die enger an die Partei gebunden ist.
Durch die Reform erhofft sich die AfD-Spitze nach eigener Aussage mehr Durchgriff etwa bei Fehlverhalten. Experten sehen als Motivation auch, dass die AfD-Jugend, wenn sie kein eigenständiger Verein mehr ist, besser vor einem Verbot geschützt wäre.