Zeitweise mussten neu ankommende Flüchtlinge in Baden-Württemberg in Zelten und Turnhallen untergebracht werden. Inzwischen ist die Lage deutlich entspannter. Mehr Plätze soll es dennoch geben.
Die Lage in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in Baden-Württemberg hat sich inzwischen wieder etwas entspannt. Das zeigen neue Zahlen des Justizministeriums. Unter dem Druck steigender Flüchtlingszahlen hatten Land und Kommunen lange händeringend nach Schlaf- und Wohnplätzen gesucht. Bei der Suche nach neuen Standorten herrscht dennoch zunehmend Zeitdruck.
Aktuell hält die Erstaufnahme des Landes, in der Flüchtlinge direkt nach ihrer Ankunft untergebracht werden, Regelkapazitäten für rund 6.000 Menschen und sogenannte Notkapazitäten für weitere knapp 6.000 Flüchtlinge bereit, wie das Ministerium mitteilt. Diese zusätzlichen Mengen könnte das Land kurzfristig aktivieren, sollten sich die Flüchtlingszahlen wieder erhöhen. Belegt waren im vergangenen Jahr bis Ende November allerdings durchschnittlich knapp 5.000 Plätze, im Jahr 2023 waren es 6.700, wie das Justizministerium auf Anfrage mitteilte.
Land will trotz Rückgangs mehr Plätze schaffen
Entwarnung will das Land aber keineswegs geben. Zum einen habe es auch im Jahr 2024 Monate mit besonders hohen Werten gegeben, sagte ein Ministeriumssprecher. Zum anderen müsse Baden-Württemberg auf derartige und stärkere kurzfristige Zugänge vorbereitet sein. Ein Teil der Kapazitäten habe daher eine Pufferfunktion. „Die jüngsten Ereignisse in Syrien zeigen, wie schnell sich die Lage in den verschiedenen Krisenregionen ändern kann“, teilte das Ministerium zu den Zahlen mit.
Ungeachtet der jüngsten Zahlen fehlen in Baden-Württemberg weiterhin 9.000 Plätze für neu ankommende Flüchtlinge. Diese Berechnungen beruhen auf Schätzungen der Bundesregierung. Demnach kommen mittelfristig pro Jahr 210.000 Menschen nach Deutschland, um hier Asyl zu beantragen. Davon müsste Baden-Württemberg rund 27.300 unterbringen.
Kommunen sollen entlastet werden
Deswegen sollen in den kommenden Jahren die Regelkapazitäten der Landeserstaufnahme auf 15.000 Plätze für 12.000 unterzubringende Menschen ausgebaut und Notkapazitäten durch reguläre Kapazitäten ersetzt werden. Mindestens neun neue Erstaufnahmezentren im Südwesten sollen so gebaut oder eingerichtet werden – zur Not auch gegen den Willen der jeweiligen Kommune.
„Die großen Zugänge der letzten Jahre mussten wir durch den Aufbau von Notkapazitäten auffangen. Jetzt geht es darum, diese durch Regelkapazitäten zu ersetzen“, erklärt Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) dazu.
Kommunen sollen durch einen Ausbau der Regelkapazitäten entlastet werden, wie es hieß. Asylverfahren können dann häufiger bereits direkt in der Erstaufnahme abgeschlossen und Rückführungen von dort aus organisiert werden. „So können künftig verstärkt nur Personen auf die Kommunen verteilt werden, die eine Bleibeperspektive haben“, sagte Gentges.
Land muss Asylbewerber aufnehmen
Bislang betreibt das Land zehn Erstaufnahmeeinrichtungen, davon eine in Sigmaringen und bis Ende des Jahres die LEA in Ellwangen. Von den Einrichtungen werden die Flüchtlinge dann in kleinere Unterkünfte verteilt, deren Betrieb Kreise und Gemeinden organisieren. Baden-Württemberg ist gesetzlich dazu verpflichtet, die vom Bund auf die Länder verteilten Menschen aufzunehmen.
Im Jahr 2024 hat Baden-Württemberg knapp 45.000 Schutzsuchende aufgenommen, darunter 23.000 aus der Ukraine, weitere 20.500 Asylbewerber und etwa 1.300 humanitäre Aufnahmen wie etwas Ortskräfte aus Afghanistan (Stichtag 30.11.2024). Im Jahr zuvor hatte das Land hingegen rund 79.000 Geflüchtete aufgenommen, im Jahr 2022 waren die Unterkünfte sogar mit rund 176.000 Menschen aus den Nähten geplatzt. Das waren damals deutlich mehr als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen, dem Höhepunkt der damaligen Fluchtbewegungen.
Zahl der Asylbewerber sinkt auf weiter hohem Niveau
Flüchtlinge aus der Ukraine müssen keinen Asylantrag stellen, sie leben auch kaum in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes und werden vor allem privat untergebracht, entweder bei Verwandten oder in eigenen Wohnungen.
Nach Angaben des Justizministeriums sinken die Flüchtlingszahlen zwar derzeit, sie bleiben aber auf überdurchschnittlich hohem Niveau. Zum Vergleich, in den Jahren 2016 bis 2021 – also vor Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – waren es durchschnittlich 17.000 Geflüchtete pro Jahr.
In Baden-Württemberg besteht das Unterbringungssystem für Geflüchtete aus drei Phasen: Für die Erstaufnahme ist das Land zuständig, für die vorläufige Unterbringung der jeweilige Land- oder Stadtkreis und für die Anschlussunterbringung die Gemeinde. Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es etwa in Karlsruhe, in Sigmaringen, Ellwangen und in Freiburg. Die Kommunen fordern aber Kurskorrekturen und pochen auf eine bessere europäische Verteilung sowie schnellere Verfahren.