Die Münchner „Polizeiruf 110“-Kommissare müssen den Mörder eines Pornodarstellers finden. Eine kaputte Familie und die Grenzen des deutschen Strafrechts erschweren die Ermittlungen.

2 von 5 PunktenMischung aus Familiendrama und Justizkrimi

Worum geht’s?

Mia Horschalek (Emma Preisendanz), Mitglied einer wohlhabenden Münchner Familie, ist nach dem Tod ihrer Mutter ziemlich verloren. Ihr Vater Ralph (Martin Rapold) verwaltet als Edelmetallhändler Milliardenvermögen und sorgt sich vor allem um seinen guten Ruf. Mias jüngere Schwester Sasha interessiert sich nur für die Anzahl ihrer Follower und Likes. Trost findet Mia in den Gesprächen mit ihrem Therapeuten Martin Weibel (Michael Roll) und bei ihrem neuen Freund Lukas „Lucky“ Bärwein (Florian Geißelmann). Die beiden drehen Amateurpornos, die sie dann ins Internet stellen. Als Lucky ermordet in seinem Wohnwagen aufgefunden wird, nehmen Kommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) und ihr Kollege Dennis Eden (Stephan Zinner) die Ermittlungen auf. Bei der Auswertung von DNA-Spuren stößt die Medizinerin Franca Ambacher (Jule Gartzke) auf ein entscheidendes Detail, das den Fall lösen könnte, juristisch aber extrem heikel ist.STERN PAID Tatort Ton 19.05

Warum lohnt sich der „Polizeiruf 110: Jenseits des Rechts“?

Der Film (Drehbuch: Tobias Kniebe, Regie: Dominik Graf) zeigt, welche gesetzlichen Grenzen Labormitarbeitern und Ermittlern bei der Auswertung von DNA-Spuren gesetzt sind. Als Präzedenzfall gilt ein Verbrechen aus dem Jahr 2010. Nach der Vergewaltigung einer Frau führten die Ermittler einen DNA-Massentest durch. Bei der Auswertung der Proben wurden Spuren gefunden, die nahezu identisch mit der Täter-DNA waren, also auf ein direktes Verwandtschaftsverhältnis schließen ließen. Über diese sogenannten Beinahetreffer fanden die Ermittler schließlich den Täter. Später urteilte der Bundesgerichtshof, dass dieses Verfahren nicht rechtens war. Die Polizei hätte ihre Ermittlungen nicht auf den Familienkreis ausweiten dürfen. Der „Polizeiruf 110“ versucht, dieses komplexe Thema anschaulich zu vermitteln, was zumindest in Teilen gelingt. Darüberhinaus nutzt Regisseur Dominik Graf interessante filmische Mittel, etwa Split Screens, die zum Einsatz kommen, oder Darsteller, die direkt in die Kamera sprechen.

Was stört?

Die jugendliche Hauptfigur Mia litt an Magersucht, hat depressive Gedanken und dreht Pornos. Ihr Vater ist ein schnöseliger Unternehmer, der in einer Villa wohnt, die so groß ist, dass man zwischen den einzelnen Etagen mit dem Aufzug hin- und herfahren muss. Zudem ist er in dubiose Waffendeals verwickelt und hat Ärger mit Aktivisten, die seine Geschäfte torpedieren. Der Film will mit zahlreichen reißerischen Themen Aufmerksamkeit erzeugen, wirkt dabei jedoch sehr erratisch. Gerade zu Beginn fehlt eine klare Erzählstruktur, wodurch es schwer fällt, der Geschichte konzentriert zu folgen. So chaotisch wie der Film beginnt, so vorhersehbar entwickelt er sich zum Schluss: Während die Ermittler noch rätseln, ahnt man als Zuschauer schon lange, wer der Täter ist.Tatort Ausstiege 10.45

Die Kommissare?

Es ist erst ihr dritter gemeinsamer Fall, aber Cris Blohm und Dennis Eden sind schon jetzt ein Ermittler-Paar, dem man gerne zusieht. Sie agieren auf Augenhöhe und liefern amüsante Dialoge. Kostprobe gefällig? Als Eden sich beschwert, dass Mias Vater nicht mit der Polizei kooperieren will, kontert Blohm: „Ernsthaft Dennis, ich spüre den ganzen Tag, wie ich langsam innerlich ziemlich bockig werde.“ Die Bockigkeit mündet schließlich in einen Alleingang der Polizistin, bei dem sie alle Regeln bricht und gegen Gesetze verstößt.

Ein- oder ausschalten?

Spannendes Thema, anstrengende Umsetzung: Wer das Jahr entspannt ausklingen lassen möchte, kann sich diesen Sonntagskrimi sparen.

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