Bei der Präsidentschaftswahl in Kroatien hat sich Amtsinhaber Zoran Milanovic Prognosen zufolge bereits in der ersten Runde durchgesetzt. Der von den Sozialdemokraten unterstützte 58-Jährige holte am Sonntag rund 51 Prozent der Stimmen, wie eine vom Fernsehsender HRT veröffentlichte Nachwahlbefragung ergab. Auf seinen von der konservativen Regierungspartei HDZ unterstützten wichtigsten Konkurrenten Dragan Primorac entfielen demnach rund 19 Prozent der Stimmen.

Hinter den beiden Favoriten landeten bei der Wahl laut der Prognose die Mitte-Rechts-Kandidatin Marija Selak Raspudic und die Anwärterin der Linksgrünen, Ivana Kekin. Für beide stimmten demnach rund acht Prozent der Wähler.

Sollten sich die Prognosen bestätigen und Amtsinhaber Milanovic in der ersten Runde gewinnen, wäre dies ein erheblicher Rückschlag für die HDZ von Regierungschef Andrej Plenkovic. Vorwahlumfragen hatten Milanovic zwar deutlich vorn gesehen, dennoch waren Experten davon ausgegangen, dass kein Kandidat bereits in der ersten Runde die erforderliche Mehrheit von mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten würde.

Seit der Unabhängigkeit Kroatiens vom früheren Vielvölkerstaat Jugoslawien im Jahr 1991 war lediglich dem von vielen Kroaten als Held der Unabhängigkeit verehrten ersten Präsidenten Franjo Tudjman ein Sieg im ersten Wahlgang gelungen.

Die Beteiligung an der Präsidentschaftswahl war offenbar deutlich niedriger als bei der Parlamentswahl im April. Offiziellen Zahlen zufolge hatten bis 16.30 Uhr, zweieinhalb Stunden vor Schließung der Wahllokale, lediglich 39 Prozent der Berechtigten ihre Stimme abgegeben. Bei der Parlamentswahl waren es zu diesem Zeitpunkt mehr als 50 Prozent gewesen. Ein Grund für die niedrige Beteiligung könnte der Wahltermin zwischen Weihnachten und Neujahr sein, viele Kroaten sind zu dieser Zeit verreist. 

Milanovic ist seit fast zwei Jahrzehnten eine der führenden und schillerndsten politischen Persönlichkeiten Kroatiens. Von 2011 bis 2016 war er Ministerpräsident, das Amt des Staatschefs übernahm er im Jahr 2020. 

Das EU-Land Kroatien mit seinen 3,8 Millionen Einwohnern kämpft derzeit mit einer hohen Inflation, mit weit verbreiteter Korruption und einem Arbeitskräftemangel.

Für Experten war der Wahlkampf vor allem eine Fortsetzung der Fehde zwischen Staatschef Milanovic und HDZ-Regierungschef Plenkovic. Dieser hatte dem Präsidenten nach dessen Kritik an der Haltung der EU zum Ukraine-Krieg vorgeworfen, „pro-russische Ansichten“ zu vertreten und die Glaubwürdigkeit Kroatiens in der Nato und der EU zu beschädigen. 

In Kroatien hat der Präsident vor allem repräsentative Aufgaben, ist aber auch der Oberbefehlshaber der Armee und vertritt das Land auf internationaler Ebene. Viele Kroaten betrachten den Staatschef zudem als Garanten für Stabilität und ein reibungsloses Funktionieren der Institutionen sowie als wichtiges politisches Gegengewicht zum Regierungschef.