Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Neuwahl-Plänen des Kanzlers seinen Segen erteilt. Zugleich wies er auf Gefahren für die Demokratie durch Beeinflussung von außen hin.

Auflösung des Bundestags, Neuwahl am 23. Februar 2025. Mit der Entscheidung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist die Regierung von Olaf Scholz in Kürze auch amtlich am Ende (lesen Sie hier mehr dazu). In einem Statement im Schloss Bellevue begründete der erste Mann im Staat am Freitagvormittag seine Entscheidung – und warnte zugleich vor Einflussnahmen auf die kommende Bundestagswahl. Die Rede des Bundespräsidenten im Wortlaut:

So begründet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Neuwahl-Entscheidung

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, 

ich habe heute entschieden, den 20. Deutschen Bundestag aufzulösen und Neuwahlen für den 23. Februar des kommenden Jahres anzusetzen. Ein entsprechendes Schreiben ist soeben der Präsidentin des Deutschen Bundestages übergeben worden. 

Politische Stabilität in Deutschland ist zu Recht ein hohes Gut. Sie hat uns genützt und geschützt. Die Auflösung des Bundestages vor dem Ende der Legislaturperiode und vorgezogene Neuwahlen sind in unserem Land Ausnahmefälle. So haben es die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes auch gewollt. 

Aber gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt braucht es für Stabilität eine handlungsfähige Regierung und verlässliche Mehrheiten im Parlament. Ich habe in der letzten Woche Gespräche mit den Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppen im Deutschen Bundestag geführt. Die jetzige Regierung verfügt ausweislich der Abstimmung über die Vertrauensfrage über keine Mehrheit mehr. Aber auch für eine anders zusammengesetzte Regierung habe ich in den Gesprächen keine Mehrheiten erkennen können. 

Neuwahlen sind der richtige Weg

Deshalb bin ich überzeugt, dass zum Wohle unseres Landes Neuwahlen jetzt der richtige Weg sind. Unsere Verfassung hat für diese Lage Vorkehrungen getroffen. Der Bundestag arbeitet weiter, bis sich ein neuer Bundestag konstituiert hat. Die Bundesregierung ist im Amt und führt die Geschäfte auch nach der Bundestagswahl weiter, bis eine neue Regierung gebildet wird. Unsere Demokratie funktioniert auch in Zeiten des Übergangs. 

Ich wünsche mir, dass die Stärke unserer Demokratie für die Wählerinnen und Wähler auch jetzt im beginnenden Wahlkampf sichtbar wird. Die nächste Bundesregierung hat große Aufgaben vor sich. Deshalb muss es in den kommenden Wochen um die besten Lösungen gehen für die Herausforderungen unserer Zeit. 

Kommentar Olaf Scholz, der Gescheiterte 19:28

Die wirtschaftlich unsichere Lage, in der Unternehmen in Schwierigkeiten kommen und Arbeitsplätze gefährdet sind; die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine, deren Auswirkungen auch bei uns zu spüren sind; die drängenden Fragen der Steuerung von Zuwanderung und Integration; den Klimawandel, dessen Folgen auch uns immer stärker treffen; das friedliche und sichere Zusammenleben in unserem Land. 

Nach den zuletzt langen parteipolitischen Auseinandersetzungen über das Ob und Wie von Neuwahlen, nach dem jetzt beginnenden Wahlkampf, muss gelten: Es ist jetzt an der Zeit, dass das Problemlösen wieder zum Kerngeschäft von Politik wird. Genau das ist es, was die Menschen jetzt erwarten. Sie erwarten tragfähige Vorschläge für eine gute Zukunft für unser Land, das sich in schwieriger Zeit behaupten muss. 

Und ich glaube, sie verstehen, dass auch Prioritätensetzungen und schmerzhafte Wahrheiten dazugehören. Denn Politik ist immer die Verhandlung dessen, was möglich ist. Und das kann nie alles gleichzeitig sein. Natürlich kann die Debatte über die besten Lösungen auch mit Zuspitzungen und Schärfen geführt werden. Gerade im Wahlkampf. Das verträgt unsere freiheitliche Demokratie. Oder mehr noch: Sie braucht den Wettstreit der Ideen. Aber ich erwarte, dass dieser Wettstreit mit Respekt und mit Anstand geführt wird. Schon allein deshalb, weil nach der Wahl die Kunst des Kompromisses gefragt sein wird, um eine stabile Regierung zu bilden.

Einflussnahme von außen ist eine Gefahr für die Demokratie

Und ich erwarte auch, dass der Wahlkampf mit fairen, mit transparenten Mitteln geführt wird. Einflussnahme von außen ist eine Gefahr für die Demokratie, sei sie verdeckt, wie kürzlich offenbar bei den Wahlen in Rumänien oder offen und unverhohlen, wie es derzeit besonders intensiv auf der Plattform X betrieben wird. Ich wende mich entschieden gegen alle äußeren Einflussversuche. Die Wahlentscheidung treffen allein die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. 

Noch etwas versteht sich von selbst: Hass und Gewalt dürfen keinen Platz haben in diesem Wahlkampf. Und das, was sie vorbereitet, auch nicht. Verunglimpfung, Einschüchterung, Gewalt: All das ist Gift für die Demokratie. All das beschädigt unsere Demokratie. Wir müssen Gewalt ächten. Das erwarte ich von allen, die sich um Verantwortung bewerben. 

Es liegt jetzt an Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, darüber zu entscheiden, welchen Weg wir in den nächsten Jahren gemeinsam gehen werden. Die Entscheidung ist nicht einfach. Nicht für die Alten, deren Gewissheiten durch die Krisen der Welt erschüttert sind. Nicht für die Jungen, die mit Skepsis in die Zukunft schauen. Nicht für diejenigen, die zugewandert sind. Nicht für diejenigen, die frustriert oder enttäuscht sind, weil sie nicht gesehen oder gehört werden. 

Aber, und das ist das Entscheidende: Wir brauchen sie alle. Ihre Meinung zählt. Deshalb bitte ich Sie, gehen Sie wählen und wählen Sie in dem Bewusstsein, dass Ihre Stimme die entscheidende sein könnte. Schützen und stärken wir unsere Demokratie. 

Vielen Dank.“