Seit Jahren kommt die Gans bei der Autorin nicht mehr anders ins Rohr: über Nacht, bei niedriger Temperatur schmort das Federvieh zur Perfektion. 

„Lass uns die Gans dieses Jahr über Nacht garen!“, schlug ich meiner Mutter vor einigen Jahren vor. Sie schaute mich skeptisch an, das soll funktionieren? Und wie! Also massierten wir die Gans am Heiligabend um 24 Uhr großzügig mit Salz ein, heizten den Ofen auf 220 Grad Celsius auf und guckten für eine Stunde in die Röhre. Dann reduzierten wir die Temperatur auf 80 Grad, programmierten den Ofen auf sieben Stunden und legten uns schlafen. Die Nacht war unruhig. Von Sorgen geplagt, ob denn am ersten Weihnachtstag überhaupt Essen auf dem Tisch stehen würde, ob unsere Familie nicht hungrig vor ihren leeren Tellern sitzen würde.

Als wir morgens aufwachten, galt unser erster Blick der Gans. Der Ofen hatte sich automatisch abgeschaltet, die Gans war nicht verbrannt. Ein Stein fiel uns vom Herzen, die Augenringe nahmen wir dankend in Kauf. Kurz vor dem Mittagessen, also etwa eine halbe Stunde vorher, wärmten wir die Gans bei 180 Grad im Ofen noch einmal auf. Dann war die Stunde der Wahrheit gekommen. War die Gans gar? Der erste Schnitt ins Fleisch ließ den Bratensaft freien Lauf. „Das ist doch Blut“, sagte mein Vater. „Nein“, erwiderte ich. „Das ist Perfektion.“

So funktioniert Niedrigtemperaturgaren

STERN PAID 48_22 Einfach Essen Rezept Christstollen Der Weihnachts-Happs 16.30Durch die schonende Zubereitungsmethode, die sich in der Fachsprache Niedrigtemperaturgaren nennt, trocknet das Fleisch nicht aus. Es bleibt saftig, sehr sogar. Und das Fleisch schimmert rosa. Aber was passiert eigentlich genau bei dieser Methode?

Beim normalen Braten bei Ofentemperaturen um 150 °C und höher entsteht ein starker Temperaturunterschied von außen nach innen. Wenn die gewünschte Kerntemperatur erreicht ist, ist sie außen bereits überschritten, das Fleisch bekommt eine Graufärbung. Das bedeutet die Proteine sind vollständig geronnen. Und die Flüssigkeit im Fleisch geht verloren. Bei der Niedrigtemperaturmethode vermeidet man dieses Temperaturgefälle, dadurch bleibt die Flüssigkeit im Gewebe gebunden und das Fleisch saftig.

Anleitung fürs Niedrigtemperaturgaren

Besorgen Sie sich eine Gans, möglichst aus artgerechter Haltung, die um die vier Kilo hat. Das reicht für etwa 4-6 Esser. Waschen und säubern sie die Gans und salzen Sie sie großzügig von innen und von außen. 

Heizen Sie den Backofen auf 220°C auf. Sie brauchen gleich den Rost, auf den sie die Gans legen und darunter das Blech, um tropfendes Fett aufzufangen. Geben Sie zwei Gläser Wasser in das Blech.

Stellen sich nach einer Stunde auf 80°C herunter und garen Sie die Gans nun mindestens sieben bis acht Stunden weiter. So bleibt die Gans butterzart und saftig. Wir stellen die Gans vor dem Schlafengehen an, unser Ofen schaltet sich automatisch ab. Ansonsten Wecker stellen!

Eine halbe Stunde vor dem Essen, stellen Sie den Backofen noch einmal auf 180°C und wärmen sie die Gans aus. Dann tranchieren und die Keulen, das Brustfleisch und die Flügel anrichten.