Das kleine Dorf Kinakoni war Schauplatz eines besonderen Projekts. Mit dem stern und der Welthungerhilfe suchten die Menschen nach neuen Lösungen gegen den Hunger. Mit Erfolg?

Als das Team vom stern und der Welthungerhilfe zum ersten Mal in das Dorf Kinakoni kam, wurden noch Masken getragen. Es war der Sommer 2021, die Welt steckte in der Covid-Pandemie, ein Krieg in der Ukraine schien genauso fern und grotesk wie eine zweite Präsidentschaft Donald Trumps. Eine andere Zeit, mit anderen Sorgen, und für Kinakoni, 250 Kilometer östlich von Kenias Hauptstadt Nairobi gelegen, war die Sorge vor allem der Hunger.

Mehr als 800 Millionen Menschen auf der Welt waren damals unterernährt, 40 Millionen waren akut von einer Hungersnot bedroht, heute sind es noch mehr. Nach Jahrzehnten des Rückgangs griff wieder Mangelernährung um sich, der Klimawandel spielte mit rein, auch die Pandemie.

Armut auf dem Land – Aufbruch in der Stadt

Gleichzeitig gab es eine Aufbruchseuphorie in vielen Städten Afrikas, allerorten entstanden Start-ups, und schließlich war da diese Idee: Warum nicht die Brücke von einem zum anderen schlagen?

Dorf FAQ Projekt 09.09

Drei Jahre sind vergangen. Was ist aus der Idee des Projekts geworden – und aus den Ideen der Gründer aus Nairobi?

Die Antwort auf die Frage führt zu Menschen wie Mohammed Ndolo. Der mittlerweile 24-Jährige stammt aus Kinakoni, als Kind schon arbeitete er auf dem Feld der Familie, so wie es die meisten Kenianer im ländlichen Bereich tun.

Heute ist Ndolo Agrarmanager. Er beaufsichtigt eine der etwa fußballfeldgroßen Gemeinschaftsfarmen von Kinakoni und achtet darauf, dass Papayas erst geerntet werden, wenn sie reif sind, dass die Tomaten genügend Wasser haben, oder auch: dass die Würmer, die den Abfall kompostieren, ausreichend Nachschub bekommen.

In der sanierten Grundschule von Kinakoni wird nun auch Programmieren gelernt
© Marc Görgen/stern

Die Idee für den Acker stammt von Forschern aus einem Agrar-Start-up bei Nairobi. Sie hatten den Boden untersucht und dann Pflanzen mitgebracht, die besser an den Klimawandel angepasst sind als die üblichen. Es wurde geharkt, gesät, eine Tröpfchenbewässerung gelegt – und inzwischen auch schon mehrmals geerntet. Dabei hat sich nicht nur gezeigt, dass Butternut-Kürbisse gut gedeihen und Mais nicht mehr angebaut werden sollte. Nein, mehr noch, aus dem Versuchsfeld wurde eine Kooperative.

30 Bewohner haben sich zusammengeschlossen und in Schichten eingeteilt, um das Feld zu bewirtschaften. Obst und Gemüse wird, zum Teil verpackt und per Trocknung haltbar gemacht, jetzt sogar auf den Märkten in der Nähe verkauft. Eine solarbetriebene Getreidemühle kann von den Bauern gegen Gebühr benutzt werden und bietet der Kooperative ein zusätzliches Einkommen. Die Einnahmen aus all dem finanzieren auch das Gehalt von Ndolo.

Eine der Frauen aus Kinakoni mit im Solartrockner haltbar gemachten Gemüse. Kunde ist eine spinatähnliche Pflanze und in der Provinz Kitui sehr beliebt
© Marc Goergen

„Wir haben eben gemerkt, dass wir jemanden brauchen, der die Arbeiten auf der Farm jeden Tag beaufsichtigt“, sagt er, die Furchen abschreitend. „Und für mich war das natürlich eine tolle Chance.“ Ndolo hat sich sein Know-how in einem Kurs geholt, den die kenianischen Berater der Farm anboten. Er wendet sein Wissen auch auf dem Feld der heimischen Familie an und trägt es weiter, ins Dorf hinein.

Versuchsfeld plus Kooperative in Kinakoni ausgedehnt

In den vergangenen Monaten wurde das erfolgreiche Prinzip aus Versuchsfeld plus Kooperative in Kinakoni ausgedehnt. Noch mehr Felder kamen hinzu, weitere Kooperativen entstanden. Und abermals wurden junge kenianische Forscher und Unternehmer für die Beratung ins Boot geholt – denn das hatte sich das Projekt zum Ziel gemacht: Wissen aus dem Land für das Land.

So soll auch dem Stereotyp des angeblich unrettbar vor sich hin darbenden Afrika entgegengewirkt werden. Bei den zusätzlichen Gemeinschaftsfeldern war ein Social Entreprise aus Nairobi Partner. Deren Forscher sind spezialisiert auf den Anbau in Trockenregionen ohne künstliche Bewässerung, wie es sich eben in Kinakoni anbietet. Dank ihrem Input, dank Training und besserer Samen konnten die Erträge mehr als verdoppelt werden.

Mohammed Ndolo leitet die Versuchsfarm
© Marc Görgen/stern

Natürlich hat sich nicht alles, was in Kinakoni angepackt wurde, bewährt. Rückschläge gehören dazu. Das Projekt war ein Experiment, abseits der oft streng bürokratisch geregelten Vergabe öffentlicher Gelder in der Entwicklungszusammenarbeit und möglich gemacht durch Spenden der Leserinnen und Leser des stern sowie größerer Unterstützer wie der Regine-Sixt-Kinderhilfe-Stiftung, der Wilo Foundation, der Deichmann-Stiftung und der Stiftung Block.

In Kinakoni gedeihen inzwischen auch Papayas
© Marc Goergen

Eine Drohnenfirma kartierte anfangs das Gelände, was aber, wie sich rasch herausstellte, den Menschen vor Ort keinen Nutzen brachte. Auch Tourismus schien erst ein vielversprechender Einnahmezweig zu sein, schließlich liegt Kinakoni in eine traumhafte Landschaft gebettet, gesprenkelt mit Granitfelsen und Baobabs. Begeisterte Gäste aus Nairobi besuchten das Dorf – allerdings konnte bis heute kein Tourismusunternehmen einen tragfähigen Businessplan vorlegen. Und nach wie vor fehlen Jobs in Kinakoni, das Schulgeld bleibt für viele Familien eine Herausforderung.

Mehr Wasser, bessere Einkommensmöglichkeiten

Trotzdem hat sich das Leben für die meisten Bewohner stark verbessert. Zu Beginn und auch nun zum Ende der dreijährigen Projektphase wurden Daten erhoben. Sie zeigen zum Beispiel, dass 60 Prozent der Menschen heute einen besseren Zugang zu Wasser haben. 55 Prozent wenden neue Technologien an, unter anderem in der Landwirtschaft. Und vielleicht am wichtigsten: Mehr als die Hälfte der Befragten in Kinakoni geben an, ein höheres Einkommen zu haben. Zu den konkreten Verbesserungen gehören außerdem:

In der grundsanierten Schule erhalten die Kinder dank einer jungen Organisation aus Nairobi Computer- und sogar Programmierkurse. Noch vor einem Jahr waren die Gebäude einsturzgefährdet, es gab weder Strom noch Internet.Über dem Zentrum des Dorfes schwebt nunmehr ein WLAN-Netz. In Kinakoni nutzen vor allem junge Menschen den günstigen Zugriff, für die Schule, die Universität. Einige Läden haben das Web als Geschäftsmodell entdeckt, sie wurden Internetcafés.Der neue Computerraum von Kinakoni wurde in die Berufsschule integriert. Damit ist seine Finanzierung auch für die Zukunft gesichert.Der Honig aus Kinakoni, eine Tradition des Dorfes, wird dank einer Partnerschaft mit einer Firma aus Nairobi demnächst in der Hauptstadt zu kaufen sein, das Wachs aus den Bienenstöcken wiederum in Schönheitsprodukten verwendet.

Zwei Mitglieder der Honig-Kooperative von Kinakoni präsentieren ihr Produkt
© Marc Goergen

Drei Jahre sind also vorbei, sie haben Zukunft gebracht. Aber reicht das? Einem Dorf geht es deutlich besser, nicht aber der Nachbarschaft? Der stern wird dranbleiben. Was jetzt beginnt, gehörte von Anfang an zum Konzept. Die erfolgreichen Ansätze werden nämlich sukzessive auf die Nachbardörfer übertragen, die ersten Furchen auf den dortigen Gemeinschaftsfeldern sind bereits gezogen. Und günstiges WLAN gibt es auch.

In einem einzigartigen Projekt suchen der stern und die Welthungerhilfe gemeinsam mit den Menschen aus dem Dorf Kinakoni in Kenia nach neuen Lösungen gegen den Hunger. Hier finden Sie alle Infos. Die Arbeit vor Ort wird unter anderem unterstützt von der Deichmann Stiftung, der Wilo Foundation, der Stiftung Block und im Bereich des Schulneubaus von der Regine-Sixt-Kinderhilfe-Stiftung. Die Ernährungslage in Kinakoni ist vor allem aufgrund von Dürre und Preissteigerungen kritisch, das Projekt ist weiterhin auf Spenden angewiesen. Helfen Sie uns, den Menschen von Kinakoni beim Kampf gegen den Hunger zu helfen – bitte unterstützen Sie unsere Initiative. Jeder Euro geht vor Ort ins Projekt. Hier können Sie direkt spenden.