Der Mann, der auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mindestens zwei Menschen getötet und Dutzende verletzt haben soll, war offenbar gut integriert. Zu einem Motiv ist noch nichts bekannt.
Er brachte das Grauen in die Vorweihnachtszeit – und er brauchte nichts weiter als ein Auto, um in der Magdeburger Innenstadt Menschen zu töten und zu verletzen. Mit hoher Geschwindigkeit raste er am Freitagabend in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Alten Markt in der zweitgrößten Stadt Sachsen-Anhalts. Kurz darauf wurde der Verdächtige in der Nähe des Weihnachtsmarktes festgenommen (sehen Sie hier ein Video von der Festnahme des Mannes).
Verdächtiger von Magdeburg arbeitete als Arzt
Bei ihm handelt es sich wohl um den 50-jährigen Taleb A., ein aus Saudi-Arabien stammenden Mann, wie Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte. Er lebe in Bernburg, rund 35 Kilometer südlich von Magdeburg, und arbeite dort als Arzt in einem Unternehmen. In der 30.000-Einwohner-Stadt fand laut „Mitteldeutsche Zeitung“ am Abend ein größerer Polizeieinsatz statt. Ob dieser im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Anschlag steht, ist noch unklar. Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) erklärte, dass der mutmaßliche Täter 2006 nach Deutschland kam und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hat. Die Tat von Magdeburg soll er mit einem BMW-Leihwagen verübt haben. Die Polizei geht davon aus, dass er allein gehandelt hat.
Die Sicherheitsbehörden gehen nach ersten Erkenntnissen von einem Anschlag aus – als Islamist sei der Festgenommene aber nicht bekannt gewesen. Der „Spiegel“ berichtet vielmehr, dass sich Taleb A. vom Islam abgewandt habe und sich als Aktivist betätigt habe. Demnach hat der 50-Jährige Menschen bei der Flucht aus Saudi-Arabien unterstützt. Zudem hat Taleb A. eine Internetseite betrieben, auf der er über das deutsche Asylsystem informierte.
Mutmaßlicher Magdeburg-Täter als Islamkritiker und AfD-Sympathisant bekannt
2019 erzählte Taleb A. in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“, dass er 2016 in Deutschland Asyl beantragt habe, weil er nach seiner Abkehr vom Islam mit dem Tod bedroht worden sei. Auch auf den Sozialen Medien äußerte sich der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie islamkritisch und islamfeindlich. Auf der Plattform X veröffentlichte er in der Vergangenheit immer wieder Inhalte, die als rechts bis rechtsextrem eingeordnet werden können. Er sympathisierte auch offen mit der AfD. Schrieb bereits im Sommer 2016: „Ich und AfD bekämpfen den gleichen Feind, um Deutschland zu schützen.“ Dort dachte er auch laut über ein gemeinsames Projekt mit der Partei, die Gründung einer „Ex-Muslim Academy“, nach. „Wer sonst bekämpft den Islam in Deutschland?“, schrieb er.
Zuletzt äußerte sich Taleb A. auf der Plattform zunehmend radikal. Im November veröffentlichte er auf X mehrere Forderungen. Darin schrieb er, die offene Grenzpolitik sei ein Plan von Merkel gewesen, Europa zu islamisieren. Und er forderte: „Deutschland muss seine Grenzen gegen illegale Migration schützen.“ In einem Videointerview auf einem islamfeindlichen Blog driftete Taleb A. in Verschwörungsmythen ab. Sprach davon, dass der deutsche Staat saudische Ex-Muslime jage, um „ihr Leben zu zerstören“, während syrische Dschihadisten Asyl erhielten. Auch wenige Minuten nach der Fahrt auf den Weihnachtsmarkt veröffentlichte Taleb A. noch Videos, in denen er den Deutschen unter anderem vorwarf, ihn zu „verfolgen“.
Taleb A.: „Werde um jeden Preis für Gerechtigkeit sorgen“
Ein Post aus dem Mai von Taleb A. wirkt aufgrund der aktuellen Geschehnisse wie eine düstere Ankündigung. Darin schrieb er auf Englisch davon, dass er erwarte noch in diesem Jahr zu sterben: „Der Grund: Ich werde um jeden Preis für Gerechtigkeit sorgen. Und die deutschen Behörden behindern jeden friedlichen Weg zur Gerechtigkeit.“
Terrorexperte Peter Neumann vom King’s College London sagte im Sender ntv, das Profil des Verdächtigen habe ihn überrascht. „Wir haben nicht viele 50-Jährige, die sich radikalisieren.“ Bereits am späten Freitagabend wurde Taleb A. von der Polizei vernommen. Bisher ist zum Motiv für die Tat noch nichts bekannt. Die Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Anschlag laufen. Sollte sich der Terrorverdacht bestätigen, könnte der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich ziehen.
Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert.
Quellen: Polizei Magdeburg, ntv, „Mitteldeutsche Zeitung“, Nachrichtenagenturen DPA, AFP und Reuters, Spiegel, RND, FR, X