In den Raunächten wurden in der Zeit zwischen Weihnachten und dem 6. Januar traditionell Geister vertrieben. Diese Tradition lebt aktuell in abgewandelter Form wieder auf.
Es ist ein Trend, der bereits in den vergangenen zwei Jahren allmählich wieder aufkam und sich weiter fortsetzt: Die Raunächte gewinnen wieder an Bedeutung. Allerdings größtenteils in etwas abgewandelter Form. Der stern erklärt, was es mit dem Brauchtum auf sich hat und warum es wieder im Trend liegt.
Was sind die Raunächte?
Die Raunächte, manchmal Rauhnächte oder früher Rauchnächte, finden meist in der Zeit zwischen Weihnachten und dem 6. Januar, also dem Dreikönigstag, statt. Der am häufigsten überlieferte Grund: Das Jahr der Germanen umfasste 354 Tage. Im Vergleich zum Sonnenjahr fehlten also am Jahresende des sogenannten Mondjahres elf Tage oder zwölf Nächte. Es gibt noch andere, davon abweichende Überlieferungen, die im Kern aber ähnlich sind. Viele Menschen glaubten, dass in dieser Zeit der „leeren Tage“ die Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt seien. Damit einher ging die Annahme, dass auch Dämonen und Geister ihr Unwesen treiben und in diese Welt gelangen könnten. Daher gab es Rituale, um dies zu vermeiden, das Böse zu vertreiben und die Welt zu bereinigen.
Auch für die Herkunft des Namens gibt es unterschiedliche Theorien: Einer zufolge steht der Begriff der Rauchnacht mit dem mittelhochdeutschen Wort „rûch“ (haarig) in Verbindung, das in der Kürschnerei als „Rauware“ oder „Rauchware“ für Pelzprodukte bekannt ist. Die Dämonen wurden sich damals so vorgestellt, dass sie stark behaart waren, ein Bezug zu ihnen also. Eine andere Theorie stützt sich auf das Wort „rauen“ als Ursprung, was so viel wie „rau“ oder „wild“ bedeutet. Wieder andere Meinungen besagen, dass das Räuchern der Grund für den Namen gewesen sei.
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Einer der traditionellen Bräuche der Raunächte war das Ausräuchern: Mit Weihrauch und Weihwasser sollten Haus und Stall gegen das Böse gewappnet werden. Es wurde damals keine Wäsche aufgehängt, da die Sorge umherging, dass sich Dämonen darin verfangen könnten. Auch auf das Nähen und Spinnen wurde aus diesem Grund oftmals verzichtet. Träume galten früher in den Raunächten als zukunftsweisend, und man hielt sich an ihnen fest. Ein weiteres Ritual, das sich auch in der „Raunächte-Renaissance“ wiederfindet, ist das der 13 Wünsche. Diese werden jeweils auf einen Zettel geschrieben, und in jeder der zwölf Nächte wird je ein Zettel verbrannt. Um die Erfüllung des übriggebliebenen 13. Wunsches solle man sich selbst im neuen Jahr kümmern.
Ein weiterer Brauch, der auch in Süddeutschland und Österreich regelmäßig zu beobachten ist, ist der Perchtlauf. Auf modernen Perchtenläufen versammeln sich Menschen mit Masken und Pelzumhängen, die an Geister und Dämonen erinnern sollen. Mit (Kuh-)Glocken, Trommeln oder Ruten vertreiben sie die bösen Geister. Übrigens soll der Silvesterbrauch des Knallens an dieses Ritual angelehnt sein: Das Feuerwerk um Mitternacht soll Geister vom neuen Jahr fernhalten.
Warum lebt die Raunacht-Tradition wieder auf?
Schon früher waren die Raunächte also eine Zeit der Besinnung auf das Gute und dafür gedacht, sich auf das neue Jahr vorzubereiten, indem man sich frei von allem Schlechten macht. Noch immer glauben Menschen daran, dass die Zeit zwischen den Jahren eine besondere spirituelle Qualität hat. Vor allem in Süddeutschland gehört die Tradition bei vielen schon lange zur Festtagszeit dazu. Anders als früher, so beschreiben es die Buchautorinnen Christina Danetzky und Meliha Guri in ihrem Buch „Rauhnächte und Jahreskreisfeste“, seien es heute aber keine Dämonen und Geister, die man beseitigen möchte, sondern eher Stress und Krisen.
Diese Annahme ist auch in den sozialen Medien angekommen. Dort ist es seit einiger Zeit beliebt, auch über tiefergehende Themen zu sinnieren und über mentale Gesundheit und Achtsamkeit zu sprechen. Da trifft der Grundgedanke der Raunächte einen Nerv der Zeit: Vielen ist es wichtig, gerade angesichts der Krisen auf der Welt, zurück zum Guten zu kommen und sich vom Negativen zu befreien. Unter anderem Louisa Dellert hat im vergangenen Jahr dazu aufgerufen, sich mit dem ein oder anderen Brauch der Raunächte zu beschäftigen.
Zudem gibt es auch Online-Kurse, die in der Zeit zwischen den Jahren dazu anregen sollen, sich mit Themen zu beschäftigen, die den Rest des Jahres über weggeschoben werden. Sicherlich ist es auch deswegen so beliebt, weil die Zeit dieser Beschäftigung auf elf Tage begrenzt ist und es somit leichter fällt, sie durchzuhalten. Plus: Viele haben zwischen den Jahren Urlaub und die nötige Zeit.
Diplom-Psychologin Tanja Köhler gehört zu bekannten Anbieterinnen solcher Kurse. Dort lernen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich mit Themen wie Dankbarkeit, Vorfreude auf das kommende Jahr und dem Loslassen von Dingen, die einem nicht mehr guttun, zu beschäftigen. Außerdem hat Köhler zwei Bücher geschrieben, die sich besonders darum drehen, Klarheit zu schaffen und sich fürs kommende Jahr von allem Unnötigen freizumachen: „Rauhnächte – 12 Tage nur für dich: Klarheit schaffen, loslassen und Neues wagen“ sowie „Rauhnächte für Paare – 12 Tage nur für euch: Zeit zu zweit für Klarheit, Nähe und Zukunftspläne“.
Neben TikTok-Trends, Online-Kursen oder Büchern lassen andere auch alte Rituale aufleben und nutzen die Zeit, um mit Räucherstäbchen an den Weihrauch zu erinnern und zu meditieren, um sich auf sich und sein Inneres zu besinnen und zu reflektieren, was das Jahr über nicht gut lief, um es im kommenden ablegen zu können.
Tipps für die Zeit zwischen den Jahren
Wie und womit man die Zeit zwischen den Jahren zur Achtsamkeit und Besinnung nutzt, ist selbstverständlich individuell. Alles, was dazu beiträgt, sich frei von den negativen Dingen und Gedanken zu machen, die einen beschäftigen, ist sinnvoll. Anleitungen für die Gestaltung der „modernen Raunächte“ gibt es genügend. Diese Bücher sind, neben den oben genannten, zum Beispiel hilfreich:
„Meine Reise durch die 12 Rauhnächte | 100 Rituale und Impulse | Ein Begleiter für mehr Achtsamkeit und Resilienz im neuen Jahr“ von Marie Rudolf„Vom Zauber der Rauhnächte: Weissagungen, Rituale und Bräuche für die Zeit zwischen den Jahren“ von Vera Griebert-Schröder und Franziska Muri„Die weibliche Energie der Rauhnächte: Eine magische Reise für Frauen“ von Christine Dohler
Neben passenden Büchern gibt es auch Workbooks, einen Kalender oder Karten, die dazu anregen, sich aktiv mit den „eigenen Lasten“ auseinanderzusetzen, indem man sie zu Papier bringt.
Wer es also das ganze Jahr über nicht geschafft hat, sich intensiv mit sich selbst zu beschäftigen und herauszufinden, welche „bösen Geister“ es zu verjagen lohnt, sollte darüber nachdenken, dem Raunächte-Trend eine Chance zu geben. Schaden kann es jedenfalls nicht.
Quellen: „Deutschlandfunk“ / „Katholisch.de“ / „MDR“ / TikTok
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