Unsere Autorin hat als Kind selbst Pokémon-Karten gesammelt. Nun ist auch ihr Sohn der Sammelleidenschaft verfallen. Das hat in ihr wohlige Erinnerungen geweckt.
Es ist Sonntag, 10.30 Uhr, in der Inselpark Arena Hamburg. Statt der eigentlich hier beheimateten Basketballer der Towers geraten heute nur die Sammlerinnen und Sammler ins Schwitzen, wenn es um die heißesten TCG-Deals geht. Denn es ist Convention-Day. Für alle, die kein Wort verstehen: TCG steht für „Trading Card Game“, also Sammelkartenspiel. Bei einer Convention kommen Händlerinnen und Händler sowie Sammelnde zusammen, um Karten zu tauschen, zu kaufen, zu verkaufen und ihr gemeinsames Hobby auszuleben.
Mein siebenjähriger Sohn, sein Kumpel und ich sind mittendrin, im wahrsten Sinne des Wortes: Wir stehen zwischen den Menschenmassen, können uns kaum bewegen und ich bin überwältigt, wie groß der Hype um die Karten von Pokémon, Yu-Gi-Oh! oder One Piece noch immer ist. Besonders Pokémon-Karten stehen hier im Fokus. An fast jedem Stand gibt es die neuesten Booster, Top-Trainer-Boxen, sogar Automaten, in denen seltene Karten versteckt sein sollen. An Tischen wird getauscht und angegeben. An anderen Ständen geht’s dann so richtig zur Sache: Karten im Wert von mehreren hundert, teilweise über 1000 Euro gehen hier über den Tisch. Auch Influencer nehmen an diesem Event teil und berichten von den lohnendsten Sets. Sicherlich auch ein Faktor, der die Karten wieder beliebter für Kids macht.
Viele Menschen haben einen Bezug zu Pokémon
Es ist egal, ob man früher die Serie geguckt hat, die auch stetig fortgeführt wird, oder ob man eines der zahlreichen Spiele gezockt hat, die sich vom Gameboy bis zur Switch erstrecken und mit Pokémon Go auch aufs Smartphone kamen, oder ob man Interesse am Kartenspiel hat: Viele Menschen haben Berührungspunkte mit Pokémon. Sie können sich mit den Charakteren identifizieren, die unterschiedlichen Pokémon wie in der Serie sammeln und Erwachsene können einen Nostalgie-Moment erleben – spätestens wenn die eigenen Kinder mit den ersten Karten nach Hause kommen. Als mein Sohn mit dem Sammeln anfing, kam auch bei mir wieder der Drang auf, mich mit den Karten zu beschäftigen.
Gerade Kinder profilieren sich auch über die Pocket-Monster, vor allem, wenn sie sich nicht nur auf dem Handyspiel wiederfinden, sondern als Motiv auf den wertvollen Karten im eigenen Etui. Wer hat das stärkste Pokémon? Wer das süßeste? Oder die seltenste Karte? In einem Artikel der „Los Angeles Times“ bringt es ein Sammler auf den Punkt: „Die Karten sind zu einer Art Kinderwährung geworden.“
Wert der Pokémon-Karten ruft Fälscher auf den Plan
Aber auch manche Erwachsene möchten sich mit besonders seltenen Karten schmücken, vor allem solchen, die sie noch aus ihrer Kindheit kennen. Wer so richtig im Game ist, lässt die seltenen Exemplare dann noch graden, also durch eine professionelle Firma bewerten. Karten mit der besten Bewertung sind natürlich am beliebtesten und erleben auch eine Wertsteigerung. Laut „Los Angeles Times“ haben Pokémon-Karten bei Grading-Services mittlerweile schon die bisher beliebtesten Baseball-Karten überholt.
Heute ist nicht nur die Auswahl der Sammelkarten viel größer und die Aufmachung schicker als in den Anfangsjahren. Viele Karten sind auch im Wert deutlich gestiegen. Das hat allerdings auch Betrüger auf den Plan gerufen, die mit Fälschungen ein lohnendes Geschäft machen. Problematisch wird es, wenn die Kinder falsche Karten gegen echte tauschen oder ein Tausch wirklich unfair wird. Das führt auch an Schulen nicht selten zu Streitigkeiten oder gar dazu, dass die Karten auf dem Schulhof verboten werden.
Auch an der Schule meines Sohnes musste das Tauschen eingeschränkt werden, da es zu Diebstählen, Streit und widerwilligen Geschäften kam. Unter Aufsicht einer Lehrkraft darf nun zumindest in einer Pause in der Woche getauscht werden. Dass Pokémons einmal in der Mail der Schulleitung meines Sohnes auftauchen würden, hätte ich früher auch nicht erwartet.Gewusst vor 40 20.45
Es steckt also nicht nur die emotionale Bindung zur Serie, zum Spiel oder zu den Motiven auf den Karten hinter dem Dauererfolg von Pokémon. Auch die Tatsache, dass das Hobby rentabel sein kann, spielt eine Rolle. Ich schenke meinem Kind jedenfalls lieber neue Pokémon-Karten als irgendein Plastikspielzeug, das nach zwei Wochen sowieso kaputtgeht. Beim Kauf der Karten weiß ich: Es ist möglich, dass eine mit vergleichsweise hohem Wert dabei ist. Im besten Fall kann mein Sohn, sobald ihm die Karte nicht so gefällt, aus ihr „Kapital“ schlagen, um sich etwas Neues kaufen zu können.
Wichtig ist für mich: Das TCG soll bei meinem Sohn ein Hobby sein und kein Business werden. Ich bringe ihm bei, es mit dem Kaufen oder Tauschen nicht zu übertreiben. Trotzdem gibt es mir ein besseres Gefühl zu wissen, dass er eine Art Wertanlage in seiner Schublade im Kinderzimmer und trotzdem viel Spaß an den Karten hat. Es braucht ein gesundes Maß, das will ich meinem Sohn verdeutlichen und ihn beim Sammeln begleiten.
Trading Card Games erfordern Strategien und machen Spaß
Ein weiterer Aspekt der Pokémon-Beliebtheit dürfte sein: Auch die Karten, die keinen materiellen Wert haben, sind wichtig. Aus ihnen kann man sich ein Deck zusammenstellen, um das Sammelkartenspiel zu spielen. Denn obwohl viele Menschen die Karten vorrangig sammeln, sind sie natürlich auch zum Spielen da. Die Bedeutung des Spielaspekts zeigt auch eine neue App: „Pokémon TCG Pocket“ wurde bereits kurz nach Veröffentlichung mehr als zehn Millionen Mal heruntergeladen. Mittlerweile hat Pokémon sogar bei Tiktok und Co. Einzug gehalten.
Pokemon Karten verkaufen 14.27
Mein Kleiner hat seine Pokémon-Karten unteredessen in sein Sammeletui gelegt, um sie in der Schulpause mit seinen Freunden zu tauschen. Nach Schulschluss wird er mir sicherlich wieder stolz zeigen, welche neuen Karten er zurückbekommen hat. Und genau das ist ein wohliges Gefühl, an das ich mich noch ganz genau selbst erinnern kann.