In der kalten Jahreszeit füttern viele Menschen Vögel im Garten – doch Experten warnen vor den Risiken der Winterfütterung und betonen die Bedeutung naturnaher Lebensräume für den Artenschutz.

Wenn die Tage kürzer werden und Frost die Landschaft überzieht, wird in deutschen Gärten eine Tradition gepflegt, die ebenso beliebt wie umstritten ist: das Füttern von Vögeln in der Winterzeit. Die Vogelhäuschen werden mit Kernen gefüllt, Meisenknödel aufgehängt – und schon tummeln sich Spatzen, Amseln und Co. vor dem Fenster.

Doch so romantisch die vermeintliche Vogelschar auch wirken mag, Fachleute aus Naturschutz, Ornithologie und Medizin warnen: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

Hilfe in harten Wintern

Der Deutsche Tierschutzbund sieht die Fütterung als sinnvolle Unterstützung – vor allem, wenn Frost und Schnee die Nahrungsquelle erschweren. „Unsere Vögel haben es schwer, wenn natürliche Ressourcen durch intensive Landwirtschaft und den Rückgang der Artenvielfalt immer knapper werden“, schreibt James Brückner, Wildtierexperte des Verbandes, und rät zu gut durchdachten Futterstellen: Hygienisch sauber, vor Witterung geschützt und mit einem Angebot, das auf unterschiedliche Vogelarten zugeschnitten ist – von Sonnenblumenkernen für Spatzen bis zu getrockneten Insektenlarven für Rotkehlchen.

Ein Beispiel für eine durchdachte Konstruktion ist ein Silofutterhäuschen. Hier sind die Körner besser vor Vogelkot, Wind und Regen geschützt, und auch die Hygiene lässt sich einfacher wahren. Langfristig löse es allerdings nicht alle Probleme der heimischen Vogelwelt.

Nachhaltig statt nur füttern

Naturnah gestaltete Gärten bieten das beste Vogelfutter. Wer Füttern und Gartenpflege geschickt kombiniert, sorgt dafür, dass die heimische Tierwelt auch in frostigen Zeiten gut über die Runden kommt. Auch der Naturschutzbund (Nabu) unterstützt diese Idee und hebt hervor, wie wichtig vielfältige Lebensräume für Vögel und andere Arten sind.

„Unsere heimischen Vögel sind genau an die Pflanzen unserer Umgebung angepasst“, erklärt Janna Einöder, Referentin für Stadtgrün beim Nabu Berlin. Dazu zählen Sträucher wie Weißdorn oder Holunder sowie Stauden wie die Wilde Karde, deren Samen und Beeren Vögeln auch im Winter Nahrung bieten. In einem naturnahen Garten oder Stadtpark finden sie auch im tiefsten Winter noch Beeren, Samen, Insektenlarven oder andere Nahrung – und davon profitieren nicht nur häufige, sondern auch seltene Arten.

 

Häufige und seltene Gäste

Von wenigen Ausnahmen abgesehen erreiche das Füttern rund ums Haus nicht diejenigen Vögel, die im Mittelpunkt notwendiger Schutzbemühungen stehen oder stehen sollten, erklärt der Nabu Berlin. Dadurch könne die Winterfütterung zum Artenschutz letztlich nur einen kleinen Beitrag leisten.

Untersuchungen zeigen, dass Vogelfütterungen in Städten und Dörfern etwa 10 bis 15 Vogelarten zugutekommen. Die klassischen Profiteure sind meist Singvogelarten, die im Winter einen hohen Körneranteil in ihrer Nahrung haben wie Finken, Spatzen oder Meisen – außerdem Arten, die die Bestandteile der Fettknödel nutzen können wie Drosseln und Rotkehlchen.

Auch seltenere Arten wie Mönchsgrasmücken und Hausrotschwänze können dank Fettbestandteilen in Futtermischungen in Deutschland überwintern, obwohl sie meist ins Mittelmeergebiet ziehen. Immer mehr von ihnen bleiben jedoch in Europa.

Ein negativer Effekt des Fütterns: der dadurch veränderte Konkurrenzdruck. „Häufige Arten profitieren von der Fütterung, spezialisierte, daher oft seltenere Arten, profitieren weniger bis gar nicht“, betont Einöder. Die häufigen Arten könnten dann einen Vorteil haben, wenn im Frühjahr alle Vögel um Ressourcen wie Lebensraum oder Nistplatz konkurrieren. Dazu käme das Risiko der Übertragung von Krankheitserregern, was an einer Futterstelle erhöht sei.

Gefahren durch Übertragung von Krankheiten

Bei niedrigen Temperaturen sind zwar weniger Krankheitserreger zu erwarten als im Sommer, doch Salmonellen können auch im Winter aktiv sein. So erhöhen mildere Winter das Infektionsrisiko an Futterstellen.

„Die meisten Krankheitserreger, die bei Vögeln eine offensichtliche Rolle auch im Hinblick auf die Populationsentwicklung spielen, werden besonders leicht dort weitergegeben, wo Vögel sich konzentrieren“, erklärt Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie. Das gelte auch für Häuschen, an denen zahlreiche Vögel nacheinander oder gleichzeitig Nahrung aufnehmen.

Die Übertragung erfolge häufig durch Schmierinfektionen, wie Kot oder Sekrete, die das Futter oder Sitzstangen verunreinigen. Auch verschmutztes Trinkwasser könne ein Problem sein. Daher rät der Ornithologe, Futterhäuschen regelmäßig zu reinigen, mindestens einmal pro Woche mit heißem Wasser. So könne man zwar das Risiko „nicht ganz beseitigen, aber erheblich reduzieren.“

Natürliche Futterquellen als langfristige Lösung

An vielen Orten fehlen Sträucher, Stauden oder andere Pflanzen, wo Vögel auf natürliche Art ihre Nahrung finden. Da kann eine Vogelfütterung ergänzend sinnvoll sein. Die Futtermischungen sind laut dem Deutschen Tierschutzbund jedoch sehr unausgewogen.

„Das kann man ein bisschen vergleichen wie mit Fast-Food und einer von Ärzten empfohlenen ausgewogenen Ernährung“, sagt Stadtgrünreferentin Einöder. „Es ist immer besser, sich ausgewogener, also vielfältiger, zu ernähren.“ Das heißt vor allem natürliche Futterquellen für Vögel zu fördern.

„Es überrascht mich jedes Jahr aufs Neue, wie motiviert die Menschen ihren Vögeln ein winterliches Buffet bieten“, betont Einöder. Dort ende das Engagement für Naturschutz meist. Der Naturschutzbund wünsche sich ebenso viel Engagement für vogelfreundliche Gärten und Gebäude. Winterfütterung bleibt somit eine gute Ergänzung – aber langfristig sind es naturnahe Umgebungen, die das Überleben vieler Vogelarten sichern.