Als Enfant terrible der deutschen Kulturszene zieht Ben Becker konsequent sein eigenes Ding durch. Am heutigen 19. Dezember wird er 60.
Ben Becker (60) als Schauspieler zu bezeichnen, greift ein wenig zu kurz. Vielmehr ist der Mann ist ein eigenwilliges Gesamtkunstwerk, bei dem Bühnenrolle und Privatperson nahtlos ineinander übergehen. An seinem 60. Geburtstag ist der ewige Punk froh, noch unter den Lebenden zu weilen und stellt sich in seiner jüngsten Solo-Show „Todesduell“ der menschlichen Vergänglichkeit.
Big Ben im wilden West-Berlin
Seinen Spitznamen „Big Ben“ verdiente sich Ben Becker bereits im wilden Berlin der 1980er, in dem er sich als junger Punk aus einschlägiger Künstlerfamilie insbesondere durch eine ausgeprägte Großspurigkeit und einen gewissen Hang zu krawalligen Auftritten einen Namen machte. Noch bevor er seine Karriere als Schauspieler startete, zählte das selbstbewusste Energiebündel mit den roten Haaren zu den bekanntesten Figuren des Berliner Undergrounds.
Geboren wurde er am 19. Dezember 1964 in Bremen als Sohn der Schauspieler Monika Hansen (81) und Rolf Becker (89). Nachdem die Ehe in die Brüche ging, zog die Mutter mit Ben und seiner jüngeren Schwester Meret Becker (55) nach Berlin, wo sie bei ihrem Ziehvater, der Schauspiellegende Otto Sander (1941-2013, „Der Himmel über Berlin“) aufwuchsen.
Nach einem mit Ach und Krach gemeisterten Hauptschulabschluss entschloss sich Ben Becker ebenfalls für eine Karriere im künstlerischen Bereich, arbeitete zunächst als Bühnenarbeiter an der Berliner Schaubühne und nahm zwischen 1985 und 1987 privaten Schauspielunterricht. Danach widmete er sich in ersten Engagements am Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg und am Staatstheater Stuttgart zunächst vornehmlich dem Theater.
Durchbruch mit „Schlafes Bruder“ und „Comedian Harmonists“
Größere Bekanntheit erlangte das charismatische Nachwuchstalent Mitte der 1990er mit seinen vielbeachteten Rollen in großen Kinoproduktionen wie Joseph Vilsmaiers (1939-2020) „Schlafes Bruder“ (1995) oder der Filmbiografie „Comedian Harmonists“ (1997). Zudem war er regelmäßig in Krimi-Formaten wie dem „Tatort“, „Ein Fall für zwei“ oder „Polizeiruf 110“ zu sehen.
Auf dem ersten Höhepunkt seines Erfolges begann Ben Becker damit, sich eigene Projekte zu erschaffen, in denen er sich unkonventioneller austoben konnte und zudem stärker im Mittelpunkt stand. Zum Beispiel mit seiner ersten eigenen Theaterproduktion „Sid & Nancy“ (1995), in der er die tragische Liebesgeschichte des früh verstorbenen Sex-Pistols-Bassisten Sid Vicious (1957-1979) und seiner manischen Freundin Nancy Spungen (1958-1978) auf punkigste Art und Weise auf die Bühne brachte. Oder auch mit seinem Musikprojekt „Ben Becker & The Zero Tolerance Band“, mit dem er mehrere Alben mit Titeln wie „Und lautlos fliegt der Kopf weg“ (1997) oder „Wir heben ab“ (2001) veröffentlichte.
Leidenschaft für biblische Themen und große Fragen
Zusammen mit dieser Band setzte er sich auch erstmals auf monumentale Weise mit biblischen Texten und Figuren auseinander, eine Thematik, die ihn in den weiteren Jahren nicht mehr loslassen sollte. In einer spektakulären dreistündigen Solo-Performance mit der Zero Tolerance Band und dem Filmorchester Babelsberg brachte er 2007 unter dem Titel „Die Bibel – Eine gesprochene Symphonie“ Texte des alten und neuen Testaments auf die Bühne. Im selben Jahr verkörperte er zudem den Reformator Martin Luther (1483-1546) in der szenischen Fernsehdokumentation „Martin Luther – Kampf mit dem Teufel“.
Dass er sich seitdem zunehmend in großen Solo-Stücken mit religiösen Themen und den ganz großen Fragen des Lebens auseinandersetzt, dürfte auch mit seinem 2007 erlittenen Drogenabsturz zusammenhängen, der ihn fast das Leben kostete. Nachdem er sich eine nicht näher definierte Substanz zugeführt hatte, erlitt er einen Atemstillstand und musste reanimiert werden.
Ab 2015 sorgte Becker für mehrere Jahre mit seiner Inszenierung „Ich, Judas“ für größtes Aufsehen. In dem Stück schlüpfte er in die Rolle des biblischen Verräters Judas, der Jesus ans Kreuz lieferte. Aufgrund des großen Erfolges kam die wortgewaltige Solo-Perfomance 2017 auch als filmische Dokumentation in die Kinos.
Ein „Todesduell“ zum 60. Geburtstag
Kurz vor seinem 60. Geburtstag ging der Schauspieler nun im September mit einer weiteren Solo-Performance mit religiöser Thematik an den Start. In seiner Inszenierung „Todesduell“ bringt er die letzte Predigt des englischen Dichters und Predigers John Donne (1572-1631) auf die Bühne, in der das Leben als Duell mit dem Tod beschrieben wird. Auf Ben Beckers Website heißt es zu diesem Stück: „Sein Text ist eine Explosion. Wahr, erschütternd, schonungslos im Blick auf die Vergänglichkeit des Lebens und zugleich von einer Kraft und Hoffnung, die den Tod übersteigt.“
Dennoch muss man sich keine Sorgen machen, dass Becker seine weitere Karriere als theatralischer Wanderprediger fortsetzen wird und in Ernsthaftigkeit versinkt. Ganz im Gegenteil: Seit Ende 2023 ist der Schauspieler in der von Warner TV produzierten Krimi-Comedyserie „Boom Boom Bruno“ zu sehen. Mit selbstironischer Breitbeinigkeit gibt Becker in seiner ersten Serienhauptrolle einen aus der Zeit gefallenen Polizisten, der mit Sheriff-Montur und großer Klappe ausgestattet, den Mord an einer Dragqueen aufklären muss.
In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ signalisierte das Multitalent zudem kürzlich ein grundsätzliches Interesse daran, einen „guten ‚Tatort‘-Kommissar“ zu verkörpern. Zudem würde er „auch gern mal den Bösewicht bei ‚James Bond‘ spielen“.