Ein Gipfeltreffen der Europäischen Union mit den sechs Westbalkanländern ist ohne nennenswerte Fortschritte zu Ende gegangen. Die Staats- und Regierungschefs des westlichen Balkans hätten über ihre „Frustration“ berichtet, sagte der neue EU-Ratspräsident António Costa nach dem ersten Gipfel unter seiner Leitung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte mehr „Tempo“ in dem seit gut 20 Jahren dauernden Beitrittsprozess.
An dem Gipfel nahmen neben den 27 EU-Spitzen die Staats- und Regierungschefs von Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien sowie Serbien teil. Die EU hatte den sechs Staaten bereits vor mehr als 20 Jahren eine Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Russland und China konkurrieren zunehmend um Einfluss in der Region.
Costa äußerte sich nach den dreistündigen Beratungen überzeugt, die Hürden mit den Westbalkanländern überwinden zu können. Er nannte die Erweiterung „die wichtigste geopolitische Investition in Frieden, Sicherheit und Wohlstand“.
Diplomaten sprachen mangels greifbarer Ergebnisse allerdings von einer weiteren „Symbolveranstaltung“. Sie verwiesen auf die in vielen Punkten vage gehaltene Erklärung. „Die Zukunft des Westbalkans liegt in unserer Union“, bekräftigt die EU darin.
Sie ermahnte die sechs Länder erneut zum Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption und zur Umsetzung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Die EU hatte den Westbalkanländern bereits im vergangenen Jahr einen „Wachstumspakt“ von sechs Milliarden Euro bis 2027 in Aussicht gestellt. Voraussetzung für die Gelder sind Reformen.
Der Präsident Montenegros, Jakov Milatovic, bekräftigte in Brüssel die Absicht seines Landes, bis 2028 das 28. EU-Mitglied zu werden. Dieses Ziel sei zwar „ehrgeizig, aber erreichbar“, betonte er. Auch Albanien hatte vor dem Gipfel kleinere Fortschritte in den Verhandlungen gemacht.
Allerdings will die EU vor der Aufnahme neuer Staaten innere Reformen vornehmen, um handlungsfähiger zu werden. Dafür fehlt bisher ein verbindlicher Zeitplan. Eine Initiative der Ampel-Koalition für Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik war wegen des Widerstands kleinerer EU-Länder vorerst im Sande verlaufen.
Die Präsidentin des Kosovo, Vjosa Osmani, zeigte sich „absolut enttäuscht“, dass die EU weiter politische und wirtschaftliche Maßnahmen gegen ihr Land aufrecht erhält. Die EU hatte die Finanz-Zusammenarbeit und hochrangige Kontakte zum Kosovo im vergangenen Jahr auf Eis gelegt. Sie reagierte damit auf Spannungen zwischen Serben und ethnischen Albanern nach Kommunalwahlen im Nordkosovo. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verwies auf die nötige Einstimmigkeit der Mitgliedsländer, um die Maßnahmen wieder aufzuheben.
Wegen des Konflikts mit Serbien gilt das Kosovo nur als „potenzieller“ EU-Beitrittskandidat und ist damit Schlusslicht unter den sechs Westbalkanländern. Neben Serbien erkennen auch EU-Länder wie Spanien und Griechenland die 2008 erklärte Unabhängigkeit des Kosovo aus Furcht vor Abspaltungen nicht an. Der Weg Richtung EU ist damit vorerst versperrt, denn er erfordert einen Konsens der 27 Mitgliedstaaten.
Uneinigkeit gibt es zwischen einigen Westbalkanländern und der EU zudem bei der Haltung gegenüber Russland. Insbesondere auf Serbien machen die Europäer bisher erfolglos Druck, die Sanktionen gegen Moskau wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine umzusetzen. Präsident Aleksandar Vucic versicherte Kreml-Chef Wladimir Putin erst Ende Oktober telefonisch, dass er nicht nachgeben werde. Er dankte Putin zugleich für die anhaltenden Erdgas-Lieferungen an Serbien.