In Wahlprogrammen wird viel versprochen, dutzende Seiten Papier. Wer soll das alles lesen? Der stern wirft ein Schlaglicht auf acht Ideen, die wirklich nicht verpuffen sollten. 

Die Zeit drängt. In neun Wochen findet die vorgezogene Bundestagswahl statt, dazwischen ist auch noch Weihnachten. Schnell stellen die Parteien jetzt noch ihre Wahlprogramme vor. Nach dem Motto: Was unterm Weihnachtsbaum liegt, bleibt fürs ganze Jahr.

Von fast allen Parteien liegen inzwischen Entwürfe oder fertige Programme vor. Der stern hat acht Vorschläge ausgewählt, die in Deutschland wirklich was ändern. Die Partei ist Nebensache.

„Pflege-Deckel“ von 1000 Euro im Wahlprogramm

Die SPD will den Eigenanteil für diePflegekosten bei 1000 Euro deckeln. Eine Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) hat ergeben, dass die Eigenbeteiligung von Pflegebedürftigen in Pflegeheimen erneut gestiegen ist: auf monatlich 2871 Euro im ersten Aufenthaltsjahr, nochmal 211 Euro mehr als ein Jahr zuvor. 

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen will die SPD mit ihrem „Pflege-Deckel“ künftig „erheblich“ entlasten. „Dabei werden wir die häusliche Pflege nicht vernachlässigen und sicherstellen, dass niemand schlechter gestellt wird“, versprechen die Sozialdemokraten in ihrem Wahlprogramm

Das Thema ist zentral: Nach den aktuellsten Zahlen von Ende 2021 sind inzwischen knapp fünf Millionen Menschen auf Pflege angewiesen. 20 Jahre zuvor waren es nicht mal zwei Millionen Menschen. Die Kostendeckleung ist das Mindeste.

„Frühstartrente“ und Aktien für jedes Kind

Jedes Kind soll vom Staat ein eigenes Aktiendepot bekommen. Das will die Union nach der Bundestagswahl durchsetzen. „Junge Menschen sollen möglichst früh selbst kapitalgedeckt vorsorgen“, heißt es im Wahlprogramm. Deshalb sollen für jedes Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr pro Monat zehn Euro in ein kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot eingezahlt werden.

Kinderstartkapital Wahlprogramm 18.00

Anders als in anderen Modellen – wie dem Grunderbe –, soll das Geld nicht mit dem 18. Lebensjahr ausgezahlt werden. Stattdessen soll das Depot der Altersvorsorge dienen. Ab dem 18. Lebensjahr kann man dann weiter privat in das Konto investieren. 

Das Ziel: Alle Menschen im Land sollen stärker an den Gewinnen am Aktienmarkt beteiligt werden. Gerade bei breitgestreuten Fonds liegt der durchschnittliche Gewinn über die Jahre verteilt bei mehr als sechs Prozent. Das schafft kein Sparkonto mehr. Endlich mal Mut!

„Deutschland-App“ für digitale Anträge

Kein Termin mehr beim Bürgeramt für den neuen Personalausweis? Kein Gang mehr aufs Rathaus, um die neue Wohnung anzumelden? Das ist die Idee der Grünen mit der sogenannten „Deutschland-App“. „In dieser App kann man künftig mit wenigen Klicks einen Personalausweis beantragen oder die neue Wohnung anmelden“, heißt es im Wahlprogramm. Schrittweise sollen alle staatlichen Verwaltungsleistungen darüber abrufbar sein. 

Außerdem sollen Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen, in Zukunft ihre Daten möglichst nur einmal angeben müssen. „Dann müssen die verschiedenen Ebenen der Verwaltung darauf selbst zurückgreifen.“ Die digitale Verwaltung – ein paar Klicks in einer App, schon ist der Antrag fertig. 

Zu schön, um wahr zu sein? Bislang hinkt Deutschland bei den Online-Diensten hinterher. Dieser Vorschlag würde für viele Menschen den Alltag erleichtern. Ab in die Zukunft!

Bundesweiter Mietendeckel

Der Entwurf des Wahlprogramms der Linke liest sich wie ein bunter Katalog sozialpolitischer Träume. Einer der radikalsten Vorgaben ist ein „bundesweiter Mietendeckel“. Dieser soll die bisherige Mietpreisbremse ersetzen. „Unser Ziel: Die Explosion der Mieten nicht nur bremsen, sondern beenden und rückgängig machen“, schreibt die Partei. 

Als Sofortmaßnahme müssen Mieterhöhungen, dort, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist, für die nächsten sechs Jahre ausgeschlossen werden. „Staffelmieten oder Indexmietverträge sollen verboten werden“, fordert die Linke. Wohnen muss bezahlbar sein. Das steht inzwischen selbst bei der Union im Wahlprogramm. Bisher hat nur wenig geholfen. Warum nichtmal ein radikaler Schritt?

Wirtschaftskrise_Mietentwicklung 6.36

500 Euro „Mobilitätspass“ für junge Menschen

Der Führerschein ist kaum noch bezahlbar, die Bahntickets werden immer teurer. Die SPD will nun zumindest den Start erleichtern: Im 17. Lebensjahr sollen junge Menschen einen „Mobilitätspass“ mit 500 Euro Guthaben bekommen, etwa für Führerscheinkosten, aber auch für Bahntickets.

Das erinnert an den „KulturPass“, den die Ampel-Koalition 2023 zunächst mit einem Guthaben von 200 Euro aufsetzte. Kulturinstitutionen lobten das Angebot, das weit über 330.000 Menschen (Stand: Mai 2024) nutzten. Mit Blick auf die immensen Führerscheinkosten dürften sich viele junge Menschen über den Mobilitätspass freuen: Zwischen 2500 Euro und 4500 Euro kann der Erwerb der Fahrerlaubnis mittlerweile kosten, wie der ADAC vorrechnet. Da hilft jeder Euro.

Arbeitszeitregeln ohne tägliche Stechuhr

An jedem Tag wird maximal acht Stunden gearbeitet, ausnahmsweise mal zehn. Dazu muss jede Pause erfasst werden, der genaue Arbeitsbeginn, das Ende der Arbeitszeit. Größere Arbeitgeber sind per Gesetz dazu verpflichtet, alles digital aufzuzeichnen. Umsetzen müssen das die Arbeitnehmer. Das Arbeitsrecht presst die immer flexiblere Welt so in den Acht-Stunden-Stechuhr-Tag. 

Die Union will jetzt eine maximale Wochenarbeitszeit einführen. „Künftig soll für alle Unternehmen anstelle der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit gelten“, heißt es in dem Wahlprogramm. So würden auch die Berichtspflichten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wegfallen, die Ausreden und Betrügereien der Mitarbeiter, die Zweifel an der Vernunft der Gesetzgeber aufkommen lassen.

Die bisherige Regelung ist absurd: Kein einziger Politiker hält sich doch an den Acht-Stunden-Tag. Politik und Gewerkschaften drücken diese Regeln aber Firmen und Mitarbeitern auf. Das Mehr an Flexibilität kann dem überregulierten Arbeitsmarkt nur gut tun. Raus aus der Vollkasko-Gesellschaft!

Ein Klimageld 2.0 für Arme und Normalverdiener

Die Grünen arbeiten ihre eigene Idee nochmal nach. Schon im Koalitionsvertrag der Regierung aus SPD, Grünen und FDP war vom sogenannten Klimageld die Rede. Umgesetzt aber wurde es nicht, auch, weil es Bedenken gab, ob wirklich jeder die Ausgleichszahlung erhalten sollte.

Die Grünen fordern jetzt: „Alle Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen bekommen zum Ausgleich einen Großteil der Einnahmen der CO2-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport als Klimageld zurück.“ Das sei ein „Sicherheitsversprechen“, schreiben sie dazu. 

Klimageld Reax 10.50

Das Klimageld könnte ein Mittel sein, um sicherzustellen, dass der Klimaschutz nicht zu sozialen Verwerfungen führt. Denn: Es ist politisch gewollt, dass klimaschädliche Energieträger wie Gas und Öl immer teurer werden. Die CO2-Abgabe wird 2025 von derzeit 45 Euro auf 55 Euro pro Tonne steigen. Das trifft zuallererst die Armen und macht Klimaschutz zu einer Frage des Geldbeutels. 

Das Klimageld soll „direkt und ohne vorherige Beantragung auf das Konto eingehen“, fordern die Grünen. Das Klimageld könnte die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen erhalten, oder sie sogar erhöhen. Ein schöner Traum.

Das Deutschland-Abitur

In einem Bundesland gehen Schüler 12 Jahre in die Schule, im nächsten 13 Jahre. Hier kann man Mathematik in der Oberstufe abwählen, dort wird gerechnet bis zum bitteren Ende. Bei den einen gilt schon das Durchkommen im Abitur als Erfolg, bei anderen wird jeder mit einem schlechteren Abitur als 2,0 schief angeguckt. 

Die FDP will deshalb das Deutschland-Abitur entwickeln. So steht es im Entwurf für das Wahlprogramm der Partei. Ein einheitliches Abiturverfahren für alle. Schluss mit dem Bildungswirrwarr, zumindest zum Ende der Schulzeit. Das schafft faire Bedingungen für alle zum Studienstart. 

Sollten bayerische Kinder wirklich anders lernen als niedersächsische? Das wäre mal eine gute Frage fürs Abitur. Richtige Antwort: Nein. Made in Germany – das kann auch beim Abitur gelten.