Ein Video zeigt, wie Olaf Scholz Saskia Esken nach der Vertrauensfrage einfach ignoriert. Ausgerechnet sie. Eine Szene, die viel über den Menschen Olaf Scholz erzählt.
Die vielsagendsten Momente in der Politik passieren oft nicht auf der Bühne, nicht im Scheinwerferlicht. Sie passieren dann, wenn der Druck abfällt, wenn vermeintlich niemand mehr hinguckt.
Einen solchen Moment produzierte jetzt Bundeskanzler Olaf Scholz nach der verlorenen Vertrauensfrage.
Peinliche Szene: Olaf Scholz lässt Saskia Esken links liegen 18:49
Die Sitzung ist gerade beendet. Vor der Regierungsbank im Plenarsaal spricht Scholz noch mit Fraktionschef Rolf Mützenich. Kurzer Handshake, einige Worte. Von der Seite kommt Parteichefin Saskia Esken dazu. Scholz dreht den Kopf in ihre Richtung, schaut rasch wieder weg. Esken stellt sich zu den beiden Männern, nur Zentimeter daneben bleibt sie stehen und Scholz…?
Esken kommt, Olaf Scholz geht einfach weg
Der Kanzler dreht sich einfach weg, klemmt seine Mappe unter den Arm, tritt ab. Esken schaut ihm hinterher. Allein steht sie da. Öffnet beide Handflächen, ratlos. So ist es in Videos zu sehen, so konnten es all jene Journalisten beobachten, die bis zum Schluss der Debatte geblieben sind. Dann geht die SPD-Parteichefin zu ihrem Platz zurück, packt ihre Sachen und rauscht ab.
Hat der Bundeskanzler sie bewusst ignoriert? War das eine Scholz’sche Machtgeste gegenüber der Frau, die womöglich nicht mehr lange Parteichefin bleibt? War es ihm egal? Oder war alles bloß ein Versehen?
Armin Laschet kann ein Lied von solchen Momenten singen
Für die Bewertung von Bildern ist in der Politik nicht alleinentscheidend, wie sie gemeint waren. Entscheidend ist, wie sie wirken. Armin Laschet kann davon ganze Oratorien singen.
Im Bundestagswahlkampf 2021 half ein Video seines Lachens nach der Ahrflutkatastrophe dabei, den schon sicher geglaubten Wahlsieg an Olaf Scholz zu verschenken. Laschet wähnte sich unbeobachtet, abseits der Scheinwerfer – und stand doch mittendrin.
Er nimmt sie, Saskia Esken, offenbar nicht einmal wahr. Oder will es nicht.
Es war für die Bewertung der Szene nicht entscheidend, warum Laschet gelacht hatte. Entscheidend war, dass sein Lachen unpassend wirkte, dass es überzeichnete, was die Menschen ohnehin besorgte: dass Laschet womöglich nicht geeignet sei, das Land zu führen, die Bundesrepublik würdig zu vertreten.
Die Szene bestätigt, was die Menschen zu wissen glauben
Nun hat ein ausgeschlagener Händedruck im Parlament nicht dieselbe Signalwirkung wie ein falsches Lachen bei einer Flut. Trotzdem löst das Video des Kanzlers offenbar etwas aus, wird herumgereicht, gerade unter denen, die ihn näher kennen: Es ist telling, wie man im Englischen sagt. Eine einzige Szene wirft ein grelles Licht auf all das, was man über die menschlichen Qualitäten des SPD-Politikers zu wissen glaubt.
Scheinbar vervollständigt das Video ein Bild, wie bei Laschet. Man erinnert sich, wie Scholz eine Reporterin für ihre Frage öffentlich vorführte. Wie er als Finanzminister auf Bitten seiner Kabinettskollegen mit einem schlichten „Nö“ antwortete, das gern wiederholte, wenn es ihm in den Kram passte. Wie er nahezu jede Selbstkritik nach dem Ampel-Aus vermied wie sonst nur der Teufel geweihtes Wasser.
Liveblog Olaf Scholz stellt Vertrauensfrage
Nerven hat der Kanzler zwar selten gezeigt. Aber doch allzu oft durchschimmern lassen, wer in diesem Land wirklich etwas von Politik versteht (nämlich er) und wer nicht (die meisten anderen). Seine Machtgesten kommen nicht so testosteronhaltig wie bei Markus Söder daher, nicht aufbrausend oder breitbeinig, nicht laut und wortreich.
Scholz straft Menschen mit Missachtung
Scholz ächtet anders. Er straft mit Missachtung, mit Schweigen, mit einem schmalen Lächeln, wen er für nicht satisfaktionsfähig hält. Deshalb wirkt dieses Video so vielsagend. Er nimmt sie, Saskia Esken, offenbar nicht einmal wahr. Oder will es nicht.
Für die SPD-Frau muss die Szene doppelt bitter sein. Olaf Scholz hat es auch ihrer Hilfe zu verdanken, dass er überhaupt noch einmal anstelle von Boris Pistorius Kanzlerkandidat wurde. Wenige standen öffentlich so eng an seiner Seite wie die SPD-Chefin.
Ausgerechnet sie ließ Scholz an diesem Tag allein zurück. Was für ein Abschluss dieser Fortschrittskoalition.