Die hohen Mieten lassen mehr Menschen in Armut leben, als die offizielle Statistik erkennen lässt. Das zeigt eine neue Auswertung und beschreibt, wer davon besonders häufig betroffen sind.

Wegen hoher Wohnkosten sind in Berlin und Brandenburg laut einer Studie mehr Menschen von Armut betroffen als bisher angenommen. Nach Abzug von Miete, Nebenkosten, Kreditzinsen und anderem bleibe vielen Menschen nur noch ein verfügbares Einkommen im Armutsbereich. Zu diesem Ergebnis kommt die Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbands bei einer Auswertung von Daten des Statistischen Bundesamts.

Während die Armutsquote in Berlin nach konventioneller Berechnung 13,7 Prozent betrage, steige diese bei Berücksichtigung der Wohnkosten auf 20,8 Prozent. In Brandenburg sieht es ähnlich aus: Nach konventioneller Berechnung liege die Armutsquote bei 14,8 Prozent. Werden die Wohnkosten berücksichtigt, steige die Quote auf 20,3 Prozent.

Berlin belege bei beiden Werte bundesweit Platz elf. Brandenburg liegt bei der konventionell berechneten Armut auf Platz acht und bei der von Wohnkosten bereinigten Rechnung auf Platz zwölf. Deutschlandweit betragen die beiden Quoten 14,4 und 21,2 Prozent. 

Als arm gelten Menschen, die monatlich weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung haben. Das Medianeinkommen ist das Einkommen, bei dem genau die Hälfte der Bevölkerung ein höheres und die andere Hälfte ein niedrigeres Einkommen hat.

Kritik: Das Ausmaß von Armut wird übersehen

Bei der üblichen Armutsstatistik blieben Millionen Menschen unsichtbar, weil ihre Wohnkosten nicht berücksichtigt würden, kritisiert der Verband. „Wer nur Einkommen betrachtet, nicht aber, dass Menschen immer weniger Geld zur Verfügung haben, weil sie hohe Wohnkosten aufbringen müssen, übersieht das Ausmaß von Armut in Deutschland„, heißt es in der Auswertung. 

Tatsächlich leben in Deutschland demnach 5,4 Millionen mehr Menschen unter der Armutsgrenze als bislang angenommen. Um die Wohnkosten bereinigt gelte mehr als ein Fünftel der Bevölkerung als arm. Der Schwellenwert liegt nach diesen Berechnungen für einen Ein-Personen-Haushalt bei 1.016 Euro frei verfügbares Einkommen im Monat.

Hamburg, Bremen und Sachsen-Anhalt besonders betroffen

Stark betroffen von sogenannter Wohnarmut sind der Auswertung zufolge junge Erwachsene unter 25 – darunter viele Studentinnen und Studenten – sowie Ältere über 65 Jahre. Alleinlebende trifft es eher als Paare, weil sie in der Regel höhere Wohnkosten pro Person haben. Am schlimmsten sei die Situation für alleinstehende Menschen im Rentenalter. 

Auch regional gibt es Unterschiede: In Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg sei „Wohnarmut“ am stärksten verbreitet, am wenigsten stark in Baden-Württemberg und Bayern. Der Unterschied zwischen der konventionellen und der um Wohnkosten bereinigten Armutsquote sei in Hamburg und Schleswig-Holstein besonders hoch. 

Der Paritätische Gesamtverband ruft die künftige Bundesregierung auf, neue und dauerhaft sozial gebundene Wohnungen zu schaffen.