Schere, Stein, Papier – und jede Menge Taktik: Profis im „Schnick-Schnack-Schnuck“ behaupten, es sei mehr als ein Glücksspiel. Können sie ihre Gegner wirklich durchschauen?

„Rollender Stein“ schaut seinem Gegner „Peach B“ tief in die Augen. Dann formt er seine Hand zu einer Faust. Er führt 2:0, Matchball, die nächste Runde kann das Spiel entscheiden. Um die beiden Spieler auf dem Podest herum steht eine Schar Menschen. Es wird laut gerufen, Spielgeldscheine für Wetten landen auf dem Kampfteppich. Die Atmosphäre erinnert an einen Boxkampf. 

„Schnick, Schnack, Schnuck!“, schreien die beiden Männer und werfen ihre Hände in die Mitte. „Peach B“ ballt die Faust, „Rollender Stein“ legt seine flache Handfläche darüber. „Papier schnappt den Stein“, ruft der Ringrichter. Das ist der Sieg! „Jaaaa“ – „Rollender Stein“ reißt die Arme in die Luft.

Mit 3:0 zieht er weiter ins Achtelfinale des „Schere, Stein, Papier“-Turniers. Der Wettbewerb wird unter dem Namen „Schnick Schnack Schluck“ neunmal pro Jahr in Kölner Kneipen ausgetragen, an diesem Abend geht es im Kwatier um den achten Weltcup. Am Ende des Jahres wird der Spieler mit den meisten Punkten zum Weltmeister gekürt. Das Finale findet am 19. Dezember in der Kölner Kultkneipe Stiefel statt. 

„Es ist wie beim Poker“

„Rollender Stein“, der im Alltag Nils Jaspert heißt, sei eine Legende in der Szene, sagen andere Teilnehmende. Seit zehn Jahren sei er dabei, dreimal habe er den Titel bereits gewonnen. Man habe das Gefühl, der Mann könne Gedanken lesen, sagt einer seiner Konkurrenten mit dem Kampfnamen „Dennis 508“. „Er weiß immer genau, was man als Nächstes macht.“ 

Jaspert alias „Rollender Stein“ selbst meint, man müsse die Gegner nur lange genug beobachten – schon beim Aufwärmen. Dann erkenne man, ob sie „Steinmenschen, Scherenmenschen oder Papiermenschen“ seien. Der Erfolg sei kein reiner Zufall, da ist er sich sicher. „Es ist wie beim Poker. Da sagen ja auch viele, das ist nur Glück, aber es kommen immer die gleichen ins Finale. Und es gibt Profis.“

Im Achtelfinale trifft „Rollender Stein“ auf „Candy Andy“. Wieder schreien beide „Schnick, Schnack, Schnuck“ und wieder endet das Match 3:0 für „Rollender Stein“. „Eine sogenannte Rasur!“, ruft der Ringrichter begeistert. Die Strategie des Meisters scheint aufzugehen.

Taktik oder Glück?

Mathematisch gesehen ist „Schnick-Schnack-Schnuck“ ein reines Zufallsspiel. Die Wahrscheinlichkeit, mit Schere, Stein oder Papier zu gewinnen, liegt genau gleich hoch, jeweils bei einem Drittel. Doch viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Weltcups beteuern, dass Können eine ernsthafte Rolle spiele. Wie passt das zusammen?

Timon Krause, hauptberuflicher Mentalist und Zauberkünstler, erklärt, es sei durchaus möglich, beim „Schnick-Schnack-Schnuck“ Gegner zu lesen, indem man ihre Wurftechnik analysiert und abschätzt, welches Symbol sie werfen werden. Diese Informationen könnten manche Spieler „in Echtzeit“ verarbeiten. Allerdings handle es sich dabei weltweit um einige wenige professionelle Mentalisten. „Ich selbst kann das nicht“, gibt Krause zu.

Die Idee, Gegner beim Aufwärmen zu beobachten und anhand ihrer Entscheidungen eine persönliche Statistik auszurechnen, wie „Rollender Stein“ es beschreibt, sei auch durchaus denkbar, sagt Krause. Nicht auszuschließen sei jedoch, dass jemand einfach eine lange Glückssträhne habe, und dann meine, eine Strategie gefunden zu haben.

Zwei Regeln, um im Alltag zu gewinnen

Wer im Alltag bei „Schnick-Schnack-Schnuck“ gewinnen möchte, für den gibt es laut Krause zwei simple Prinzipien zu beachten, um die eigenen Gewinnchancen zu erhöhen. Nummer eins: Menschen blieben nach einem Sieg oft bei ihrer erfolgreichen Strategie. Bei einer Niederlage wechselten sie hingegen häufig zu dem Symbol, mit dem sie in der vorangegangenen Runde gewonnen hätten. Nummer zwei: Statistisch betrachtet werfen viele Menschen in der ersten Runde Schere.

Daraus leitet Krause die Strategie ab, in der ersten Runde Stein zu spielen. Gewinnt man, sollte man in der zweiten Runde Schere wählen, da der Gegner dann wahrscheinlich Papier spielt. In der dritten Runde wäre Papier das beste Symbol, empfiehlt der Mentalist. Diese Taktik funktioniere jedoch nur, solange der Gegner sie nicht ebenfalls kenne. Bei einer Weltmeisterschaft lasse sie sich kaum anwenden, sagt Krause.

Newcomer machen den Titel unter sich aus

Auch „Rollender Stein“ meint, dass sich mit solch simplen Strategien keine Weltcups gewinnen lassen. Im Viertelfinale trifft er nun auf seinen Kontrahenten „Dennis 508“. 

Nach fünf Runden steht es 2:2. Beide schauen sich wieder in die Augen, dann treffen sich ihre Hände in der Mitte. „Dennis 508“ spielt Schere, „Rollender Stein“ Papier. Das war es. Der Favorit ist raus, die Newcomer machen den Titel unter sich aus. Und die Diskussion, ob „Schnick-Schnack-Schnuck“ nun Glück oder Können ist, muss weitergehen.