Der Protest gegen geplante millionenschwere Einschnitte im sozialen Bereich war gewaltig. Jetzt reagiert Schwarz-Grün: Auf eine gute Hälfte der ins Auge gefassten Kürzungen soll verzichtet werden.
Nach Massenprotesten wollen die nordrhein-westfälischen Regierungsfraktionen auf einen Großteil ihrer für 2025 geplanten Kürzungen im sozialen Bereich verzichten. Das kündigten die Fraktionsspitzen von CDU und Grünen in Düsseldorf an. Demnach stehen nun rund 43 Millionen Euro mehr für die soziale Infrastruktur zur Verfügung als ursprünglich im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr geplant.
Im vergangenen Monat hatten rund 32.000 Menschen gegen einkalkulierte Kürzungen in Höhe von 83 Millionen Euro protestiert und damit eine der größten Demonstrationen vor den Düsseldorfer Landtag gebracht. Die Fraktions- und Regierungsvertreter hätten bei der Kundgebung genau zugehört, versicherte CDU-Fraktionschef Thorsten Schick.
SPD: Minus bleibt Minus
Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer nannte die von der Freien Wohlfahrtspflege genannte Zahl von 83 Millionen „nicht ganz stimmig“. Deswegen sei es schwierig, diese Zahl mit den Haushaltsveränderungen 1:1 gegenzurechnen.
Aus Sicht der SPD-Opposition greifen die beschlossenen Änderungen zu kurz. „Minus bleibt Minus“, meinte SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott. Er forderte, „die lange Hängepartie“ zu beenden und alle Sozialkürzungen zurückzunehmen.
Der Haushalt für das kommende Jahr wird vor der Weihnachtspause vom Landtag verabschiedet. Die Landesregierung plant für das kommende Jahr Ausgaben in Höhe von 105,5 Milliarden Euro ein – knapp drei Milliarden mehr als 2024.
In zahlreiche Sozialbereiche soll nun doch mehr Geld fließen
Die jetzt von den beiden Koalitionsfraktionen beschlossene Entlastung sei möglich durch Umschichtungen im Etat, Finanzierungen über den Europäischen Sozialfonds sowie über Präventivmaßnahmen nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten tödlichen Messerangriff in Solingen, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung.
Schon mit der bisherigen Ergänzungsvorlage habe die schwarz-grüne Koalition die Ausgaben im Bereich Migration um 17 Millionen Euro erhöht, erläuterten die Grünen. „Wir fördern damit im Rahmen des Maßnahmenpakets nach dem Terroranschlag von Solingen neue Präventionsprojekte im Integrationsbereich. Das schaffe Kontinuität für die sozialen Träger in diesem Bereich.
Der Fokus der Landesregierung bleibe klar auf den Themen Bildung, Arbeitsplätze, Sicherheit, Unterstützung der Kommunen und die Transformation der Wirtschaft, betonten die Koalitionsfraktionen. „Nordrhein-Westfalen war und ist sozial“, unterstrich Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer.
Allein im frühkindlichen Bereich sollten im kommenden Haushaltsjahr 5,6 Milliarden Euro bereitgestellt werden, sagte Schick. Das sei eine halbe Milliarde mehr als im laufenden Jahr. 42 Milliarden seien nun für die Bildung eingeplant. Jeder vierte Euro fließe in die Schulen, jeder dritte gehe an die Kommunen.
Regierung hat keine Goldsäcke im Keller
Erneut wies der CDU-Fraktionschef den Vorhalt der Opposition zurück, die Ministerien bunkerten ungenutzte Finanzposten in Milliardenhöhe. „Wir stellen uns nicht vor über 30.000 Menschen auf eine Bühne und sagen, dass die Kassen knapp sind, wenn wir – wie die Opposition behauptet – noch Säcke voller Gold im Keller hätten“, versicherte er. „Das ist vollkommener Quatsch!“
Die Koalitionsfraktionen zählten zahlreiche Beispiele auf, wo nun doch nicht oder weniger als geplant gekürzt werden soll. Demnach werden etwa die zunächst ins Auge gefassten Einschnitte bei der Suchtberatung zurückgenommen und erneut zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Unterstützung für Arme, Kranke und Gewaltopfer
Verbesserungen sind unter anderem auch vorgesehen bei der Armutsbekämpfung, der Aidshilfe, der Familienberatung, Frauenhäusern sowie Gewaltschutz für Frauen und Kinder. Auch die einkalkulierte Reduzierung für das Schulobst- und Schulgemüse-Programm wird wieder kassiert – stattdessen wird dort sogar um 100.000 Euro aufgestockt. Die Landesregierung bleibt aber beim Ausstieg aus geförderten Kinderwunschbehandlungen.
Schäffer sprach von einem gemeinsamen Kraftakt, um die Umschichtungen noch zu ermöglichen. Neue Lücken an anderen Stellen der sozialen Infrastruktur würden damit nicht gerissen. Klar sei aber auch, dass angesichts der angespannten Finanzlage nicht jeder genauso viel aus dem Haushalt erhalten könne wie in der Vergangenheit, sagte Schick.