Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichts in Rumänien hat am Freitag eine Neuauszählung der Stimmen der Präsidentschaftswahl begonnen. Im gesamten Land wurden große Säcke mit Stimmzetteln zu Wahllokalen gebracht. Die Neuauszählung hinter verschlossenen Türen könnte bis zu drei Tage dauern. Zeitgleich bereiteten sich die Parteien auf die am Sonntag anstehende Parlamentswahl vor, bei der die extreme Rechte auf große Zustimmung hofft.
In der ersten Wahlrunde der Präsidentschaftswahl war laut dem amtlichen Ergebnis der rechtsradikale und russlandfreundliche Kandidat Calin Georgescu völlig überraschend auf dem ersten Platz gelandet. Der pro-westliche Regierungschef Marcel Ciolacu, der das Amt des Staatsoberhaupts anstrebte und als Favorit galt, landete auf dem dritten Platz.
Am Donnerstag hatte das Oberste Gericht des Landes eine Neuauszählung der Stimmen angeordnet, was sowohl bei den Parteien als auch in der Bevölkerung auf Kritik stieß. Die Mitte-Rechts-Partei USR, deren Vorsitzende Elena Lasconi knapp Zweite wurde und damit in die Stichwahl gegen Georgescu einzog, legte Berufung ein. Die Liberalen sprachen von einem „verwirrenden“ Urteil, das nur Bedenken und Spannungen schüre.
Der parteilose Georgescu hatte vor allem auf Tiktok Wahlkampf gemacht. Das rumänische Präsidialamt erklärte nun, dabei habe er „massiv“ von seiner Reichweite profitiert, die das Netzwerk mit einer „bevorzugten Behandlung“ noch vergrößert habe. Vor der zweiten Wahlrunde am 8. Dezember der Präsidentschaftswahl müssten daher „Sofortmaßnahmen“ gegen Tiktok ergriffen werden.
Nach Angaben des Präsidalamtes hat es zudem „Cyberangriffe“ gegeben, die den ordnungsgemäßen Ablauf des Wahlprozesses „beeinflussen“ sollten. Der rumänische Verteidigungsrat habe zudem „ein wachsendes Interesse“ Russlands festgestellt, erklärte das Präsidalamt. Tiktok wies die Vorwürfe einer Wahlbeeinflussung als „falsch und irreführend“ zurück.
In dieser aufgeheizten Lage sind die Menschen in Rumänien nun am Sonntag erneut an die Urnen gerufen, um über ein neues Parlament zu entscheiden. Während die Politik in dem Land während der vergangenen drei Jahrzehnte hauptsächlich von zwei großen Parteien geprägt wurde, sagen Analysten nun ein weitaus zersplitteteres Parlament und eine schwierige Regierungsbildung voraus.
In den Umfragen liegt die extreme Rechte derzeit mit mehr als 30 Prozent vorn. Bislang hatte sich das 19-Millionen-Einwohner-Land einem Rechtsruck noch widersetzt, Experten zufolge hat die Wut über die steigende Inflation und die Regierung allerdings zugenommen.
Befürchtet wird, dass die Parlamentswahl und die zweite Runde der Präsidentschaftswahl auch zu einem Kurswechsel in der Außenpolitik insbesondere mit Blick auf die Ukraine und Russland führen könnten.
Das EU- und Nato-Land Rumänien hat angesichts des russischen Angriffskriegs gegen eine große strategische Bedeutung: Das Land teilt eine 650 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine, die rumänische Schwarzmeerküste reicht bis 150 Kilometer an die ukrainische Großstadt Odessa heran. 5000 Nato-Soldaten sind in Rumänien stationiert.