Selten war eine Weltklimakonferenz so verfahren. Am Ende lieferten die COP-Teilnehmer zwar ein Ergebnis, doch weniger Geld als erhofft. Viele Länder fühlen sich übergangen.

Zwei Wochen lang hatten über 190 Länder diskutiert, wie sie den Klimawandel weiter bekämpfen wollen. Kurz vor dem offiziellen Ende hatten die Delegierten aber nichts vorzuweisen, außer einer Reihe heftig umstrittener Vorschläge. Dass sich die Unterhändler überhaupt noch einigen würden, daran glaubten manche Beobachter so kurz vor knapp nicht mehr. Ein Scheitern des Klimagipfels galt durchaus als realistisches Szenario.

Doch mehr als 30 Stunden nach dem offiziellen Ende des internationalen Treffens beschlossen die Staaten ein neues Finanzierungsziel. 300 Milliarden Dollar sollen in den zehn Jahren ab 2026 für den Kampf gegen den Klimawandel bereitgestellt werden.

Was lange währt, wurde endlich gut, oder?

Von wegen. Die Entwicklungsländer hatten mindestens 500 Milliarden Dollar gefordert. Und es klafft auch noch eine Finanzierungslücke für die 300 Milliarden. Mit dem Ergebnis der verlängerten Klimakonferenz zeigten sich die wenigsten zufrieden. Viele hatten wohl nur zähneknirschend zugestimmt, um den Gipfel nicht kompromisslos enden zu lassen.

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Viele Entwicklungsländer enttäuscht vom Beschluss der COP

Bereits in den letzten Verhandlungstagen brodelten die Emotionen auf dem Gipfelgelände in Baku. Nach dem Beschluss kochten sie über: Vor allem die vom Klimawandel besonders betroffenen Entwicklungsländer reagierten wütend. Die Vertreterin Nigerias bezeichnete das neue Finanzierungsziel als „Witz“ und „Beleidigung“.

Auch Indiens Vertreterin protestierte: „Wir können das nicht akzeptieren.“ Andere warfen den Industriestaaten vor, sich vor ihrer historischen Verantwortung zu drücken. Etliche Staaten fühlten sich übergangen und beklagten, Wortmeldungen seien ignoriert worden.

Außenministerin Annalena Bearbock versuchte das Plenum zu beschwichtigen: „Wir wissen, dass unsere heutigen Entscheidungen allein nicht ausreichen, um alle Bedürfnisse zu erfüllen.“ Für die EU sei klar: „Niemand hat die historische Verantwortung vergessen.“

Das Geld reicht immer noch nicht

Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze räumte ein, die Ergebnisse von Baku seien „kein Grund zum Feiern“. Dass nun aber auch Länder wie China und Saudi-Arabien den Kampf gegen den Klimawandel mitfinanzieren werden, nannte sie „ein wichtiges Signal“.

FAQ Darum geht’s bei der Klimakonferenz 2024 10:16

China ist mit den USA der weltweit größte Kohlenstoffemittent. Schon vor der Konferenz hatten europäische Länder gefordert, dass sich Peking finanziell am Klimaschaden beteiligt. Die Volksrepublik hatte sich geweigert. Nun soll sich das Land freiwillig beteiligen.

Auch Entwicklungsbanken sollen verpflichtet und private Finanzquellen angezapft werden. Woher das Geld für die Klimafinanzierung genau herkommen und wie die 1,3-Billionen-Lücke bis 2035 geschlossen werden soll, ist dennoch unklar.

Auch Aktivisten und Umweltorganisationen waren enttäuscht von den Ergebnissen. „Das neue Finanzziel wird weder dem Blick in die Vergangenheit noch in die Zukunft gerecht“, kritisierte WWF-Klimachefin Viviane Raddatz. Es stünde in keinem Verhältnis zu dem enormen Bedarf, um die Emissionen zu mindern, sich an den Klimawandel anzupassen und bisherige Schäden zu bezahlen.

Kein Bekenntnis zum Ende der fossilen Ära

Doch nicht nur mit dem Finanzierungsziel waren viele Teilnehmer unzufrieden. So endete die Konferenz, ohne dass die Staaten sich noch einmal zum Ausstieg aus den fossilen Energien bekannten. Unter anderem Kanada, Chile und die Schweiz hatte diese Formulierung blockiert. Und bis zum Schluss konnten sich die Delegierten auch nicht auf Energieziele einigen, die in die neuen nationalen Klimaschutzpläne einfließen sollen.

Kritik gab es deshalb auch an Ländern wie Saudi-Arabien. „Es ist skandalös, dass es der Öl- und Gaslobby mit Hilfe einiger Öl-Staaten in Zusammenarbeit mit dem Gasgeberland gelungen ist, alle notwendigen Beschleunigungen zum Ausstieg von Kohle, Öl und Gas zu blockieren“, erklärte Martin Kaiser von Greenpeace.Künstliche Intelligenz Atomkraftwerke 15.30

Schon während den Verhandlungen hatte auch Außenministerin Baerbock den Öl- und Gasstaaten ein „Machtspiel“ unter dem Schutz der aserbaidschanischen Präsidentschaft vorgeworfen.

Auch positive Stimmen zum Klimagipfel

Jenseits aller Kritik gab es auch positive Stimmen. „Diese Weltklimakonferenz liefert nicht das, was eigentlich notwendig gewesen wäre – aber sie bewegt sich im oberen Bereich dessen, was bei der derzeitigen politischen Großwetterlage möglich ist“, urteilte etwa Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.

Der europäische Klimakommissar verteidigte den Beschluss als ehrgeizig, aber realistisch. Auch UN-Generalsekretär António Guterres lobte den Beschluss, fügte aber hinzu, dass das Geld schnell fließen müsse. Der scheidende US-Präsident Joe Biden sprach von einer „historischen“ Errungenschaft und fügte hinzu, die grüne „Revolution“ sei unumkehrbar.Hat die Klimakonferenz als Format ausgedient? 21.55

Neue kleinere Formate eines Klimagipfels gefordert

Trotzdem bleibt nach diesem Klimagipfel eine Frage: Können die Verhandlungen künftig weiter so stattfinden wie bisher? Einflussreiche Klimaforscher halten das internationale Treffen für überholt. „Wir haben 28 Konferenzen hinter uns und die Emissionen sind explodiert. Die COP ist ein Spektakel, das dem Klima bisher nichts gebracht hat“, sagte Klimaforscher Mojib Latif der „Rheinischen Post“.

Auch der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer sieht in der COP29 keinen Erfolg, „sondern allenfalls die Vermeidung eines diplomatischen Desasters“. Es sei überdeutlich, dass es für den globalen Kampf gegen die Klimakrise kleinere Verhandlungsformate brauche. „Damit es vorangeht, müssen nicht zwangsläufig alle fast 200 Unterzeichnerstaaten der UN-Klimarahmenkonvention an einem Tisch sitzen.“

Sein Kollege vom PIK, Johan Rockström, zeigte sich zudem pessimistisch, dass das gesetzte Finanzziel überhaupt eingehalten werde. „Um die Klimakrise zu bewältigen, müssen wir die gesamte Weltwirtschaft von einem auf fossilen Brennstoffen basierenden Wachstum abbringen“, erklärte er.