Sie rasen, drängeln, blenden auf. Raser gibt es auf allen Autobahnen. Auf der A5 in Südbaden aber schießen sie besonders oft über den Asphalt. Das kann tödlich enden, wie ein Fall aus Lörrach zeigt.

Die A5 ist so etwas wie eine Lieblingsrennstrecke von vielen Freunden PS-starker Sportwagen. Etliche, aber bei weitem nicht alle, stammen aus der Schweiz. Sie nutzen die rund zehn Kilometer ohne Tempolimit zwischen Weil am Rhein und Efringen-Kirchen, um aufs Gas zu treten und ihre Edelkarosse auszufahren. Die Dunkelziffer ist hoch und meistens passiert auch nichts. Aber eine Tempofahrt ohne Limit kann auch fatale Folgen haben: Vor dem Amtsgericht in Lörrach ist nun ein 31 Jahre alter Deutscher wegen eines tödlichen Auffahrunfalls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. 

Unter Tränen hatte er zuvor gestanden, im August 2023 von Basel aus betrunken und viel zu schnell mit seinem Porsche unterwegs gewesen zu sein. Mit mindestens 240 Kilometern pro Stunde crashte der Geschäftsmann wenige Kilometer hinter der Schweizer Grenze ungebremst auf einen überholenden kleinen Wagen auf der linken Spur. In den Trümmern des deutlich kleineren Ford Fiesta starb ein 59 Jahre alter Mann, der Raser und sein Beifahrer wurden verletzt. 

Die Amtsrichterin beschrieb die Tempofahrt des 31-Jährigen als „Handlung, deren Sinn man nur infrage stellen kann“. Voraussetzungen für ein sogenanntes Alleinrennen, das mit höheren Freiheitsstrafen belegt wird, sah sie aber nicht. 

Mit dem Urteil folgte die Kammer dem Antrag der Verteidigung. Sie wertete unter anderem das Geständnis und die gezeigte Reue sowie die akzeptierte Entschuldigung durch die Angehörigen zugunsten des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre und zehn Monate Haft für den Mann beantragt und behält sich vor, gegen die noch nicht rechtskräftige Entscheidung Rechtsmittel einzulegen. 

„Ich trage die Schuld daran“

Auf der Anklagebank des Lörracher Amtsgerichts sitzt zuvor der Unfallfahrer zusammengesunken, immer wieder hält er sein Gesicht vor die aufgestützten Hände. „Ich trage die Schuld daran, dass es zu dem Unfall gekommen ist“, sagt er und schaut zu den Angehörigen in den Zuschauerreihen. „Das war ein großer Fehler, den ich mir nie verzeihen kann.“ Bier habe er zuvor getrunken, Cocktails auch, als er entschied, seinem Kumpel den Porsche zu zeigen. 

Kurz hinter dem Ende der Tempolimit-Zone gibt er Gas, schießt über die A5 und nutzt nach Zeugenaussage auch die Lichthupe, um andere Autos zu warnen. „Ich räume ausdrücklich ein, dass ich schnell fahren wollte und auch schnell gefahren bin. Das war ein unverzeihlicher Fehler“, sagte er. Den Ford Fiesta habe er nicht gesehen, als dieser mit Tempo 120 einen kleinen Transporter überholte. Zeugen sprechen später von einem Trümmerfeld, die Autos schleudern nach dem Aufprall noch mehr als 200 Metern wie Feuerbälle über die Autobahn auf ein angrenzendes Feld, wie ein Brückenvideo zeigt.

Immer mal wieder Raser aus der Schweiz im Visier 

Rasend schnelle Autos aus der Schweiz und aus anderen Ländern fallen den Beamten des Polizeipräsidiums Freiburg vor allem auf den Autobahnen A5 und A98 immer wieder mal auf, auch die A81 von Singen nach Stuttgart ist eine beliebte Rennstrecke. Grundsätzlich können Tempolimits zwar die Zahl der Unfälle und deren Folgen reduzieren, so die Beamten. Massive Unfälle wie der Crash des 31-Jährigen könne man aber nie gänzlich verhindern.

Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, Wolfgang Fastenmeier, sieht Tempolimits nicht als Lösung im Kampf gegen Raser auf deutschen Straßen. Der Sinn schärferer Strafen werde ebenfalls überschätzt, weil diese das Verhalten und die Einstellung des Rasers nicht änderten, sondern nur unterdrückten. Ein Entzug des Autos? „Nur ein Nadelstich“, sagt Fastenmeier. Nach seiner Einschätzung leben die meisten Raser „in einer Art Parallelwelt“. „Sie wollen sich einfach ausleben und ihre Überlegenheit gegenüber den anderen demonstrieren.“ 

„Sensation Seeker“ suchen die Herausforderung 

Den seit vielen Jahren in Basel wohnenden Unternehmer sieht Fastenmeier nicht als typischen Fall. Ein solcher stamme aus seiner Sicht normalerweise aus eher schwierigen sozialen Verhältnissen, er habe sich oft von gesellschaftlichen Konventionen und Normen verabschiedet und wolle mit seinem nicht selten auch geleasten Auto etwas darstellen, „das er sonst nicht ist“. Wohlhabende Temposünder wie der Angeklagte in Lörrach seien eher „Sensation Seeker“, sie suchten also die Herausforderung oder das Risiko, den Thrill. In diesen Fällen werde eventuell auch versucht, sich mit einem teuren Auto soziales Prestige zu erkaufen oder zu präsentieren. 

Die Antwort des Münchners auf die Frage nach einer möglichen Lösung der alltäglichen Raserei klingt wenig hoffnungsvoll: „Ich fürchte, man muss auch dieses Phänomen akzeptieren, weil es Ausdruck einer gewissen moralischen Verrohung in der Gesellschaft ist.“