Eine Reform der Erbschaftsteuer streben neben Grünen und CDU/CSU auch die anderen Parteien an. Bei der Frage, wer wie entlastet werden soll, gehen die Positionen auseinander.

Während die Parteien noch an ihren Wahlprogrammen feilen, hat der Kampf um die Wählergunst längst begonnen. Aufschlag machten die Grünen Mitte November mit ihrem Parteitag in Wiesbaden. Als die Partei ihre Positionen zur Steuerpolitik debattierte, fand ein Vorschlag bei den Delegierten besonders Anklang: ein neues Modell für die Erbschaftsteuer. Auch die anderen Parteien treibt das Thema um. Union, SPD, FDP und AfD sind sich einig, dass die Erbschaft- und Schenkungssteuer reformbedürftig ist. Doch beim „Wie“ hat jede Partei ihre eigenen Vorstellungen. 

Grüne: ein Freibetrag fürs ganze Leben

Der Reformvorschlag der Grünen würde das Erbschaftsteuerrecht deutlich vereinfachen: Das Modell sieht einen „Lebensfreibetrag“ in Höhe von beispielsweise einer Million Euro pro Person vor. Wenn ein Mensch mehrmals im Leben erbt, verringern die Erbschaften diesen Freibetrag nach und nach, bis er aufgezehrt ist. Für geerbtes Vermögen, das den Freibetrag überschreitet, soll dann ein linearer Steuersatz von etwa 25 Prozent gelten. Und zwar für alle Vermögensgegenstände gleichermaßen, inklusive Immobilien, Betriebsvermögen und Aktien. Einzige Ausnahme: Das selbstgenutzte Eigenheim soll geschützt bleiben.

„Die vielen, teilweise zur kompletten Steuerbefreiung führenden Verschonungsregelungen und Ausnahmen sollen entfallen“, heißt es im Antrag. Insbesondere soll Betriebsvermögen, das bisher von der Erbschaftsteuer weitestgehend verschont bleibt, stärker besteuert werden. Um gleichzeitig Unternehmen und Arbeitsplätze nicht durch Liquiditätsengpässe zu gefährden, sollen Unternehmenserben anfallende Steuern längerfristig stunden und über mehrere Jahre in Raten abbezahlen können.

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CDU/CSU: keine Erbschaftsteuer auf Eigenheim

Vor anderthalb Jahren quittierte auch die CDU der Erbschaftsteuer massiven Reformbedarf: Die hauseigene Fachkommission „Wohlstand“ befand das System in einem Arbeitspapier für „zu kompliziert, bürokratisch und anfällig für missbräuchliche Steuergestaltung“. Der Vorschlag: Ein einheitlicher niedriger Erbschaftsteuersatz von zehn Prozent sollte nach persönlichen Freibeträgen für das gesamte zu übertragende Vermögen greifen, Firmen sollten Steuern auf Betriebsvermögen stunden können. Ins Grundsatzprogramm schafften es die Überlegungen Anfang 2024 dann aber doch nicht.

Nun strebt die Union vielmehr eine Teil-Reform an: Sollte man die Bundestagswahl gewinnen, wolle die Union nach Angaben von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Erbschaftsteuer für Eigenheime senken. „Die Erbschaftsteuern für Eigenheime sind zu hoch. Die Menschen haben Angst davor, dass Immobilien nicht vererbt werden können, weil ihnen der Staat zu tief in die Tasche greift“, sagte Dobrindt dazu der „Bild“-Zeitung. Diese Angst sei berechtigt. Deshalb möchte die CDU/CSU es ermöglichen, Eigenheime auch dann steuerfrei an die nächste Generation zu übertragen, wenn die Erben es nicht selbst nutzen, sondern vermieten. Erben, die eine Familienimmobilie verkaufen, hätten dann zwar einen Nachteil. Doch der könne nach Vorstellung der Union durch höhere Freibeträge abgemildert werden. Die Partei plane mit deren Anhebung um zwei Drittel.

Freibeträge bei der Erbschaftsteuer

Schon nach derzeit geltendem Recht bleibt ein Familienheim steuerfrei, wenn der erbende Ehegatte oder das erbende Kind die Immobilie anschließend zehn Jahre lang selbst bewohnt. Darüber hinaus gelten folgende Freibeträge: Ehepartner können 500.000 Euro steuerfrei erben, Kinder profitieren von einem Freibetrag von je 400.000 Euro. Erst wenn das geerbte Vermögen den jeweiligen Freibetrag überschreitet, greift derzeit ein Steuersatz zwischen sieben und 30 Prozent – wobei der Spitzensteuersatz erst ab einem Erbe von mindestens 26 Mio. Euro gilt. Für vererbte Unternehmen gelten gesonderte Regeln. In den meisten Fällen bleiben aber mindestens 85 Prozent des Betriebsvermögens steuerfrei.

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Höhere Erbschaftsteuer durch Preissteigerungen?

Die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer waren auch für die FDP zuletzt Spielmasse: Die Partei verlangte Ende 2022 eine Erhöhung der Freibeträge um 25 Prozent. Anschließend sollten sie automatisch an die Preissteigerungsrate angepasst werden. Anlass für den Vorstoß gaben die im letzten Jahrzehnt kräftig gestiegenen Immobilienpreise. Da die Freibeträge im gleichen Zeitraum konstant geblieben sind, wurde befürchtet, dass die Entwicklung zu einer höheren Erbschaftssteuerbelastung für die Bürgerinnen und Bürger führt. Die Ampel-Partner SPD und Grüne waren bereit, eine entsprechende Länder-Initiative zu unterstützen – die Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer stehen vollständig den Bundesländern zu. Doch bis zum Koalitionsbruch wurde aus dem Vorhaben nichts.

SPD-Pläne zum Erbe wenig konkret

Weit weniger konkret bleibt bisher die SPD. Die Partei hatte bei ihrer Klausurtagung Mitte Oktober ein Strategiepapier zur Bekämpfung der Wirtschaftsflaute beschlossen und darin festgelegt, nicht nur das Einkommen sehr reicher Menschen stärker besteuern zu wollen, sondern auch deren Vermögen. Teil der Strategie könnte neben einer neuen Vermögenssteuer auch „eine gerechte Erbschaftsteuer“ sein, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Achim Post dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte.

AfD will Erbschaft- und Schenkungsteuer ganz abschaffen

Die AfD, die bei der Landtagswahl in Thüringen Anfang September stärkste Kraft wurde, geht radikaler an das Thema heran. Die in Teilen rechtsextreme Partei will den Kahlschlag und fordert, die Erbschaft- und Schenkungsteuer gleich komplett abzuschaffen. Einen entsprechenden Antrag hatte die Fraktion bereits im Jahr 2023 in den Bundestag eingebracht, der aber keine Mehrheit fand.

Trotz des Ideenreichtums der Parteien: Wie das Erbschaftsteuerrecht neu geregelt wird, wird sich frühestens nach der Bundestagswahl durch eine neue Regierung entscheiden. Dabei könnte auch das Bundesverfassungsgericht die Richtung weisen. Aktuell liegen den Karlsruher Verfassungshütern zwei Verfahren zur Erbschaftsteuer vor:  Zum einen überprüft das Gericht die umfangreichen Steuerprivilegien, die Unternehmenserben genießen (BVerfG, Az. 1 BvR 804/22), zum anderen ist seit 2023 ein Normenkontrollverfahren anhängig, mit deren Hilfe das Bundesland Bayern den Bund dazu verpflichten lassen will, die Freibeträge zu erhöhen (Az. 1 BvF 1/23).