Die SPD liefert gerade ein würdeloses Spektakel um die Frage ab, mit welchem Kanzlerkandidaten sie in die Bundestagswahl geht. Dabei ist jetzt Führung notwendig.

Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Auf keine Partei trifft dieser Spruch derzeit mehr zu als auf die SPD. Seit Tagen verheddert sie sich in einem würdelosen Gezerre in der Frage, wer sie denn nun in die vorgezogene Bundestagswahl führen soll.

Da werden Erklärungen herausgegeben, die maximal verschwurbelt formuliert sind, die man aber dennoch als Absetzbewegungen von Olaf Scholz verstehen darf. Und die veröffentlicht werden, während der Kanzler im Ausland weilt und damit besonders angreifbar ist. 

Die Gegenseite streut derweil, dass Boris Pistorius ja eigentlich „nur“ Verteidigung und ein bisschen Innenpolitik könne, zu wenig für einen Kanzlerkandidaten. Oder dass man mit ihm einen „Martin-Schulz-Effekt“ fürchten müsse. Als Umfrage-Tiger gestartet, als Wahl-Verlierer geendet.

Und die Parteiführung? Stellt sich mit Lippenbekenntnissen hinter den amtierenden Kanzler, ohne sich mit einem Vorstandsbeschluss festzulegen. Oder schweigt einfach. 

Die Führung der SPD ist unentschlossen

Was die Basis will, ist relativ klar: Hier bekommen viele von Nachbarn, Kollegen, Freunden die Rückmeldung, dass Olaf Scholz die in seine Regierung gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat und man ihn nicht noch einmal als Bundeskanzlerkandidaten wünscht. Anders sieht es mit Boris Pistorius aus, der es geschafft hat, sich aus dem Ampelstreit herauszuhalten und seit seinem Amtsantritt ungebrochen der Liebling der Umfragen ist.STERN PAID 47_24 Olaf Scholz 12.02

Weniger eindeutig ist das Bild bei der Spitze. Neben schwammigen Bekenntnissen zu Scholz, wie dem von Generalsekretär Matthias Miersch, lässt sich bei vielen ein Zögern beobachten. Man hält den Finger in den Wind, um zu prüfen, woher dieser am stärksten bläst. Oder man ist zerrissen wie Fraktionschef Rolf Mützenich, eigentlich ein Scholz-Getreuer und kein Pistorius-Fan, aber gleichzeitig seiner Verantwortung für eine Fraktion bewusst, die laut Umfragen mit einem Kandidaten Scholz mehr als 100 Mandate verlieren könnte.

Führung sieht man dagegen momentan nicht. Bei Olaf Scholz nicht, dessen Stärke auch immer darin lag, dass er sich als Dompteur des Ampel-Zirkusses gab und der dabei am Ende grandios gescheitert ist. Und bei der SPD-Spitze nicht, die es nicht geschafft hat, sich schnell und klar für einen Kandidaten zu entscheiden und auf diese Entscheidung dann alle einzuschwören.

So lässt sie Raum für diese oder jene Meinung aus den eigenen Reihen und für das Bild einer Partei, die sich gerade selbst zerlegt, anstatt potenzielle Wähler und Wählerinnen von sich zu überzeugen.

Die SPD steckt in der CDU-Klemme

Das erinnert an das Spektakel, welches die Union vor der letzten Bundestagswahl 2021 ablieferte. Auch damals blieb die K-Frage lange ungeklärt, was dazu führte, dass Markus Söder seine Chance ergriff, um den „natürlichen“ Kandidaten, CDU-Parteichef Armin Laschet, anzugreifen.FS Neues Kabinett Scholz 16.10

Nach wochenlangem Gezerre entschied sich die Parteiführung damals in einer Hauruck-Aktion gegen die Stimmung an der Basis. Der Rest ist Geschichte: Der angeschlagene Laschet patzte, die Union verpasste den sicher geglaubten Einzug ins Kanzleramt.

Ohne Vasallentreue und falsche Loyalität

Wenn die SPD noch den Hauch einer Chance haben will, dann muss sich ihre Führung jetzt ehrlich fragen, mit wem sie unter Berücksichtigung aller Faktoren die besten Aussichten hat, den Abstand zur Union zumindest zu verringern. Vasallentreue und falsch verstandene Loyalität sollten diese Analyse nicht trüben. Und dann sollte die SPD schnell entscheiden und sich hinter dem Kandidaten versammeln. 

Der Moment dafür scheint schon fast verpasst. Kommt er jetzt nicht zügig, wird sich die SPD bei der Bundestagswahl selbst in den Abgrund reißen.