Die Sanierung des Stuttgarter Opernhauses wird wohl länger dauern und teurer werden. Kretschmann vergleicht die Ausgaben mit Investitionen im Sport und in der Wirtschaft – und mit Kartoffeln.
Die Generalsanierung der Oper, ihre jahrelange Verzögerung und die unsicheren Kosten für das milliardenschwere Projekt, all das spaltet die Gemüter. Während die politische Opposition und der Steuerzahlerbund schäumen und Alternativen fordern, verteidigen Stadt und Land als Verantwortliche die unsichere Planung und die undurchsichtige Preisschraube. Bei derartig umfassenden Bauprojekten könne zu Beginn noch kein Preisschild angehängt werden, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Außerdem seien Kostensteigerungen beim Bau ein allgemeines Problem.
Zum einen seien die Milliarden-Ausgaben für den maroden sogenannten Littmann-Bau – also das Bühnenhaus für Oper und Ballett – nicht mit Investitionen für Kitas und Schulen zu vergleichen, sagte der Grünen-Politiker. „Schulen haben wir Tausende, Staatstheater haben wir zwei.“ Zudem ständen die Stuttgarter Staatstheater für Exzellenz in der Kunst. Und die sei bedeutend für das Land als harter Standortfaktor. „Wenn wir Spitzenkräfte hier haben wollen, dann wollen die gute Kultur geboten bekommen.“
Kultur muss auf Exzellenz setzen
So wie ein Industriestandort auf Exzellenz setze und die Automobilbranche auf Premiummarken und die ganze Bandbreite von Modellen, so müsse auch die Kultur auf dieser Exzellenz aufbauen und Angebote von der Naturbühne bis zum Staatstheater pflegen, sagte Kretschmann. „Wir brauchen diese Lotsen und Orientierungsmarken“, fügte er hinzu. „Exzellenz in der Spitze führt zu Qualität in der Breite. Das ist beim Spitzensport so, das ist in der Technologie so und in der Wirtschaft, und das ist auch bei der Kultur so. Grombiera statt Kunst gibt es mit mir nicht.“ Als „Grombiera“ werden in einigen schwäbischen Regionen die Kartoffeln bezeichnet.
Die für den Bau der Ausweichstätte verantwortliche Projektgesellschaft hatte dem Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater (WST) am Montagabend die überarbeiteten Planungen für die Stuttgarter Ausweichspielstätte an den sogenannten Wagenhallen vorgestellt. Da deren Bau später beginnen wird, muss der sanierungsbedürftige Littmann-Bau mindestens bis 2033 und damit vier Jahre länger bespielt werden als bisher gedacht. Daran anschließend soll das Gebäude aus dem Jahr 1911 zehn Jahre lang generalsaniert werden. Kritiker warnen vor einem „Fass ohne Boden“ und fordern Alternativen zur bisherigen Planung.
Kretschmann wünscht sich bessere Zusammenarbeit mit Stadt
Kretschmann betonte allerdings, das Land sei bislang in seinem Zeitplan geblieben. Der Bau der Interimsbühne an den sogenannten Wagenhallen sei Aufgabe der Stadt. „Wir müssen da zusammenarbeiten, die Stadt Stuttgart und das Land“, sagte der Ministerpräsident und ließ kritisch erkennen: „Ich würde mir da eine engere Kooperation wünschen nicht nur im Verwaltungsrat.“
Auch mit dem Mega-Bahn-Projekt Stuttgart 21 sei die Sanierung nicht zu vergleichen, hatte zuvor die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Petra Olschowski gesagt. „Die Größenordnung ist völlig anders“, sagte die Grünen-Politikerin nach der Sitzung des Verwaltungsrats. Außerdem werde die vierjährige Verzögerung beim Bau der Ausweichstätte für Oper und Ballett bereits mitgeteilt, bevor die ersten größeren Arbeiten für das Interimsgebäude begännen. „Und wir werden, bevor überhaupt irgendetwas gebaut wird und politische Entscheidungen fällig werden, nämlich im Herbst 2025 oder 2026, sagen, was es kosten wird“, sagte Olschowski.
Verzögerung könnte Folgen für die Spielzeiten von Oper und Ballett haben
Nicht ausgeschlossen ist inzwischen, dass die Verzögerung im Bau Folgen für den Spielplan von Oper und Ballett haben wird. Dringende und zeitintensive Baumaßnahmen müssten nun anders als geplant noch vor der Generalsanierung durchgeführt werden, sagte der geschäftsführende WST-Intendant, Marc-Oliver Hendriks. Das könne auch bedeuten, dass ab 2027 für Bauarbeiten im Sommer die Ferien in der Oper verlängert werden müssten.
Es seien nun Arbeiten absehbar, die nicht mehr aufgeschoben werden könnten, sagte Hendriks. Dazu zählte er hydraulische Anlagen für die Bühnenpodien und den Brandschutz, die Sicherung des Daches und die Statik von Zwischendecken. Viele der nun anzugehenden Investitionen bis zum Umzug in den Interimsbau seien wegen der umfassenden Sanierung allerdings auf lange Sicht verloren. Aber das Haus sei schlicht „am Ende seines Lebenszyklus angekommen“, die Bühnentechnik sei abgängig.