Kioske waren einst anmutige Orte in den Gärten Persiens. Bei uns gerieten sie nach dem Zweiten Weltkrieg nicht selten zu Treffs für Alkoholiker. Eine Doku erzählt die spannende Geschichte der Büdchen.
„Gehs‘se ma anne Bude?“ – diese freundliche Aufforderung kann man sinngemäß nicht nur im Ruhrgebiet immer mal wieder vernehmen. Denn Büdchen, Trinkhallen oder auch Kioske, wie die meist schlicht gebauten Verkaufsstellen je nach Region heißen, gibt es in allen größeren Städten Deutschlands. Dort werden dort nicht nur Bier und Wurst, Zeitungen und Süßigkeiten verkauft. Für ihre Stamm-Kunden nämlich – Anwohner oder auch Touristen – bilden diese Orte Treffpunkte, die im teils unwirtlichen städtischen Umfeld den schmerzlich vermissten Austausch und die gesellschaftliche Integration fördern.
Seit dem Jahr 2020 auch ein Kulturerbe
Denn hier treten auch Menschen, die einander kaum vom Sehen kennen, in Kontakt. Und gerade darum sind Büdchen heute wohl wichtiger denn je. Der Geschichte dieser Stätten, die sich seit dem 19. Jahrhundert in unserem Land verbreitet haben, gehen die Filmemacher Jeannine Apsel („Die Tierärzte – Retter mit Herz“) und Ingo Stabler („Seelöwe & Co“) in ihrer gut halbstündigen Doku „Kiosk-Kult: Am Dorfplatz der Großstadt“ nach. Zu sehen ist der Film am kommenden Sonnabend (16. November) um 19.20 Uhr auf 3Sat.
In Gesprächen mit Betreibern und Kunden, Wissenschaftlern und nicht zuletzt dem Moderator und Komiker Guido Cantz (53, „Glücksrad“) entfalten sich Aspekte einer Einrichtung, die in Nordrhein-Westfalen seit 2020 zum immateriellen Unesco-Weltkulturerbe gehört.
Noch im 13. Jahrhundert war ein Kiosk (persisch „Kösk“) allerdings etwas anderes: ein anmutiger Pavillon in einem kunstvollen islamisch geprägten Gärten. Um 1850 stellte man ihn dann Arbeitern der aufstrebenden Bergbauregion an der Ruhr als Trinkhalle vor die Werkstore – mit gesunden Mineralwässern aus der Eifel. Um so eine Alternative zum Bier und Schnaps zu bieten, die sie sonst tranken. Fünfzig Jahre später gehörten vom Architekten Martin Gropius entworfene verschnörkelte Verkaufshäuschen für ein bürgerliches Publikum bereits zum regulären Bild der Städte. Nach dem Zweiten Weltkrieg hielt jedoch der Alkohol Einzug in den Büdchen – und einige entwickelten sich zu Treffs der Trinker-Szene.
Vom Verschwinden bedroht
Heute liegt ihr Charme im Echten. Alt und Jung, Fußballfans und Großmütter lieben ihre Kioske – die gleichwohl langsam zu verschwinden drohen. Noch inspirieren sie Kreative zu Bildbänden, Comic-Strips und YouTube-Kanälen. Im Hamburger Stadtteil Harburg entstand sogar ein Kunst-Kiosk mit Bildern und Skulpturen. „Das hier ist nichts Digitales und man kann auch keinen blockieren“, resümiert der Kölner Cantz das Phänomen Büdchen, „sondern das hier ist das normale Leben.“ Und er schiebt hinterher: „Das finde ich ganz schön.“
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