Der Karneval nimmt seit jeher die Politik aufs Korn – nach 1945 hätte er fast selbst Politik gemacht. Zumindest sorgte er für eine inoffizielle Hymne, als Deutschland keine hatte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt Deutschland noch in Trümmern, als Karl Berbuer, gelernter Bäcker und Komponist, in einem Restaurant in der Nähe des Kölner Doms sitzt. Dort in der Runde soll jemand über „Bizonesien“ sprechen. Laut Legende kommt Berbuer die Idee für seinen wohl bedeutsamsten Song. Er trägt den Titel „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ und wird im Jahr 1948 veröffentlicht. 

Die Bizone und „Bizonesien“

Dem Lied wird nachgesagt, das damalige Lebensgefühl der Deutschen ausgedrückt zu haben. Tatsächlich greift es diese politische Realität augenzwinkernd auf: Schon 1947 schlossen sich Briten und Amerikaner zur sogenannten „Bizone“ zusammen – auf diesen Sachverhalt spielte wohl der Scherz über „Bizonesien“ an. Der Song von Berbuer nimmt vorweg, was im April 1949 offiziell wird. Frankreich schließt sich mit seiner Besatzungszone der „Bizone“ an  – die „Trizone“, in Berbuerers Worten „Trizonesien“, ist geboren. 

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Vom Karneval zur inoffiziellen Nationalhymne

Das Lied wird in der Karnevalssaison 1948 auf 1949 ein Hit. Irgendwann schafft es die eingängige Melodie sogar aus Karnevalshochburgen heraus: Es wird als Ersatz für die Nationalhymne bei Sportveranstaltungen gespielt – denn damals hat Deutschland keine. Die dritte Strophe des „Deutschlandliedes“, die heute die offizielle Nationalhymne ist, wurde erst im Jahr 1952 eingesetzt. 

An einen Moment, zu dem sich an der Ersatzhymne „Trizonesien“ auf einer Sportveranstaltung bedient wurde, erinnerte sich sogar der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, im Jahr 1950. Auf einer Pressekonferenz in jenem Jahr sagte er: 

„Da war im Kölner Stadion ein Radrennen. Es war manches belgische Militär in Uniform da vertreten, und schließlich wurden Nationalhymnen angestimmt, und die Musikkapelle, die offenbar einen sehr tüchtigen und geistesgegenwärtigen Kapellmeister gehabt hat, die hat ohne besonderen Auftrag, als die Deutsche Nationalhymne angestimmt werden sollte, das schöne Karnevalslied angestimmt, ‚Ich bin ein Einwohner von Trizonesien.'“ Und weiter erzählte Adenauer: „Da sind zahlreiche belgische Soldaten aufgestanden und haben salutiert, weil sie glaubten, das wäre die Nationalhymne.“

Kritik kommt nicht nur von den Alliierten 

Doch Berbuers Lied kam bei den Alliierten nicht nur gut an, denn es machte sich auch über eine Bevormundung durch die Besatzer lustig. So singt Berbuer zum Beispiel in der ersten Strophe:

„Ein kleines Häuflein Diplomaten
macht heut die große Politik,
sie schaffen Zonen, ändern Staaten.
Und was ist hier mit uns im Augenblick“

Als Reaktion auf den Song schrieb die britische „Times“: „Die Deutschen werden wieder frech.“ 

Die Kritik hält sich bis heute. So kritisiert beispielsweise der Politikwissenschaftler Clemens Heni das Lied als verharmlosend und legt dabei das Augenmerk auf die Refrain-Zeile „Wir sind zwar keine Menschenfresser, doch wir küssen um so besser.“ Diese verharmlose die Taten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Das Lied, so Heni, sei antisemitisch. 

Quellen: Bundeszentrale für politische Bildung, Bundestag, Clemens Heni, Kölner Karneval WDR, „Wolfszeit“ von Harald Jähner