Denkwürdiger Moment im Weißen Haus: Eine Woche nach der US-Präsidentschaftswahl hat der scheidende Amtsinhaber Joe Biden den Wahlsieger Donald Trump am Mittwoch in seinem Amtssitz in Washington empfangen. Biden begrüßte seinen langjährigen Rivalen per Handschlag, während Trump für die Zusicherung einer geordneten Amtsübergabe dankte. Das Treffen stand in scharfem Kontrast zum Geschehen vor vier Jahren: Damals hatte Trump nach seiner Wahlniederlage einen ordnungsgemäßen Übergang verweigert und mit unbelegten Wahlbetrugsvorwürfen Chaos gestiftet. 

„Willkommen zurück“, sagte der 81-jährige Biden, als er den drei Jahre jüngeren Rechtspopulisten im Oval Office vor einem lodernden Kaminfeuer empfing. In den vergangenen Monaten hatte Biden immer wieder vor Trump als Gefahr für die US-Demokratie gewarnt, mitten im Rennen hatte er seine Kandidatur aus Altersgründen zurückgezogen. 

Nach der Niederlage von Vizepräsidentin Kamala Harris gegen Trump bei der Präsidentschaftswahl sicherte Biden eine geordnete und friedliche Übergabe der Amtsgeschäfte zu. Beim Handschlag im Oval Office schien Biden nach unten zu blicken, während sich Trump vorbeugte und Biden anschaute. 

Trump sagte bei der Begegnung mit Biden, der Übergang werde „so reibungslos wie möglich“ verlaufen. „Politik ist hart, und in vielen Fällen ist es keine sehr schöne Welt“, sagte der Republikaner, der gegen Harris einen äußerst aggressiven Wahlkampf geführt hatte. „Heute ist es eine schöne Welt, und ich weiß das sehr zu schätzen.“

Im November 2020 hatte Trump nach seiner Wahlniederlage gegen Biden mit allen Traditionen gebrochen, Biden nicht empfangen und auch nicht an dessen Vereidigung teilgenommen. Stattdessen verbreitete er damals die Falschbehauptung vom Wahlbetrug, an der er bis heute festhält. Trump stiftete damit Chaos, das am 6. Januar 2021 in der Erstürmung des Kapitols durch seine fanatischen Anhänger mündete.

Anders als üblich war die künftige First Lady Melania Trump beim Empfang am Mittwoch nicht dabei. Sie war auch im Wahlkampf ihres Mannes nur wenig in Erscheinung getreten und lebte während dessen erster Amtszeit (2017-2021) nicht im Weißen Haus, sondern meistens in New York. Die scheidende First Lady Jill Biden begrüßte Trump und übergab ihm ein Glückwunschschreiben für seine Frau, wie das Weiße Haus mitteilte.

Beim Gespräch zwischen dem Amtsinhaber und seinem Nachfolger ging es unter anderem um den Ukraine-Krieg. Unter der Biden-Regierung sind die USA der wichtigste Unterstützer Kiews im Verteidigungskrieg gegen Russland. Trump hat sich gegen eine Fortsetzung der Milliardenhilfen ausgesprochen und erklärt, den Ukraine-Krieg schnell beenden zu wollen.

Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte, Biden habe bei dem Gespräch deutlich gemacht, dass die Unterstützung der Ukraine im nationalen Interesse der USA sei. Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre sagte, die Begegnung zwischen den beiden Politikern sei „in der Tat sehr herzlich, sehr freundlich und inhaltsreich“ verlaufen. Trump habe „eine Reihe von detaillierten Fragen“ gestellt.

Trump wird sich bei Amtsantritt auf die Mehrheit seiner Republikanischen Partei in beiden Kongresskammern stützen können und verfügt somit zu Beginn seiner Amtszeit über eine große Machtfülle. Vor seinem Treffen mit Biden erwähnte er vor lachenden republikanischen Politikern in einem Washingtoner Hotel gar die angebliche Möglichkeit einer dritten Amtszeit, was die US-Verfassung untersagt. 

Trump, der angekündigt hat, am ersten Tag seiner Amtszeit wie ein Diktator zu regieren, hat bereits einen großen Teil seines künftigen Kabinetts zusammengestellt. Unter den künftigen Ministern sind viele Politiker, die wie der 78-Jährige eine rigorose America-First-Politik betreiben wollen. Der treue Gefolgsmann Matt Gaetz soll Justizminister werden und ihn bei den gegen ihn gerichteten Strafverfahren unterstützen.

Am 20. Januar wird Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten am Kapitol vereidigt, wo seine fanatischen Anhänger vor vier Jahren die Beglaubigung von Bidens Wahlsieg durch die Erstürmung des Kongressgebäudes verhindern wollten. Trump hat angekündigt, wegen der Kapitol-Erstürmung Verurteilte an seinem ersten Tag im Amt zu begnadigen.