Auf den Philippinen werden Schönheitsköniginnen wie Göttinnen verehrt. Viele besuchen spezielle Schulen, um sich für die nächste Misswahl fit zu machen. Auch Miss Deutschland war im Camp in Manila.

Auf Schuhen mit 17 Zentimetern Absatz und Plateausohle zu laufen, will gelernt sein. Celina Weil steht mit vier anderen jungen Frauen vor einer Spiegelwand und balanciert in ihren Mega-High-Heels abwechselnd auf einem Bein. Noch kommt die 23-Jährige dabei gelegentlich ins Straucheln, aber die amtierende Miss Deutschland hat ihr Training in einer der weltweit renommiertesten Schulen für Schönheitsköniginnen in der philippinischen Hauptstadt Manila auch gerade erst begonnen. 

„Ich will hier vor allem meinen Walk perfektionieren“, sagt Weil, die aus dem hessischen Rockenberg kommt. Denn ab dem 20. November tritt die junge Frau im ägyptischen Scharm el Scheich bei der Wahl zur Miss Intercontinental an.

Wer denkt, das Training für einen Schönheitswettbewerb sei etwas für Prinzesschen, der irrt. Vielmehr gleicht das von Rodgil Flores (55) erdachte Unterrichtsprogramm einem Bootcamp. Geübt wird in einem schmucklosen Nebenraum eines Fitnessstudios im Geschäftsviertel Ortigas. Ein paar Plastikstühle, grauer Betonboden, weiße Wände – Glamour sieht anders aus. Aber darum geht es hier auch nicht. 

Total verrückt nach den Queens

„Ich arbeite schon seit 30 Jahren als Mentor für Schönheitswettbewerbe“, erzählt Flores, der den Miss-Nachwuchs gemeinsam mit zwei Assistenten coacht. „Wir Filipinos sind als total verrückte Fans weltbekannt: Wir flippen förmlich aus, wenn es um unsere „Queens“ geht.“ Tatsächlich sind Misswahlen auf den Philippinen geradezu ein Volkssport. Seine Schule trägt den dazu passenden Namen Kagandahang Flores (KF). Das Wort bedeutet schlichtweg „schön“. 

Seine Schützlinge lernen nicht nur die „Pasarela“, also den Gang auf dem Laufsteg auf schwindelerregend hohen Stöckeln, sondern es geht auch um Persönlichkeitsentwicklung, Ausdruck und Kommunikation. Zudem teilt Flores mit ihnen all sein Wissen über die verschiedenen Anforderungen bei wichtigen internationalen Misswahlen und steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Das Rezept für den Erfolg sei ein ganzheitlicher Ansatz, sagt er.

„Man würde kaum denken, dass Schönheitsköniginnen für ihren Erfolg auch richtig schwitzen, aber das hier ist ein Ganzkörper-Workout, von der Muskeldehnung bis zur richtigen Haltung“, erzählt Bianca Nicole Miranda (23), amtierende Miss Earth Puerto Rico. Gleichzeitig gehe es um Anmut, Intellekt und Präsenz. Leean Jame Santos, Miss Manila Tourism 2024, berichtet, dass sie am ersten Trainingstag kollabiert sei. „Es war echt hart, total anstrengend. Aber man sieht die Fortschritte, und es hat sich absolut gelohnt.“ Oder um es mit einem alten Sprichwort zu sagen: Wer schön sein will, muss leiden. 

KF gilt als Pionier und eines der bedeutendsten Schönheitscamps auf den Philippinen. Ein vergleichbar hohes Ansehen genießt sonst nur noch das Unternehmen „Aces & Queens“, ebenfalls aus der Hauptstadt. Die Miss-Schmieden made in Manila haben letztlich dazu beigetragen, dass der südostasiatische Inselstaat heute in puncto Schönheitswettbewerben zu den erfolgreichsten Nationen überhaupt zählt. 

Die Philippinen haben bereits vier Mal eine Miss Universe hervorgebracht sowie eine Miss World, sechs Miss International und vier Miss Earth. Diese vier Wettbewerbe gelten als die namhaftesten überhaupt.

Misswahlen als Sprungbrett

Jedes Kind kennt hier die Namen der Siegerinnen, die bei ihrer Heimkehr gefeiert werden wie die deutsche Fußball-Nationalelf nach einem WM-Sieg. Die meisten avancieren schon bald zu erfolgreichen Schauspielerinnen und bekleiden öffentliche Ämter. Auch die frühere First Lady und Diktatoren-Gattin Imelda Marcos (95) – bekannt für ihren Schuh-Tick – startete ihre steile Karriere einst bei Misswahlen.

„Hier wird die klassische Weiblichkeit noch viel mehr zelebriert, und das Publikum ist bei Misswahlen immer völlig hingerissen – das ist ganz anders als in Deutschland“, sagt auch Celina Weil, die erst im vergangenen Jahr auf der Düsseldorfer Königsallee „entdeckt“ wurde und in diesem Jahr gleich in Wernigerode als Miss Deutschland durchstartete. Eigentlich studiert sie Wirtschaftswissenschaften an der Frankfurter Goethe-Universität. Die junge Deutsche ist zielstrebig: Ihr Studium will sie auf jeden Fall beenden, gleichzeitig aber ihre Modelkarriere vorantreiben.

Und wie gefällt ihr das Camp? „Die Stimmung ist genau richtig: Es ist sehr professionell und manchmal auch ein bisschen streng, aber sonst lernt man ja auch nichts“, sagt sie und fügt hinzu: „Man ist aber auch immer auf Augenhöhe mit den Trainern, und es macht riesigen Spaß. Rodgil weiß, was er tut – er hat schon so viele Mädchen erfolgreich gecoacht.“ 

Eine Woche hat der Organisator von Miss Deutschland – Detlef Tursies – für sie bei Rodgil Flores gebucht. Denn bei der Miss-Intercontinental-Wahl in Ägypten, bei der die Schönsten aus 70 Ländern um den Titel konkurrieren, werde es ganz andere Anforderungen geben als bei Miss-Wahlen in Deutschland, weiß Celina Weil: „Dieses Training ist wichtig, um überhaupt mithalten zu können.“

Im Camp sind noch vier andere junge Frauen aus Puerto Rico, den USA und den Philippinen. Weitere „Misses“ aus den Niederlanden, Wales, Nigeria wurden in den nächsten Tagen erwartet. Gibt es da kein Konkurrenzdenken? „Nein, wir verstehen uns super und lachen viel“, sagt Weil. „Klar, Rivalität gibt es bei Miss-Wahlen natürlich auch, aber damit tut man sich keinen Gefallen.“ Wichtiger sei es doch, einfach eine gute Zeit zu haben.

Aber was braucht es letztlich, um Krönchen und Schärpe abzustauben, Herr Flores? „Ein perfekter Körper, gute Haut etc. sind die Grundvoraussetzungen. Aber was es am Ende ausmacht, sind die Persönlichkeit und die Entschlossenheit, wirklich hart an sich zu arbeiten.“ Zudem gebe es bei den Wettbewerben viel Druck, dem man erst einmal standhalten müsse. „Hier kommen die Mentoren ins Spiel. Schönheits-Contests sind ein Psychospiel – und für dieses muss eine Strategie entwickelt werden“, sagt Flores.

High Heels spielen wichtige Rolle

Und was hat es mit den brutal hohen Heels auf sich? Die Teilnehmerinnen wirkten dadurch größer, würden optisch gestreckt, erklärt er. „High Heels sind wirklich die besten Freundinnen der Frauen bei solchen Wettbewerben.“ 

Auch Celina Weil hat sich bereits Mammut-Plateaus in Manila gekauft, die sie in Ägypten tragen will. „Bei „Miss Deutschland“ hatte ich ganz normale Schuhe an, aber für internationale Wettbewerbe ist es wichtig, den Walk auf solchen Absätzen zu lernen“, weiß sie und fügt lachend hinzu: „Zwei Mal bin ich schon hingefallen – aber ich werde jeden Tag besser. Es ist einfach Übungssache.“