Wegen tiefer politischer Gräben im Europaparlament haben die Abgeordneten ihre Entscheidung über wichtige Mitglieder der nächsten EU-Kommission vertagt. Mindestens drei der sechs designierten Vizepräsidentinnen und -präsidenten mussten nach ihren Anhörungen am Dienstag auf ihre Bestätigung warten, darunter der Italiener Raffaele Fitto und die designierte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Die spanische Sozialdemokratin Teresa Ribera musste sich in ihrer Anhörung scharfen Angriffen stellen.
Spanische Abgeordnete der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und der rechtsextremen Partei Vox warfen der derzeitigen Umweltministerin Ribera vor, ihre Regierung habe die Bevölkerung nicht rechtzeitig vor den Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia gewarnt, bei denen Ende Oktober mindestens 222 Menschen ums Leben gekommen waren. „Sie sollten nicht in der Europäischen Kommission sitzen, sondern vor Gericht“, sagte der rechtsextreme Abgeordnete Jorge Buxadé Villalba.
Ribera nutzte die Debatte, um die Bedeutung der Klimapolitik zu betonen. Sie versprach, die EU-Pläne für die Anpassung an den Klimawandel zu überarbeiten. Daneben soll Ribera die Wettbewerbspolitik verantworten.
Abgeordnete des Mitte-Links-Lagers hatten zuvor den italienischen Kandidaten Fitto in seiner Anhörung scharf angegriffen. Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke warfen ihm vor, rechtspopulistische Ideen statt demokratischer Werte zu vertreten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will mit Fitto erstmals einen Rechtsaußen-Politiker zu einem der geschäftsführenden Vizepräsidenten machen. Die Nominierung des ehemaligen Ministers aus der Partei der ultrarechten italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni sei „ein Beispiel dafür, wie die Rechte in ganz Europa die extreme Rechte reinwäscht“, sagte die spanische Grünen-Abgeordnete Ana Miranda Paz.
Wegen des Streits planen die Abgeordneten nach Angaben aus den Fraktionen, die Entscheidung über alle sechs Vizepräsidentinnen und -präsidenten zu verschieben. So könnten sie über das gesamte Personalpaket gleichzeitig verhandeln.
Die Abgeordneten schoben zunächst die Entscheidungen über Fitto, die designierte EU-Außenbeauftragte Kallas aus Estland und die rumänische Kandidatin Roxana Minzatu auf. Das könnte auch Ribera, den französischen Kandidaten Stéphane Séjourné und die designierte finnische Kommissarin Henna Virkkunen treffen. Eine Entscheidung kann frühestens am Mittwoch fallen, sie könnte sich aber auch mehrere Tage hinziehen.
Kallas kann trotz des Aufschubs mit Bestätigung rechnen. Sie war Ende Juni bereits von den EU-Staats- und Regierungschefs nominiert worden. Die 47-Jährige gilt als eine der entschiedensten Unterstützerinnen der Ukraine in Europa.
Zum Wahlsieg von US-Präsident Donald Trump sagte Kallas, sie werde sich um eine Zusammenarbeit mit ihm und seiner Regierung bemühen. Allerdings wisse „niemand wirklich, was der gewählte Präsident tun wird“, betonte sie. Kallas rief die Europäer zur Geschlossenheit auf, damit die EU geopolitisch eine Rolle spielen könne. „Die Welt steht in Flammen, deshalb müssen wir zusammenstehen“, sagte sie.
Virkkunen, designierte Vizekommissionspräsidentin für Technologie und Sicherheit, äußerte sich in ihrer Fragerunde zurückhaltend zu Konflikten mit den USA, etwa bei der Regulierung großer Onlineplattformen wie X. Sie trete für eine „gute Zusammenarbeit mit den USA“ ein, sagte die konservative Finnin.
Es gebe jedoch „keinen Zweifel“, dass sie alle Instrumente aus dem EU-Gesetz für digitale Dienste nutzen werde, sagte sie auf die Frage zu möglichen Bußgeldern für die Plattform des US-Milliardärs Elon Musk. Die EU-Kommission geht unter anderem wegen der Verbreitung von Hassbotschaften gegen X vor. Experten glauben allerdings, dass sich das Verfahren durch den Wahlsieg Trumps verzögern könnte. Dieser hatte eine wichtige Rolle für Musk in seiner Regierung angekündigt.
Das Parlament muss der Kommission zustimmen, damit diese planmäßig zum 1. Dezember ihr Amt antreten kann. Dieses Datum könnte sich verschieben, sollten ein oder mehrere Kandidaten nicht die nötige Bestätigung aus dem Parlament erhalten.