Wann soll Deutschland den Bundestag neu wählen? Deutschlands größter Wahlzetteldrucker warnt im stern vor einem zu frühen Wahltermin. Warum?
Wenn sich einer in Deutschland mit Wahlorganisation auskennt, denn ist es Bastian Bleeck. Er ist der Mann, ohne den hierzulande nicht gewählt werden kann. Seine Druckerei, die „Köllen Druck und Verlag“ in Bonn, druckt mit großem Abstand die meisten Stimmzettel in Deutschland – und das seit vielen Jahren. Was denkt dieser Mann über die aufgeheizte Debatte um Neuwahlen?
Eines steht fest: Eine Neuwahl schon im Januar des kommenden Jahres – Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hatte den 19. des Monates genannt – hält Bleeck für äußerst risikoreich. „Mit ganz viel Biegen und Brechen bekämen wir das hin“, sagt Bleeck im Gespräch mit dem stern. Papier sei längst reserviert, das sei nicht das Problem, aber durch die kurzen Fristen würde die Fehleranfälligkeit der Wahl erheblich steigen. Merz Titelgespräch Heft 0200
Die Telefone beim Stimmzettelkönig stehen nicht still
Bleeck muss es wissen. Ein großer Teil der 11.000 deutschen Kommunen beauftragt seine Druckerei mit der Herstellung von Stimmzetteln. Millionen Stimmzettel, mit Abermillionen Namen drauf fahren Lkw vor Bundestags– oder Landtagswahlen von Bonn aus in die ganze Republik. Die Telefone bei „Köllen Druck und Verlag“ stehen nicht still in diesen Tagen.
Bleeck nimmt sich am Sonntag dennoch Zeit für ein Telefonat mit dem stern. Der Verlagsleiter sorgt sich: Würde wirklich zum Wunschtermin des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz gewählt, dann würden mit hoher Wahrscheinlichkeit dabei falsche Unterlagen ausgegeben. Bei 299 Wahlkreisen würden bei Satz und Druck der Wahlunterlagen immer Fehler passieren: falsche Politikernamen, vertauschte Parteien, falsch gesetzte Sonderzeichen oder Reihenfolgen der Kandidaten.
Solche Fehler seien normalerweise zwar selten, aber jeder Wahlkreis und jeder Wähler und Kandidat habe den Anspruch auf korrekte Stimmzettel. Und in der Hektik von verkürzten Fristen seien solche Fehler deutlich wahrscheinlicher. Die Zeit, um Fehldrucke zu korrigieren, die gebe es bei einem derart frühen Wahltermin schlicht nicht. Das sei ein Problem, sagt der Köllen-Geschäftsführer. Und er hält es vor allem für vermeidbar.
Ab dem 2. Januar müssten die Druckmaschinen laufen
Bleeck rechnet vor: Wenn schon im Januar gewählt würde, bedeutete das, dass mit den verkürzten Fristen für die Kandidatenaufstellungen erst 30 Tage vor dem Wahltag die Listen der Parteien feststehen. Dann blieben noch einmal vier Tage Einspruchsfrist, falls Kandidaten oder Listen abgelehnt würden. Ab dem 2. Januar müssten dann sofort die Druckmaschinen anlaufen, um wenigstens schon einmal die Briefwahlunterlagen auf den Weg zu bringen, erklärt Bleeck, anschließend würden dann die Stimmzettel für die Urnenwahl in den Wahllokalen gedruckt.
Vor Weihnachten passiert sowieso nichts mehr. Das liegt nicht an Faulheit, im Gegenteil. „Es gibt keine Anlieferung zwischen Weihnachten und Neujahr“, sagt Beeck. Die Logistikspeditionen würden in diesen Tagen nicht zur Verfügung stehen. Das liegt an Urlauben und Heimreisen, denn viele Fahrer kommen nicht aus Deutschland. Und dem Weihnachtsgeschäft.
Besonders für die Briefwahl würde das alles große Einschränkungen bedeuten. „Das Zeitfenster dafür würde bei einem derart frühen Wahltermin besonders kurz ausfallen“, sagt Deutschlands Chefstimmzetteldrucker. Er rechnet real mir nur etwa einer Woche, in der die Bürger ihr Kreuz per Post setzen könnten, nachdem sie die Unterlagen erhalten haben. Schneller ginge es nicht. In den Kommunen sorgt das schon jetzt für Sorgenfalten bei den Verantwortlichen. Auch eine Bundestagswahl wird letztlich nämlich vor Ort organisiert, vielfach von Ehrenamtlern, und nicht von Berlin aus.
Deutlich weniger Briefwähler erwartet
Bleeck redet in diesen Tagen viel mit den kommunalen Verantwortlichen. Die Kommunen würden schon jetzt mit weniger Briefwählern rechnen – maximal einem Viertel. Bei der Europawahl im Juni hatten zuletzt noch fast 4 von 10 Wählern per Brief gewählt. Was schlechte Organisation bedeuten kann, konnte man 2021 in Berlin sehen. Da kam zwar alles zusammen: Gleich mehrere Wahlen, ein Marathon, schlechte Organisation. Aber mehr Wähler im Wahllokal bedeuten eben auch mehr Aufwand.
10: Mützenich und Grüne für frühere Neuwahlen offen SPD mit Bedingungen – 0de3c12a838a17ef
Bleeck geht solche Risiken nicht gern ein. Er fordert deshalb einen pragmatischen Realismus von denjenigen Politikern, die sich nun auf den Termin einigen müssten: Es sei niemandem damit gedient, wenn die Wahl nicht korrekt ablaufen würde, sagt Bleeck: „Zwei bis drei Wochen mehr sollte man sich in jedem Fall Zeit nehmen.“ Das wäre für einen ordnungsgemäßen Ablauf wichtig. Die Neuwahl würde dann voraussichtlich im Laufe des Februars stattfinden.
Auch die Grünen drängen jetzt auf rasche Neuwahlen
Bundeskanzler Olaf Scholz hat zuletzt Gesprächsbereitschaft für einen früheren Neuwahltermin als im März 2025 gezeigt. Nicht nur die Union hatte in den letzten Tagen darauf gedrängt, dass er früher als am 15. Januar die Vertrauensfrage stellt. Am Sonntag hatte auch Scholz‘ Noch-Koalitionspartner Robert Habeck (Grüne) erklärt, er habe wenig Verständnis für eine zu lange Hängepartie. Auch die FDP fordert rasche Neuwahlen.
Am Montag will sich die Bundeswahlleiterin mit den Landeswahlleitungen beraten. Ruth Brand hatte bereits in einem Brief vor Problemen bei einer zu frühen Neuwahl gewarnt. Sie sprach etwa von Papiermangel. Sowohl Beeck als auch die Papierindustrie widersprechen der Bundeswahlleiterin in diesem Punkt. Stimmzettelkönig Beeck rät von unnötiger Eile bei der Wahlorganisation dennoch ab. Er muss es ja wissen.