Thomas Quasthoff feiert an seinem Geburtstag die Liebe und seine Freundschaften.
Wie feiern Sie Ihren 65. Geburtstag?
Wenn Essengehen als feiern zählt, dann feiere ich im kleinsten Kreise. Ich bin kein Mensch für große Festivitäten. Ich gehe mit meiner Familie und meinen drei engsten Freunden essen, that’s it. Allerdings muss ich zugeben, dass wir uns an meinem 60. ein Essen bei Tim Raue gegönnt haben. Das war ein kulinarisch singuläres Ereignis.
Dieses Jahr feiern Sie nicht nur Ihren 65. Geburtstag, sondern auch Ihre 50-jährige Bühnenkarriere. Sie haben ein Jubiläumskonzert auf dem Schweizer Verbierfestival gegeben. Wie fühlt es sich an, sein Leben der Musik gewidmet zu haben?
Wenn ich meine Frau eher kennengelernt hätte, hätte ich meinem Leben mehr meiner Frau und meiner Stieftochter gewidmet, das mal vorweg. Es ist etwas Wunderbares, wenn man sein Leben mit Gesang, Musik und Freunden verbringen darf. In Verbier bin ich seit fast 25 Jahren jedes Jahr. Ich habe zwei Bands, die kleine Jazzband und die große mit Wolfgang Haffner. Mit ihnen zu spielen ist das Schönste, was ich mir vorstellen kann.
Sie haben einmal gesagt, dass die Liebe zu Ihrer Frau Ihnen geholfen habe, Ängste und Probleme aus Ihrer Kindheit zu überwinden.
Ja. Ich glaube, das gilt für alle von uns. Liebe versetzt Berge, das ist so. Wenn man körperlich schwer eingeschränkt ist, so wie ich es bin, und meine Frau mir jederzeit zeigt, dass ich als Mensch im Mittelpunkt stehe, lebt es sich ganz schön. Die Liebe hilft bei allem. Wenn man weiß, wo man hingehört, und eine Vertrauensperson hat, die einen liebt, ist das ein unfassbares Glück. Wir sind seit 20 Jahren eine Familie, auch meine Stieftochter hat mich von Anfang an akzeptiert. Zu sehen, wie ein junger Mensch auf wundersame Weise seinen Weg geht, ist etwas Tolles.
Was ich glaube, in all den Jahren geschafft zu haben, ist, demütig zu bleiben.
Sind Sie nie an Ihren Problemen verzweifelt?
Was mich damals auch gerettet hat, ist meine positive Lebenseinstellung. Trotz allem, ob der politischen Situation in unserem Land, in Russland, in Amerika – ich glaube, dass so ein Stückchen positives Denken und Nach-vorne-gucken hilft, sich zurechtzufinden.
Und noch was: Was ich glaube, in all den Jahren geschafft zu haben, ist, demütig zu bleiben. Morgens gesund aufzuwachen, ist keine Selbstverständlichkeit. Das ist vielen Leuten, glaube ich, nicht bewusst. Ich habe eine große Demut vor dem Leben und dem, was ich leben darf. Ich habe viele großartige Menschen kennengelernt. Und das ist nicht nur meinen braunen Augen oder meinen sieben Fingern zu verdanken, sondern meiner Begabung, durch Musik Menschen zu erreichen.
Ihre Begabung, Menschen zu erreichen, ist das eine. Aber die Freundschaften, von denen Sie erzählen, müssen auch gepflegt werden. Welchen Wert hat Freundschaft in Ihrem Leben?
Neben der Liebe einen riesengroßen. Meine Frau sagt oft: „Tommy, für dein Talent, Freundschaften zu pflegen, bewundere ich dich“. Ich habe nicht tausende Freunde, sondern einige sehr gute. Wir telefonieren viel, haben engen Kontakt, und so halten Freundschaften auch seit 40 Jahren.
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Vor etwas mehr als zehn Jahren sind Sie noch einmal als Jazzsänger durchgestartet. Wie war das für Sie?
Ich hatte eine wunderbare Zeit als klassischer Musiker und habe es sehr geliebt, meine Arbeit auf so einem hohen Level machen zu können. Das war und ist etwas sehr Besonderes für mich. Jazz habe ich schon immer gesungen, nur hatte ich nie genug Zeit dafür. Ich schätze das sehr: Ich bin mit fantastischen Musikern unterwegs, die auch gute Freunde sind. Wir führen keine Zweckbeziehung. Freundschaft und Liebe nimmt man mit ins Grab, nicht Geld. Deshalb sind mir Freunde und meine Familie so viel wichtiger.
Was planen Sie für Ihr neues Lebensjahr?
Wenn ich in den Kalender gucke, ist das nächste Dreivierteljahr schon komplett voll mit Konzerten. Da habe ich gar nicht so viel Muße, mir über ein Lebensjahr Gedanken zu machen. Ich hoffe, dass meine Frau und meine Tochter gesund bleiben, meine Freunde, und auch ich. Zudem bin ich ein politischer Mensch, wenn ich mir angucke, was in unserem Land abläuft, werde ich sehr traurig.
Haben Sie sich in all den Jahren verändert?
Ich bin viel diplomatischer geworden, ich merke das auch an meiner Arbeit an der Hochschule. Gesamtgesellschaftlich haben wir wirklich verlernt, kontrovers miteinander zu diskutieren. Das sieht man auch in der Regierung, jeder ist gleich beleidigt. Bei mir sind im privaten Umfeld selbstverständlich nicht alle immer einer Meinung. Aber wir haben sehr viel Respekt voreinander, und dann gilt zumindest die Meinung der anderen Person. Heutzutage erleben wir oft das Gegenteil.
Ein Adventskonzert mit Thomas Quasthoff ist ab dem 1. Dezember in der ZDF-Mediathek zu sehen und wird am 8. Dezember ab 18 Uhr im ZDF ausgestrahlt.