Sind die Misshandlungsvorwürfe gegen Justizbeamte des Augsburger Gefängnisses nur Einzelfälle? Die Ermittlungen haben nun jedenfalls Konsequenzen für alle Haftanstalten in Bayern.

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sieht nach dem Bekanntwerden von Misshandlungsvorwürfen gegen Mitarbeiter des Gefängnisses in Augsburg-Gablingen Mängel im bisherigen System der Überwachung von Justizvollzugsanstalten (JVA). „Es sind Fehler passiert, daraus müssen wir Konsequenzen ziehen“, sagte er im Rechtsausschuss des Landtags in München.

Derzeit ermittelt die Augsburger Staatsanwaltschaft gegen 16 Mitarbeiter der Haftanstalt bei Augsburg, darunter die ehemalige stellvertretende Leiterin. In den meisten Fällen geht es um mögliche Körperverletzungsdelikte. Es gibt den Verdacht, dass Häftlinge in sogenannten „besonders gesicherten Hafträumen“ (BGH) misshandelt worden sein könnten.

Solche BGH haben keine Ausstattung von normalen Hafträumen, weil beispielsweise als suizidgefährdet eingestufte Insassen darin vorübergehend untergebracht werden. Diese speziellen Zellen gebe es bundesweit in Haftanstalten, erklärte der Minister. Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass es mittlerweile auch den Verdacht gebe, dass JVA-Bedienstete Beweise durch Schreddern vernichtet haben könnten.

Minister: Man hätte mehr machen müssen

Eisenreich berichtete in dem Ausschuss darüber, dass die ursprünglich von einer Anstaltsärztin gemeldeten Vorwürfe bereits vor rund einem Jahr im Ministerium bekanntgeworden seien. Obwohl damals bereits die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden sei, habe dies zunächst zu keinem Ermittlungsverfahren geführt. Erst rund zwölf Monate später, im Oktober 2024, sah die Staatsanwaltschaft ausreichend Hinweise, um die JVA Gablingen zu durchsuchen und Unterlagen sicherzustellen.

Der Minister sagte, dass in seinem Haus die Dimension unterschätzt worden sei. Dies zeige sich auch daran, dass er im Oktober 2023 von den Hinweisen der JVA-Ärztin nicht informiert worden sei. „Rückblickend muss man trotzdem sagen, dass man hätte mehr tun müssen“, sagte Eisenreich dazu.

Opposition kritisiert Eisenreich: „Ministerium nicht im Griff“

Die Landtags-Oppositionsparteien Grüne und SPD sahen in den fehlenden Informationen von Eisenreich ein Beleg für ein schwerwiegendes Versäumnis. „Offensichtlich wurden wichtige Informationen im Hause Eisenreich nicht weitergegeben – was so nicht passieren darf“, meinte der rechtspolitische SPD-Sprecher Horst Arnold.

„Offenbar war das ganze Haus über die Foltervorwürfe informiert, nur der Minister nicht“, kritisierte auch der rechtspolitische Grünen-Sprecher Toni Schuberl. „Wenn man davon ausgeht, dass der Minister die Wahrheit sagt und er nicht Bescheid wusste, dann hat er sein Ministerium nicht im Griff.“

Eisenreich sagte, er habe inzwischen verschiedene Konsequenzen aus dem Fall gezogen. Es seien mehr und bessere Kontrollmechanismen bezüglich der Gefängnisse nötig, sagte Eisenreich. Er sieht Verbesserungsbedarf insbesondere bei der statistischen Erfassung beispielsweise von den Fällen der Unterbringung in den BGH. „Die Qualität der Zahlen muss erheblich verbessert werden.“

Wichtige Zahlen müssten einheitlich erfasst werden, damit auch ein Monitoring möglich sei. Die Software dafür sei bereits verbessert worden und müsse noch weiterentwickelt werden. Die Berichtspflicht für die Anstalten sei bereits verschärft worden. „Und über weitere Verschärfungen müssen wir diskutieren.“ Für die JVA Augsburg-Gablingen gebe es darüber hinaus besondere Anordnungen.

War die Gefängnischefin zu viel im Home-Office?

Bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung für die verdächtigen Justizmitarbeiter. Die Anwälte der vorläufig suspendierten Vize-Gefängnisleiterin haben die Vorwürfe gegen ihre Mandantin zurückgewiesen. 

Das Ministerium hatte zwischenzeitlich auch die langjährige Gefängnischefin aus Gablingen vom Dienst freigestellt, obwohl sich die strafrechtlichen Vorwürfe nicht gegen die Beamtin richten. Laut Eisenreich gibt es bislang kein Disziplinarverfahren gegen die leitende Beamtin. Dies könne sich aber ändern, denn es stehe im Raum, dass die Leiterin zu viel im Home-Office gearbeitet habe, statt vor Ort in der JVA.