In Rheinland-Pfalz funktioniert sie seit 2016 nach außen nahezu geräuschlos, im Bund ist sie mit großem Getöse abgeschaltet worden – was unterscheidet die Ampel in Mainz von der in Berlin?

Dass ein Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP nicht zum Scheitern verurteilt ist, zeigt die seit mittlerweile mehr als acht Jahren bestehende Ampel in Rheinland-Pfalz. Aber was unterscheidet die Konstellation in Mainz von der zerbrochenen in Berlin?

Köpfe

Ein entscheidender Faktor für das vergleichsweise geräuschlose Regieren der Ampel in Mainz sind die beteiligten Personen. Sowohl in der ersten Legislaturperiode von 2016 bis 2021 als auch der aktuellen seit 2021 gelang es auch in wechselnden personellen Konstellationen, Unstimmigkeiten intern zu halten und nach außen geschlossen aufzutreten.

Allen in dieser Zeit für die rheinland-pfälzische Ampel zentralen Persönlichkeiten – von Ministerpräsidentin Malu Dreyer bis hin zu Nachfolger Alexander Schweitzer bei der SPD, von Ulrike Höfken bis Katharina Binz auf Seiten der Grünen und von Ex-Landesminister Volker Wissing bis zu Daniela Schmitt von der FDP – war am Erfolg des Bündnisses gelegen. 

Wissing etwa sagte erst in diesem Sommer der Deutschen Presse-Agentur in Mainz, für ihn erkläre sich der Erfolg der rheinland-pfälzischen Ampel-Regierung auch aus einem selbst in schwierigen Situationen respektvollen und wertschätzenden Umgang untereinander. Die Partner hätten auch gelernt, die Koalitionäre in für diese schwierigen Fragen nicht anzugreifen. 

Kurz zuvor hatte die langjährige Regierungschefin Dreyer, die dem Vernehmen nach häufig hinter verschlossenen Türen auch mal ausgleichend gewirkt hatte, den Staffelstab an Schweitzer übergeben. Mit ihm kam ein etwas anderer Stil in die Staatskanzlei, doch auch er betonte: „Wir sind die gute Ampel und das soll auch so bleiben.“ 

Politische Inhalte

Die Bundespolitik bietet mit Sicherheit mehr Konfliktpotenzial als die im Land Rheinland-Pfalz. So muss sich die Mainzer Ampel nicht einig werden bei Details der Hilfe für die Ukraine, und sie muss auch nicht grundsätzlich über eine Veränderung der Schuldenbremse entscheiden – ein Punkt, bei dem SPD und Grüne auf der einen und FDP auf der anderen Seite meilenweit auseinanderliegen. 

Bei der Ampel in Rheinland-Pfalz habe man den Vorteil, „dass die für die Parteien entscheidenden Themen nicht in Mainz geklärt oder wenig in Mainz geklärt werden müssen, sondern das auf Bundesebene geschieht“, erklärte der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun. Als Beispiele nannte er die Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie die Sozialpolitik. Das Konfliktpotenzial sei dadurch „deutlich geringer“, weil weniger in „die Markenkerne“ der jeweils anderen Parteien eingegriffen werde.

Vertrauen

Bei der Ampel in Rheinland-Pfalz gebe es eine andere Vertrauensbasis zwischen den Koalitionären als in Berlin, sagte Jun. Den Akteuren in Mainz sei es gelungen, „das Vertrauen immer aufrechtzuerhalten“ und „in den allermeisten Fälle eine gemeinsame Linie“ zu finden. „Oder wenn man eben keine gemeinsame Linie gefunden hat, dann das nicht zu einem zentralen Gegenstand der Diskussion werden zu lassen, sondern das eher hinter verschlossenen Türen zu belassen.“

Nach dem Ampel-Aus in Berlin sieht der Experte „keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Ampel in Rheinland-Pfalz“. Das Bündnis in Mainz habe bisher gut zusammengearbeitet. „Das Vertrauen ist stark ausgeprägt.“ Die größte Auswirkung sei, dass der Regierungspartei FDP mit Volker Wissing der Landesvorsitzende abhandengekommen sei und ein Nachfolger gesucht werden müsse, sagte Jun.

Veränderungen

Trotz aller öffentlicher Harmonie verändert sich jedoch auch das Binnenklima in Rheinland-Pfalz. Der neue Regierungschef Schweitzer kündigte bei seinem Amtsantritt bewusst an, neue Akzente zu setzen. Auch bundespolitisch meldet sich der 2,06 Meter-Mann hörbar zu Wort. So forderte er Bundeskanzler Olaf Scholz im Sommer etwa öffentlich auf, mehr Führungsstärke zu zeigen: „Es muss deutlicher werden, dass Olaf Scholz dieses Land führt und nicht nur Moderator in der Koalition ist.“

Den Grünen in Rheinland-Pfalz fehlt dagegen seit dem Abgang der früheren Landesministerin und späteren Bundesministerin Anne Spiegel ein bundesweit bekanntes Gesicht. Eine gewisse Neuaufstellung steht an – auch nachdem gleich zwei grüne Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz ihren Rückzug nach der nächsten Bundestagswahl 2025 angekündigt haben: Tabea Rößner, die 2021 Spitzenkandidatin der rheinland-pfälzischen Grünen war, sowie Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Die Partei wählt Anfang Dezember auf ihrem Parteitag in Idar-Oberstein eine neue Parteispitze und stellt damit auch personell wichtige Weichen mit Blick auf die nächste Landtagswahl.

Die rheinland-pfälzische FDP muss sich nach dem Parteiaustritt von Volker Wissing einen neuen Vorsitzenden suchen – oder eine neue Vorsitzende: Eine denkbare Variante wäre, dass Vize-Landeschefin und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt den Posten übernimmt und dann auch das Zugpferd der Liberalen für den Landtagswahlkampf 2026 wird. Ob der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion seinen Hut in den Ring werfen wird, ist noch nicht klar. Philipp Fernis ist als starker Redner im Parlament ein bekanntes liberales Gesicht in Rheinland-Pfalz.

Das Land 

Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass die Wählerinnen und Wähler in Rheinland-Pfalz eher nicht zu häufigen Regierungswechseln neigen. Die SPD sitzt seit 1991 in der Staatskanzlei, eine ganze Reihe an Regierungschefs kommt auf lange Amtszeiten: Das reicht von den CDU-Politikern Helmut Kohl (1969 bis 1976) und Bernhard Vogel (1976 bis 1988) bis hin zu den Sozialdemokraten Kurt Beck (1994 bis 2013) sowie Malu Dreyer (2013 bis 10. Juli 2024). 

Ob der neue Ministerpräsident Alexander Schweitzer auch angesichts der zunehmenden Zersplitterung der Parteienlandschaft diese Tradition fortsetzt, wird sich bei der nächsten Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2026 zeigen.