Ende November entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die zwangsweise medizinische Behandlung von rechtlich betreuten Menschen. Am Donnerstag setzte es den Termin für die Urteilsverkündung in Karlsruhe auf den 26. November fest. Die Frage ist, ob die Betroffenen unbedingt im Krankenhaus behandelt werden müssen oder ob das auch in ihrer Wohneinrichtung möglich sein soll. (Az. 1 BvL 1/24)
Es handle sich um einen der „grundrechtssensibelsten Bereiche des Erwachsenenschutzes“, sagte Gerichtspräsident Stephan Harbarth bei der Verhandlung im Juli. Einerseits müssten Betreute angemessen geschützt werden, andererseits dürfe nicht unverhältnismäßig in ihre Freiheitsrechte eingegriffen werden.
Rechtlich betreut werden Menschen, die wegen Krankheit oder Behinderung nicht alles selbst entscheiden können. Das können zum Beispiel Menschen mit einer schweren psychischen Krankheit sein, mit einer geistigen Behinderung oder mit Demenz.
Für eine zwangsweise medizinische Behandlung von Betreuten gelten hohe rechtliche Hürden. Sie darf nur dann erfolgen, wenn sie unbedingt notwendig ist, weil sonst ein ernster gesundheitlicher Schaden droht, und wenn der Nutzen das Risiko überwiegt.
Außerdem muss zuvor versucht werden, die Betroffenen zu überzeugen – nur wenn sie die Notwendigkeit nicht erkennen oder nicht danach handeln können, darf zwangsweise behandelt werden. Auch der mutmaßliche oder in gesunden Zeiten in einer Patientenverfügung festgelegte Wille der Betroffenen muss beachtet werden.
Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass eine Zwangsbehandlung nur im Krankenhaus stattfinden darf, wo sowohl die medizinische Versorgung als auch die Nachbehandlung sichergestellt sind. Nur um diese Regelung geht es vor dem Verfassungsgericht.
Der Bundesgerichtshof (BGH) legte den Verfassungsrichtern und -richterinnen die Frage vor. Er muss über den Fall einer Frau mit paranoider Schizophrenie entscheiden, die in einer Einrichtung lebt. Ihr Betreuer beantragte, ihr die Medikamente gegen die Psychosen – die sie nicht nehmen wollte – auch dort zu geben und nicht im Krankenhaus, weil sie dort retraumatisiert würde.
In der Vergangenheit habe sie teils fixiert werden müssen und einen Spuckschutz bekommen, um zur zwangsweisen Behandlung in die Klinik gebracht zu werden. Die zunächst zuständigen Gerichte stimmten dem Antrag des Betreuers aber nicht zu. Die Frau wandte sich an den BGH.
Dieser hält es für verfassungswidrig, dass eine Zwangsbehandlung ohne Ausnahme stationär im Krankenhaus stattfinden muss, auch wenn Menschen dadurch geschadet werden könne und sie ebenso in ihrer Einrichtung behandelt werden könnten. Er setzte das Verfahren im November 2023 aus und fragte das Verfassungsgericht, ob die Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Nun soll dazu das Urteil fallen.