Der Knall in der Ampel war laut. Nachdem Scholz ob seines aufmüpfigen Finanzministers die Hutschnur geplatzt ist, liegt die Koalition in Ruinen. So urteilen die Medien.

Da waren es nur noch zwei. Nachdem Kanzler Olaf Scholz seinen Finanzminister Christian Lindner am Mittwoch vor die Tür gesetzt hat, regieren SPD und Grüne in der Minderheit. Zumindest bis kommenden März – da soll es theoretisch Neuwahlen geben. 

Bis dahin ist es noch lange hin. Erstmal gilt es, den Nachhall dieses politischen Knalls zu sortieren. 

So urteilt die deutsche Presse über das letztlich doch sehr abrupte Aus der Ampel-Koalition.

„Süddeutsche Zeitung“: Die Ampel ist genau dort zerbrochen, wo immer ihre Bruchstelle lag. Die Spannung zwischen den beiden linken Parteien SPD und Grünen sowie der deutlich weiter rechts stehenden FDP belastete das Bündnis von Anfang an. Dass der SPD-Kanzler Olaf Scholz letztlich seinen FDP-Finanzminister Christian Lindner entließ, um „Schaden“ vom Land abzuwenden, war das logische Ende.

„Zeit Online“: Lindner hat seinen Rauswurf provoziert, wenn nicht gar bewusst einkalkuliert. Mit seinem Strategiepapier zur Rettung der deutschen Wirtschaft, das SPD und Grüne nicht akzeptieren konnten, hat er eine Richtungsentscheidung verlangt, die er verlieren musste. […] Die Wahrheit ist: Nach diesem Vorlauf hatte Scholz keine andere Wahl. Wie tief er persönlich von Lindner enttäuscht ist, verhehlte er nicht. Noch bis zu den letzten Tagen ihrer gemeinsamen Regierungszeit hatte der Bundeskanzler immer wieder Rücksicht auf die Wünsche der FDP genommen, genutzt hat es Scholz jedoch wenig. Das Ergebnis waren nicht nur oft schlechte Kompromisse in der Klima-, Migrations- oder Sozialpolitik. Lindners FDP hat auch das Bild seiner Kanzlerschaft entscheidend mitgeprägt, bekanntlich ein äußerst unglückliches. STERN PAID Linder NEU Heft 23.20

„Der Spiegel“: Die drei Partner haben nicht das Gemeinsame gefunden. Die bräsige SPD, die hochfahrenden Grünen, die dauerblockierende FDP – sie alle haben ihre eigenen Agenden verfolgt. Und das funktionierte anfangs auch, weil das Geld dafür aus Nebenhaushalten floss. Als das Bundesverfassungsgericht dem im vergangenen Herbst ein Ende setzte, begann der Abstieg der Ampel. Es ist gut, dass all dies nun ein Ende hat. Denn die Ampel hat nicht nur sich selbst beschädigt, sondern auch das Vertrauen ins politische System unterminiert.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: Die Entwicklung hatte sich in den vergangenen Wochen und Monaten abgezeichnet, aber dann kam der Schluss doch abrupt. […] Das einzige, was zuletzt kräftig zulegte, war der Unmut in der FDP mit den Ampel-Partnern. Und der Ärger in den Reihen von SPD und Grünen an dem Taktieren des Oberliberalen. Kanzler Scholz formulierte es so, als er die Trennung offiziell verkündete: „Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Lindner schoss umgehend zurück. Er warf Scholz vor, die Trennung gezielt herbeigeführt zu haben. „Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging, sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition.“

„Handelsblatt“: „Lindners konsequenter Kurs hat Respekt verdient“

„Taz“: Nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA hatten viele erwartet, dass sich die Bundesregierung an diesem Abend noch einmal zusammenraufen werde. Tatsächlich sah der für heute angesetzte Krisengipfel ja noch mal provinzieller aus als ohnehin schon: Da gewinnt ein Rechtsextremist die Wahlen in der mächtigsten Demokratie der Welt, die Zukunft des Westens ist ungewiss, und der deutsche Finanzminister will bei einem abendlichen Proseminar seinen Koalitionspartnern seine Vorstellungen von Ordoliberalismus erklären. SPD feiert Ampel-Aus 04.31

„Handelsblatt“: Lindners konsequenter Neuwahl-Kurs hat Respekt verdient. […] Deutschland befindet sich im zweiten Jahr in Folge in der Rezession, und auch der Arbeitsmarkt bekommt die ersten Schrammen ab. Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigten sich nicht bereit, Verantwortung für eine Neuausrichtung oder eine Neuwahl zu übernehmen. Lindner hat gehandelt. Gegner des Bundesfinanzministers werfen ihm gerne vor, ein politischer Spieler zu sein. Doch jetzt hat er im richtigen Moment das Richtige getan. Man möchte fast sagen: Respekt, Herr Lindner! Seinen Posten zu riskieren, um sich treu zu bleiben, das kommt nicht oft in der Politik vor.