Für mehr helfende Hände in der Pflege in Rheinland-Pfalz will die Sozialministerin sorgen. Ihre Strategie ist bis 2028 angelegt.

Immer mehr Menschen in Rheinland-Pfalz sind pflegebedürftig. Gleichzeitig fehlt zunehmend Personal, das in der Pflege arbeiten will. „Der hohe Fachkräftebedarf in der Pflege ist daher kein Zukunftsszenario, sondern schon heute Realität“, berichtete Sozialministerin Dörte Schall (SPD) bei der Präsentation der Fachkräftestrategie Pflege Rheinland-Pfalz 2025 bis 2028 in Mainz. 

Rund 241.000 pflegebedürftige Menschen gibt es derzeit in Rheinland-Pfalz. Im Jahr 2035 wird mit einer Zunahme um 16 Prozent auf dann 280.000 Pflegebedürftige gerechnet. 45.700 Fachkräfte mit einer mindestens dreijährigen Ausbildung sind nach Angaben von Frank Weidner vom Institut für Dienstleistung, Innovation, Pflegeforschung GmbH in Rheinland-Pfalz beschäftigt. 

Fachkräftelücke könnte ohne Gegenmaßnahmen auf mehr als 7.100 steigen

Im vergangenen Jahr habe es eine Fachkräftelücke von rund 3.800 Pflegefachkräften im Land gegeben, die zur Deckung der steigenden Nachfrage erforderlich wären, sagte die Sozialministerin. Bis zum Jahr 2035 könnte laut Prognosen die Lücke auf mehr als 7.100 Pflegefachkräfte anwachsen, wenn nicht mit Maßnahmen gegengesteuert wird. 

Die Zahl der Auszubildenden liegt bei 6.300. Die Abbrecherquote sei aber mit derzeit rund 40 Prozent sehr hoch, erklärte Weidner, der die Umsetzung der Strategie durch eine Projektstelle unter seiner Leitung begleitet. Deswegen gehe es auch darum, nicht nur mehr helfende Hände für die Pflege zu finden, sondern auch geeignete Menschen für den anspruchsvollen Beruf, betonte die Sozialministerin.

Strategie mit vier Kernfeldern und 47 Maßnahmen

Die Landesregierung will mit einem breiten und auf mehrere Jahre angelegten Maßnahmenbündel den wachsenden Bedarf an Fachkräften in der Pflege decken. Dazu präsentierte Schall die Fachkräftestrategie Pflege Rheinland-Pfalz 2025, die bis 2028 umgesetzt werden soll und auf vier große Themen zielt:

Für die Bereiche Fachkräftequalifizierung, Fachkräftegewinnung, Fachkräftebindung sowie Digitalisierung und Innovation wurden konkrete Ziele und Maßnahmen entwickelt. Die Themenfelder umfassen nach Angaben der Sozialministerin insgesamt 47 Maßnahmen.

Fachkräftequalifizierung

Durch den demografischen Wandel und die damit verbundene Zunahme chronischer Krankheiten sowie die steigende Lebenserwartung wächst der Bedarf an professioneller Pflege kontinuierlich. Eine zentrale Aufgabe in der Qualifizierung von Pflegefachkräften liegt nach Angaben von Schall in der Anpassung der Ausbildungskonzepte und Weiterbildungsangebote an die Anforderungen des Berufs. Gleichzeitig müsse die berufliche Weiterbildung gestärkt werden, um den Pflegekräften die Möglichkeit zu geben, ihre Qualifikationen zu erweitern und sich auf Veränderungen in der Pflegepraxis einzustellen.

Der Einstieg für arbeitslose Menschen in den Pflegebereich soll nach den Plänen durch noch gezieltere Vorqualifizierungen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege ermöglicht werden. Dazu soll die akademische Pflegeausbildung gestärkt werden, um den Pflegeberuf für eine breitere Zielgruppe attraktiver zu machen. 

Geplant ist ferner die Förderung von Teilzeitausbildungen, Anreize für Praxisanleitungen und die Verbesserung der Betreuungsschlüssel. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund hoher Abbruchquoten, erklärte die Sozialministerin. Ausgebaut werden sollen auch die Qualifizierungsangebote für an- und ungelernte Beschäftigte, die durch die Bundesagentur für Arbeit unterstützt werden. Berufsbezogener Sprachunterricht werde entsprechende Maßnahmen begleiten.

Fachkräftegewinnung

Der hohe Bedarf an qualifizierten Pflegekräften in Rheinland-Pfalz betrifft Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gleichermaßen. Die traditionelle Inlandsrekrutierung reiche nicht aus, um diesen Bedarf zu decken. Vermehrt ausländische Pflegekräfte sollen dazu beitragen, diese Lücken zu füllen und die Versorgung der Pflegebedürftigen sicherzustellen, betonte die Ministerin. 

Bei Beschäftigten aus EU-Staaten sei es künftig entscheidend, ihren mittel- bis langfristigen Verbleib im Beruf zu gewährleisten. Dazu gehörten vor allem Sprachförderungsprogramme, die den Anforderungen der Fachsprache Pflege gerecht werden. Die Integration von Pflegekräften aus Drittstaaten erfordere noch gezieltere Rekrutierungsstrategien. Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser müssten bei Maßnahmen für die Anwerbung von Fachkräften noch mehr unterstützt werden. Stärker in den Blick genommen werden zum Schließen der Fachkräftelücke sollten auch geflüchtete Menschen.

Fachkräftebindung

Häufig genannte Gründe für eine vorzeitige Berufsaufgabe sind nach Angaben der Sozialministerin neben der hohen physischen und psychischen Belastung auch unzureichende Anerkennung, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten und eine unzureichende Work-Life-Balance. Vor allem die Arbeitsbedingungen spielten eine zentrale Rolle: Überlastung durch Personalmangel, Schichtarbeit und die fehlende Möglichkeit, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen, trügen erheblich zur Unzufriedenheit im Beruf bei.

Gegengesteuert werden soll mit betrieblichen Gesundheitsprogrammen, der Flexibilisierung von Arbeitszeitmodellen auch mit der Möglichkeit von Homeoffice für administrative Tätigkeiten sowie einer klareren Strukturierung der Aufgaben- und Tätigkeitsprofile. Die Strategie sieht ferner die kontinuierliche Schulung von Führungskräften vor, um die Berufszufriedenheit zu steigern. Dazu soll Quer- und Wiedereinstieg in den Pflegeberuf noch gezielter unterstützt und eine attraktive Vergütung sichergestellt werden.

Digitalisierung und Innovation

Mit der Landesstudie „digi2care“ sei der Grundstein dafür gelegt, durch Digitalisierung und technologische Innovation eine bestmögliche Versorgung für die Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. „Daran knüpft die Fachkräftestrategie an“, erklärte die Sozialdemokratin. Die Digitalisierung biete erhebliche Potenziale, die Arbeit von Pflegekräften zu erleichtern, damit diese mehr Zeit für die tatsächliche Pflege der Menschen haben. Dabei gehe es etwa um Einsatzpläne, die Erfassung von Berichten und Schichtpläne. Die digitale Bildungsoffensive an den Pflegeschulen zur Stärkung der digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte werde daher fortgesetzt.