Der Wahl-Experte Christopher Borick gibt am Wahltag für den stern seine letzte Prognose ab: Kamala Harris wird in Pennsylvania am Ende hauchdünn vorn liegen.
Der bekannteste Demoskop für den Bundesstaat Pennsylvania, Professor Christopher Borick vom Muhlenberg College, gibt gegenüber dem stern seine letzte Prognose für die Wahl im wichtigsten Swing State ab: „Ich denke, es wird knapper als zwei Prozent, aber Kamala Harris liegt hauchdünn vorn. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie mit weniger als 25.000 Stimmen Vorsprung gewinnt.“
Die aktuelle Umfrage des Muhlenberg College gab Harris noch einen Vorsprung von zwei Prozent im wichtigsten Swing State. 25.000 Stimmen entsprächen weniger als 0,5 Prozent und würden dazu führen, dass es eine automatische Nachzählung gäbe, die mehrere Tage dauern würde. Wer Pennsylvania gewinnt, hat gute Chancen, US-Präsident zu werden.
Christopher Borick untersucht seit 30 Jahren das Wahlverhalten in Pennsylvania
© Jan-Christoph Wiechmann
Der Politikwissenschaftler Borick untersucht die politische Lage in Pennsylvania seit mehr als 30 Jahren, er ist Direktor des Muhlenberg College Institute of Public Opinion und gilt als bester Wahlexperte im Staat und Hauptanlaufstelle für alle nationalen und internationalen Medien. Bei einem Interview vor drei Wochen zeigte er sich noch skeptisch, was einen Harris-Sieg angeht: „Es ist ganz eng, aber die größeren Herausforderungen liegen bei ihr.“
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Borick verwies vor allem auf die Unzufriedenheit der meisten Amerikaner mit der Biden/Harris-Regierung und auf die schwache Mobilisierung unter den Afroamerikanern, der wichtigsten Wählergruppe der Demokraten.
Kamala Harris versucht, die Latinos für sich zu gewinnen
In den letzten Tagen hat Harris alles versucht, um die Mobilisierung voranzubringen. Gestern Abend gab sie ihre Abschlusskundgebung in Philadelphia, der größten Stadt in Pennsylvania und Heimat von 600.000 Afroamerikanern. Den ganzen Tag hatte sie in Pennsylvania verbracht und versucht, auch die Latinos zu mobilisieren, eine weitere wichtige Wählergruppe, bei denen die Demokraten schwächeln.
Borick führt das darauf zurück, dass viele Amerikaner der unteren Mittelklasse den Doppelschlag Pandemie und hohe Inflation noch nicht verkraftet haben. „Sie haben den Eindruck, dass sich ihre Lage in den letzten vier Jahren nicht verbessert hat.“
Andererseits geht Borick von starken Zugewinnen der Demokraten unter weißen Frauen in den Vororten von Philadelphia und der zweitgrößten Stadt Pittsburgh aus. In den letzten Tagen könnten sich genug Wählerinnen in Pennsylvania von Trump abgewendet haben – vor allem wegen seiner radikalen Rhetorik.
Ein Vorsprung von nicht mal 0,5 Prozent würde nicht nur bedeuten, dass es eine automatische Nachzählung gäbe, sondern auch, dass Trumps Vorwürfe, der Wahlsieg würde ihm gestohlen, wieder in den Vordergrund täten. Es ist das Horrorszenario vieler Menschen in Pennsylvania: tagelang kein Ergebnis, Unruhen, Aufmärsche rechter Gruppe und eine lähmende Unsicherheit im ganzen Land.