Die Tötung von Djamshid Sharmahd, einem deutschen Staatsbürger, ist ein weiterer Tiefpunkt der Beziehung zwischen Deutschland und Iran. Kritik gibt es auch an der Bundesregierung.

Die iranische Justiz hat am Montag die Vollstreckung des Todesurteils gegen Sharmahd bekanntgegeben. Der Deutsch-Iraner, der zuletzt in den USA lebte, war im August 2020 von iranischen Behörden festgenommen worden. Nach Angaben seiner Familie wurde er bei einem Zwischenstopp in Dubai vom iranischen Geheimdienst in den Iran verschleppt. 

Das Auswärtige Amt zog Konsequenzen und bestellte den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin ein. Außenministerin Annalena Baerbock beorderte den deutschen Botschafter in Teheran zurück. Weitere Maßnahmen behält sich die Bundesregierung vor.

So kommentiert die Presse die Folgen der Sharmahd-Hinrichtung

„Stuttgarter Nachrichten“: „Die Unterstützung in der Bevölkerung für das Regime soll so gering wie nie sein. Das machten auch die Proteste von 2022 deutlich. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb sie nun Sharmahd hinrichten ließ – um den eigenen Leuten zu zeigen, welche Konsequenzen es hat, wenn man sich gegen das Regime engagiert. Das Regime in Teheran brüllt, um die eigene Schwäche zu überspielen. Ob es Sharmahd gerettet hätte, wenn die Bundesregierung diese Konsequenz frühzeitig nach der Verkündung der Todesstrafe gezeigt hätte? Richtig wäre sie in jedem Fall gewesen. Zumal es noch andere Deutsche gibt, die Teheran in der Hand hat. Im berüchtigten Evin-Gefängnis ist die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi unschuldig inhaftiert. Ihr Gesundheitszustand gilt als kritisch.“

PAID Geiseldiplomatie Iran 15.13

Leipziger Volkszeitung: „Erneut beweist die Männertruppe an der Spitze des iranischen Staats ihre Grausamkeit und ihre Schwäche. Es beraubt das Land im wahrsten Sinne des Wortes seiner Lebendigkeit. Denn Sharmad, dessen Ermordung wie der Versuch wirkt, von der iranischen Hilflosigkeit gegen israelische Angriffe abzulenken, ist ein weiteres Opfer auf einer langen Liste. Viele derer, die gegen das Regime aufbegehrt haben, sind auf der Straße zusammengeschossen, in Gefängnissen zu Tode gefoltert oder von einem Henker aus dem Leben befördert worden. Weil Grausamkeit und Willkür unerträglich sind und ihre Folgen so endgültig, ist die Schwäche ein geringer Trost.“

„Rhein-Neckar-Zeitung“: „War Deutschland in diesem Fall machtlos? Oder zu zurückhaltend? Hätte Sharmahd im Zuge eines Gefangenenaustausches gerettet werden können, wie dies seine Tochter behauptet? Diesen Fragen muss sich die Bundesregierung stellen. Erstaunlich ist es schon, dass ein Mensch mit hiesiger Staatsbürgerschaft, der als unschuldig Verurteilter galt, so sterben musste. Und er bleibt ja nicht der letzte politische Gefangene der Mullahs. (…) Das Verhältnis zum Iran wird durch die an Sharmahd vollstreckte Todesstrafe aus deutscher Sicht jedenfalls weit zurückgeworfen.“

„Märkische Oderzeitung“: „Mit der Tötung von Jamshid Sharmahd zeigt der Iran, dass er nicht nur gewillt ist, innenpolitisch Angst und Schrecken zu verbreiten – sondern auch die erst kürzlich verkündete Annäherung an den Westen zu riskieren. Weder die vorsichtige Politik gegenüber Teheran noch die härtere Gangart unter Baerbock hat sich jedenfalls für die deutsch-iranischen Beziehungen ausgezahlt. Für die Deutschen, die in iranischen Gefängnissen sitzen, lässt das Schlimmes befürchten.“

„Neue Osnabrücker Zeitung“: „Der Kanzler gibt sich ‚entsetzt‘, der iranische Botschafter wurde einbestellt, der deutsche Botschafter hat in Teheran ‚auf das Schärfste gegen die Ermordung protestiert‘ und auf der internationalen Bühne überschlagen sich Kanzleramt und Auswärtiges Amt in der Verurteilung der Hinrichtung. War es das jetzt? Die ehrliche Antwort: Wahrscheinlich ja. Denn viel mehr Optionen bleiben der Bundesregierung nicht. Militärische Reaktionen sind ausgeschlossen. Das Atomabkommen, lange ein Hebel für politische Verhandlungen, liegt seit der Kündigung durch Donald Trump faktisch auf Eis. Blieben noch schärfere Wirtschaftssanktionen, doch das bereits lächerlich kleine Handelsvolumen beider Länder umfasst gerade mal knapp über eine Milliarde Euro.“

Bundesregierung fehlt beim Iran die politische Strategie

„Süddeutsche Zeitung“: „Eine Regierung, die keine Sprache findet, die gegen einen Mord ihres eigenen Bürgers nur protestiert, die findet auch keine politische Strategie. Wie soll man in Teheran die Bundesregierung ernst nehmen, wenn auf Sharmahds Tod nichts weiter folgt als Protest? Eine Regierung, die von der Hamas als Terrororganisation spricht, die mit deren iranischen Freunden aber nach wie vor Handel treibt; die sich regelmäßig besorgt äußert, was die Menschenrechtslage in Iran betrifft, wo 2023 mehr als 800 Hinrichtungen stattgefunden haben, aber trotzdem noch daran glaubt, dass stille Diplomatie etwas bringt. Außenpolitik wird zum großen Teil mit Sprache gemacht. Wer ‚gegen die Ermordung protestiert‘, ohne zu merken, wie schwach sich das anhört, der hat aufgegeben.“

„Frankfurter Rundschau“: „Ungerechtigkeit macht wütend und wenn sie einen Menschen das Leben kostet, dann bleibt ein Gefühl der Ohnmacht. Das iranische Regime hat einen Menschen mehr auf dem Gewissen: Es hat den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmad umgebracht, den es zuvor entführt und jahrelang gefangen gehalten hat, ohne fairen Prozess, ohne vernünftige rechtliche Vertretung – ohne eine Chance. (…) Die Bundesregierung steht erneut vor dem Dilemma, wie sie mit einem Land umgehen soll, das seine Bevölkerung malträtiert und durch Terrorfinanzierung der Hamas in Gaza, der Hisbollah im Libanon und der Huthis im Jemen die ganze Region in Atem hält.“

Iran HIngerichteter 19.10

„Rhein-Zeitung“: „Die Hinrichtung kommt zu einer Zeit, in der sich der Iran in direkter Konfrontation mit Israel befindet – und Deutschland fest an der Seite Israels steht. Die Bundesregierung hat zudem vor wenigen Monaten das Islamische Zentrum Hamburg verboten, den Verein, der die Blaue Moschee betrieben hat, und als ‚Instrument der iranischen Staatsführung‘ galt. Deutschland wird also zunehmend zum Angriffsziel und muss einen Weg finden, sich besser zu wehren. Das bedeutet, außenpolitisch wieder mehr Stärke zu zeigen – auch damit deutsche Staatsbürger besser geschützt sind. Das ist nicht zu viel verlangt von einem der mächtigsten Industriestaaten der Welt.“