Kurz vor einer Organspende bemerken Ärzte, dass ihr für hirntot erklärter Patient noch lebt. Trotzdem sollen ihre Vorgesetzten versucht haben, den Eingriff durchzusetzen.

Thomas Hoover ist nach einer Drogenüberdosis in ein Krankenhaus im US-Bundesstaat Kentucky eingeliefert worden. Medienberichten zufolge hatte Hoover einen Herzstillstand erlitten, die Ärzte im Baptist Health Hospital in Richmond hätten ihn kurz darauf für hirntot erklärt. Sie hätten seiner Schwester Donna Rhorer mitgeteilt, dass Hoover keine Reflexe und keine Hirnaktivität mehr zeige. Einen Tag später hätten Rhorer und die Familie entschieden, die lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen.

Zu diesem Zeitpunkt erfuhren sie, dass Hoover als Organspender registriert war, wie die Nachrichtenseite WKYT berichtete. In den darauffolgenden zwei Tagen seien verschiedene Tests zum Zustand seiner Organe durchgeführt worden. STERN PAID 17 21 Claras zwei Herzen 15.38

Kurz vor der Organspende: Patient schlägt angeblich um sich und weint

Bevor Hoover in den Operationssaal gerollt wurde, gab es für ihn einen „honor walk“. Um den Organspendern die gebührende Anerkennung zu zeigen, ist es in amerikanischen Krankenhäusern Brauch, den Patienten damit zu ehren. Dabei bilden Freunde, Familie und Krankenhausmitarbeiter ein Spalier, um den Patienten auf dem Weg zum Operationssaal zu verabschieden und ihm zu danken.

Dabei habe Rhorer etwas Unglaubliches beobachtet: Ihr Bruder die Augen geöffnet. „Seine Augen verfolgten uns“, sagte sie zu WKYT. Die Ärzte hätten ihr allerdings versichert, dass es sich nur um Zuckungen handle, die typisch für Hirntote seien.

Hoover sei wie geplant in den OP-Saal gebracht worden. Dort habe Natasha Miller, Verantwortliche für Organspenden, bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Obwohl der Spender für tot erklärt worden war, sei er ihr sehr lebendig vorgekommen. „Er bewegte sich – er schlug um sich“, sagte Miller in einem Interview mit dem Radiosender „NPR“. „Und als wir zu ihm rübergingen, konnte man sehen, dass ihm Tränen herunterliefen. Er weinte sichtlich.“

Zuständiger Chirurg „will damit nichts zu tun haben“

Hoovers Zustand habe für Unruhe im Operationssaal gesorgt. Die Ärzte hätten sich geweigert, die Organentnahme durchzuführen. „Der Chirurg, der die Entnahme durchführte, sagte: ‚Ich bin raus. Ich will damit nichts zu tun haben'“, so Miller. „Es war sehr chaotisch. Alle waren sehr aufgeregt.“ Das Krankenhauspersonal soll daraufhin die Vorgesetzten angerufen haben, die wiederum Druck ausgeübt hätten, die Organspende zu stoppen, behauptet Miller. Die Organentnahme wurde schließlich abgebrochen – und Hoover lebendig aus dem Krankenhaus entlassen. 

Obwohl sich der Vorfall bereits im Oktober 2021 ereignete, erfuhren die Geschwister erst drei Jahre später die genauen Einzelheiten. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Krankenhauses habe sie kontaktiert. Seit September sollen Zeugen in dem Fall aussagen, berichtet „WKYT“. Das Büro des Generalstaatsanwalts von Kentucky bestätigte, dass derzeit Ermittlungen laufen. Die für Organspenden zuständige Organisation Kentucky Organ Donor Affiliates (KODA) wies die Vorwürfe zurück und erklärte dem Radiosender NPR: „KODA entnimmt keine Organe von lebenden Patienten. KODA hat seine Teammitglieder nie dazu gedrängt.“ Tiktok Hoover Gehen

Doch das glaubt Rhorer nicht: „Sie versuchen, Gott zu spielen. Sie wählen fast willkürlich aus – sie nehmen diese Person, um diese Menschen zu retten. Und dabei verliert man ein wenig den Glauben an die Menschheit.“ Ihr Bruder lebe seit seiner Entlassung bei ihr und habe Schwierigkeiten beim Gehen und Sprechen.

Hirntod wird in Deutschland akribisch getestet

Dass ein Patient wie im mutmaßlichen Fall in Kentucky fälschlicherweise für hirntot erklärt wird, ist kaum vorstellbar. „Für die Diagnose des Hirntods muss ein tiefes Koma vorliegen, das durch Bewusstlosigkeit ohne Augenöffnung und durch das Fehlen von Abwehrreaktionen auf geeignete Schmerzreize gekennzeichnet ist“, heißt es auf der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betriebenen offiziellen Informationsseite. Ein Koma ist aber keineswegs mit dem Hirntod gleichzusetzen. Dieser ist auch in Deutschland die Voraussetzung für eine Organentnahme. Um den Hirntod zu diagnostizieren, führen Ärzte eine Reihe akribischer Tests durch. Unter anderem muss nachgewiesen werden, dass keine Hirnstamm- und Pupillenreflexe mehr vorhanden sind. Außerdem muss der Hirntod als irreversibel gelten. Das bedeutet: Entweder wird die Prozedur nach einer Wartezeit von 12 bis 72 Stunden wiederholt oder es werden zusätzliche Tests durchgeführt – oder beides. Herzgeschichte-Multimedia OHNE CSS

Grundsätzlich müssen Menschen in Deutschland einer Organspende nach ihrem Tod zu Lebzeiten explizit zustimmen. Dies ist über einen Organspendeausweis (hier kostenlos bestellbar) oder eine Patientenverfügung möglich. Hat der Verstorbene keine Entscheidung getroffen, obliegt diese den Angehörigen.

Quellen: WKYT„, „NPR„. „organspende-info

Hinweis: Dieser Artikel wurde um Informationen zum Thema Organspende ergänzt.