Vor zehn Jahren wurden Tausende jesidische Frauen im Nordirak von Terroristen versklavt, ihre Männer ermordet. Nun macht Schleswig-Holstein einen Vorstoß. Und findet Unterstützung beim Vizekanzler.

Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) macht sich für die Aufnahme von Jesidinnen und Jesiden stark. Seit zehn Jahren stünden diese im Fokus der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), sagte Touré der Deutschen Presse-Agentur. „Sie werden systematisch vertrieben, verfolgt, versklavt und getötet. Auch heute ist es besonders für diese Bevölkerungsgruppe im Irak weiter unsicher.“

Sie habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) um Unterstützung für eine Landesaufnahmeanordnung für die nachweislich bis zum 16. Oktober in Schleswig-Holstein lebenden Jesidinnen und Jesiden gebeten, sagte Touré. „Darüber hinaus werden wir auch auf das Bundesinnenministerium zugehen, denn wir wollen auch einen zeitlich befristeten Abschiebestopp erwirken. Beides können wir als Land nur mit Zustimmung des Bundesinnenministeriums tun.“

Am Donnerstag befasst sich der Landtag mit dem Thema. Ursprünglich hatten SPD und SSW das Thema auf die Tagesordnung gesetzt und ein Landesaufnahmeprogramm gefordert. Die Koalition griff dies auf und legte einen Alternativantrag vor.

Vizekanzler unterstützt Vorstoß

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte der dpa, „bei aller Diskussionen über Steuerung und Begrenzung von illegaler Migration: Wir müssen in der Migrationspolitik den Kompass für Menschlichkeit behalten“. Seit Jahren verübe der IS an Jesidinnen und Jesiden einen systematischen Völkermord. „Diejenigen, denen die Flucht nach Deutschland gelungen ist, benötigen unsere feste Schutzzusage.“

„Deshalb unterstütze ich das schwarz-grüne Vorhaben in Schleswig-Holstein für eine Landesaufnahmeanordnung für Jesidinnen und Jesiden ausdrücklich“, sagte Habeck. Es sei wichtig, für diese Menschen, denen in der Heimat schwerste Verfolgungen bis hin zum Tode drohten, hier einen sicheren Aufenthaltsstatus zu gewährleisten.

Aufnahmeprogramm

Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatten im August 2014 im Nordirak mehr als 10.000 Jesiden im Sindschar-Gebirge eingekesselt. Tausende Frauen und Kinder der religiösen Minderheit waren gefangen genommen und versklavt worden, Tausende Männer wurden getötet. 

Daraufhin hatte Baden-Württemberg 2015 ein Aufnahmeprogramm für besonders Schutzbedürftige aus dem Nordirak gestartet und darüber insgesamt mehr als 1.000 von IS-Terroristen bedrohte jesidische Frauen und Kinder in den Südwesten geholt. Auch Niedersachsen und Schleswig-Holstein nahmen eine kleine Zahl von Opfern auf.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte nach der Vertreibungswelle 2014 eine Gruppenverfolgung angenommen. Nach der weitgehenden Niederlage des IS unter Verlust seiner Territorien Ende 2017 besteht diese Bewertung nach Angaben des Integrationsministeriums aktuell nicht mehr. 

Jeder irakische Staatsangehörige, auch jesidischen Glaubens, müsse aktuell individuelle Verfolgung vortragen, um Schutz zu erhalten. Diese Einzelfallprüfungen würden mit einer Aufnahmeanordnung entfallen.