Wer reinkam, war drin und fühlte sich wichtig: In den Hamptons, der eher weißen Millionärs-Enklave auf Long Island, ließ der Rap-Mogul die Puppen tanzen.

„White Party“. Das konnte man auch anders verstehen, jedenfalls in der Straßengegend von Harlem, wo P. Diddy damals noch als Puff Daddy groß wurde. Redete da jemand von „White Party“, war eine Feier in irgendeinem Keller oder Hinterhof gemeint, bei der es für alle Nasen genug Kokain gab. Mag auch sein, dass der Rap-Mogul Sean Combs das lächelnd im Hintersinn hatte, als er im September 1998 in seinem Haus auf den Hamptons, der sehr reichen und eigentlich sehr weißen Landhausgegend auf Long Island bei New York, zu seiner ersten „White Party“ einlud.

Aber vielleicht auch nicht, denn Puff Daddy kam aus einer Welt, in der Drogen zum Alltag gehörten und deshalb eigentlich nicht erwähnenswert waren, schon gar nicht als Party-Motto in den Hamptons. Seine Idee, Partys ganz in weiß zu verordnen, war einerseits viel bourgeoiser, weil die reichen und berühmten Gäste sich auserwählt fühlen sollten. 

Puff Daddy war zu lärmend und neureich

Andererseits war er ein Meister darin, die Verkleidung zu verklären, wenn er sagte, die Idee sei „jedem sein Image zu nehmen und uns alle in dieselbe Hautfarbe und auf dieselbe Ebene zu bringen“. Es ginge ihm um „Abbau von Rassenschranken und Abbau von Generationenschranken.“ Mit den Generationsschranken ist das so eine Sache, denn Diddy ist heute angeklagt auch minderjährige Frauen vergewaltigt zu haben.

PAID P. Diddy Die Party ist vorbei 15.13

Die anderen Hampton-Bewohner, hieß es, waren zunächst nicht begeistert. Sie versuchten sogar, die Sause zu verhindern, weil ihnen dieser Puff Daddy zu lärmend und zu neureich war und ihre stille Millionärs-Idylle störte. Außerdem war ihnen schon sein Haus am Hedges Banks Drive Nr.40, das er im selben Jahr für 2,4 Millionen Dollar von einem japanischen Baulöwen gekauft hatte, nicht classy genug. Es war eine neureiche, schneeweiße Stahl- und Glas-Architektur mit riesigen Kronleuchtern auf der Terrasse, mit Pool und Zugang zum Strand. Mit dem Hamptons-Style, wie F. Scott Fitzgerald in „Der große Gatsby“ die Häuser und auch die Partys der zwanziger Jahre beschrieb, hatte dieser Rap-Verkäufer nichts zu tun. Wollte es aber. 

King of Ghetto und King of Business

Denn Puffy lud ein um dazuzugehören. Zum Establishment. Und um seinen Jungs aus Harlem zu zeigen, wie das Oben-Dazugehören geht. Ihr Geld, die Dollars aus den Händen schwarzer Amerikaner, wurde gerade dank ihm zum neuen heißen Scheiß am Markt. Sie kauften seine Platten und CDs, sie kauften die Hosen und Hoodies seiner gerade gegründeten Marke „Sean John“, und sie machten alles, was er ihnen sagte. 

Ein paar Jungs aus Harlem und Leonardo DiCaprio, dank „Titanic“ frischgebackener Weltstar, feiern im September 1998 mit Puff Daddy (2.v.l.) in dessen Haus in East Hampton

Puff Daddy war der erste Mogul-Influencer, bevor jemand das Wort kannte. Er wollte aufsteigen, nicht bloß King of Ghetto, sondern King of Business, black und white. So kamen 200 Gäste, „ich hatte die verrückteste Mischung: einige meiner Jungs aus Harlem und Leonardo DiCaprio, nachdem er gerade `Titanic´ gedreht hatte. Ich hatte Prominente da und Verwandte aus dem Süden. Es saßen 200 Leute hier draußen und machten einfach ein großes Grillfest“, erzählte er später. 

„Die heißeste Party der Welt“

Dass manche seiner Jungs aus Harlem in irgendwelchen Ecken auch die andere Art „White Party“ praktizierten, mag man sich vorstellen, ist aber nicht überliefert. Vielleicht auch, weil man Gästen wie Martha Stewart, Donna Karan oder Paris Hilton nicht vorführen wollte, wie das Ghetto feiert, wenn es unter sich ist. Das kam später.

Im Lauf der nächsten Jahre wurden die „White Partys“ von Puff Daddys, der sich ab 2001 in P. Diddy umbenannte, zu einer Art legendären Hotspots der US Entertainment-Branche. Das „Forbes“-Magazin nannte es „die heißeste Party der Welt“, und hier muss man das Wort „Party“ noch besser erklären. 

P. Diddy Wayne Rooney Auktion 13:27

Seit den späten 70er Jahren in denen das New Yorker „Studio 54“ aus Disco-Nächten ausufernde Happenings machte, bei denen Bianca Jagger auf einem weißen Pferd hereinritt oder Grace Jones auf einem Motorrad und wirklich jeder, der sich für berühmt hielt, dabei sein wollte, gab es diese Art von gut komponierter Nightlife-Dekadenz kaum noch. 

„Ghettofabulous“: die Straße salonfähig machen

Es war demokratischer geworden, die Clubs und Discos New Yorks wurden durchlässiger, Türsteher waren bestechlich und eine immer aggressiver werdende Paparazzi-Szene fotografierte gnadenlos was eigentlich privat bleiben sollte. Die wirklich Reichen und Berühmten waren nicht mehr so unter sich, wie sie es kannten. Ganz unter sich wollten sie auch gar nicht sein, es hatte wie im „Studio 54“ schon seinen Thrill neben einem halbnackten schwulen Feuerwehrmann zu tanzen, aber der sollte doch bitte ausgesucht sein.

Feiern in der Partyblase: Eine Frau im Gummi als besonderes Accessoire am 2. September 2007

So kam 1998 Sean Combs mit seinen „White Partys“ wieder ins Spiel. Das war eigentlich sein Metier. Schon während seines kurzen Studiums an der Howard University in Washington war er berühmt für seine Partys mit über tausend Studenten. Später bei seinem ersten Job in der Plattenfirma „Uptown Records“ lernte er, was das Wort „ghettofabulous“ bedeutete, nämlich die Straße salonfähig zu machen – mit Mode, mit Musik, mit dicken Autos, mit Champagner und das alles mit einer Bedeutung aufzuladen, dass auch die alten Reichen, das weiße Establishment, dabei sein will. Denn der Hip-Hop und sein ganzer Lifestyle schien zum neuen Motor der Warengesellschaft zu werden.

Mit Schwarzen rumhängen und damit cool aussehen

Die Reporterin Amy DuBois Barnett zitierte jetzt im „Hollywood Reporter“ einen früheren schwarzen CEO einer Plattenfirma mit den Worten: „Wir waren Teil eines Systems talentierter junger Musikmanager, die noch nie in ihrem Leben so viel Geld verdient hatten. Puff führte uns in einen neuen Lebensstil ein. Er zeigte uns, wie die nächste Ebene aussieht. Und da waren wichtige Manager, die nicht schwarz waren, die unbedingt neben uns sein wollten, weil wir der heiße Scheiß waren.“

Rob Shutter, früher der Sprecher von Diddy, sagte „die Agenten von sehr wichtigen Kreativen riefen uns an, weil sie ihre Kunden unbedingt zu den Partys bekommen wollten. Alle die diese Leute konnten da mit Schwarzen rumhängen und sahen damit sehr cool aus.“ 

Diese Anziehungskraft und die Aussicht, als weißer Schauspieler, Musiker, Künstler, Sportler, Designer oder auch Politiker für ein Publikum von zigmillionen Afroamerikanern attraktiver zu werden, erklärt die beeindruckende Prominenz auf Diddys Partys. „Wenn du nicht dabei warst, warst du kulturell nicht relevant“, schreibt DuBois Barnett im „Hollywood Reporter“. 

Sogar Donald Trump ließ mal einfliegen

Deshalb wollten alle dabei sein, von Bruce Willis über Ashton Kutcher, Mariah Carey, Paris Hilton, Leonardo DiCaprio, Sarah Jessica Parker, Mel B., Donna Karan, Martha Stewart, natürlich die Kardashians, Pamela Anderson, Howard Stern, Diddys zeitweise Freundin Jennifer Lopez. Selbst Donald Trump ließ sich einmal, als er noch nicht Präsident, sondern nur ein lauter Milliardär war, zu einer Diddy-Feier einfliegen.

P. Diddy Justin Bieber 11.30

Ob es wirklich immer sehr fröhliche Feiern waren, oder eher sogenannte Show ups, Pflichttermine, bei denen man gesehen werden wollte oder musste, sei dahingestellt. Sieht man sich heute Fotos davon an, lässt sich in machen Gesichtern eine leichte Gezwungenheit oder ein Unwohlsein angesichts der im Lauf der Jahre ansteigenden Dekadenz vermuten. 

Denn das wurde es, immer dekadenter. So war Champagner das Grundgetränk, mal von wenig bekleideten jungen Frauen ausgeschenkt, mal herumgespritzt oder halbnackt im Pool anderen eingeflößt. Am Buffet die üblichen bourgeoisen Hummer oder Kaviar, serviert auf Körpern halbnackter Models, zum Dessert marihuanagefüllte Brownies, und alles von einem Top-DJ mit dröhnenden Hip-Hop-Beats bespielt. Parallel zur Dekadenz stieg dann auch die Exklusivität, die Tür war die strengste und teuerste der Welt.

Wer Beige oder Ecru trug, durfte nicht rein

Es reichte nicht, nur eine Einladung zu haben, entscheidend war die harte Regel des Aussehens, teuer und weiß. „Wir arbeiteten tagelang an unseren Outfits für eine Puffy-Party, weil wir perfekt aussehen mussten. Es ging nur mit Gucci, Louis Vuitton, Christian Dior, Fendi, Louboutin oder Blahnik. Die White Partys brachten es auf die nächste Ebene, denn wer es wagte, Beige oder Ecru zu tragen, durfte nicht hinein“, so DuBois Barnett, die öfter auf diesen Partys war. 

Der König bin ich: P. Diddy hält Hof in East Hampton im September 2007 mit seiner Freundin Kim Porter und ihren Zwillingstöchtern D’Lila Star und Jessie James

Es ging sogar so weit, dass Männer sauber rasiert sein sollten, und von Frauen gestyltes Haar, Waxing, perfekte Mani- und Pediküre erwartet wurde. Diddys harte Grenzkontrolle hatte kein Problem damit, jeden, egal wie mächtig, nach Hause zu schicken, wenn so etwas nicht stimmte: „Go big or go home“. 

Diddy zog später mit der „White Party“ auch nach Los Angeles, Miami, Marokko und einmal in Europa nach Saint Tropez und Ibiza. Der „Hollywood Reporter“ schätzte die Kosten dieser Events auf jeweils eine Million Dollar, die, so Insider Diddy aber nie selbst bezahlte, sondern von Sponsoren wie seiner eigenen Wodka-Marke Ciroc finanzieren ließ. 

Die letzte „White Party“ stieg 2009 – am Unabhängigkeitstag

Die letzte seiner White-Feiern gab es am 4. Juli 2009 in Beverly Hills, am Unabhängigkeitstag, zu der Diddy mit Ashton Kutcher und seiner damaligen Frau Demi Moore einlud. Es war zur Hälfte die übliche Diddy-Sause, zur anderen Hälfte ein Wohltätigkeits-Event für die Initiative „Malaria No More“.

Cool am Pool: P. Diddys Gäste lassen es sich gut gehen im Anwesen ihres Gastgebers

Inwieweit es bei diesen berühmten Feiern im Verborgenen, in Hinterzimmern oder lange nach Partyende zu den Exzessen mit Drogen, erzwungenem Sex, Vergewaltigungen und Menschenhandel mit Prostituierten kam, und wieviel die anwesende Prominenz davon mitbekam oder mitbekommen musste, bleibt unklar. 

Die Autorin des „Hollywood Reporter“ beschreibt aber eine interessante Stimmung: „Auf den frühen Partys herrschte ein Gefühl der Freiheit. Vielleicht weil es so schwer war, reinzukommen, fühlten sich die meisten von uns so naiv und sicher, als wären wir in einem engen Kreis des Vertrauens, wo wir unsere Vorsicht fallen lassen, auf Tischen tanzen und bis zum Morgengrauen Tequila trinken könnten. Wir waren in einem `sicheren Raum`, der sich nun als völlig unsicher herausstellte.“ Es ist der Effekt aller engen Kreise und geschlossenen Gesellschaften, die glauben, die Gesetze vor der Tür würden für sie nicht gelten, solange die Tür zu bleibt und man unter sich sei.

„Nein, das ist dann eine andere Party“

Genau danach sehen Diddys frühen Events aus. Er konnte und wollte das trennen. Einmal von der Talkmasterin Elle DeGeneres befragt, dass seine Feiern immer erst um Mitternacht beginnen würden, verneinte Diddy das lachend, „nein, das ist dann eine andere Party“. Von seinen weißen Events ist überliefert, dass Diddy beinahe Jugendschutz-Ansprachen hielt, wenn er irgendwann in mittlerer Nacht sagte: „Die Kinder haben noch eine Stunde, weil diese Sache sich in etwas verwandelt, zu dem ihr alle kommen wollt, wenn ihr älter werdet. Also lasst uns einfach anfangen, in Schwung zu kommen. Bringt die Kinder weg. Alles ist gut.“ 

Sean „Diddy“ Combs Freunde 1630

Gut war das aber nicht immer. Als Anfang 90er der damals 14-jährige Hip-Hop Musiker Usher bei Puff Daddy in New York wohnte, habe er „Dinge gesehen und erlebt, auf die ich in meinem Alter nicht vorbereitet war.“ Auf die Frage, ob er eines seiner Kinder zu solchen Diddy-Feiern lassen würde war die schnelle Antwort „verdammt, nein!“

Ob dieses große, millionenschwere Diddy-Unternehmen, das „Combs Enterprise“, sich in Wahrheit in zwei Welten aufteilte, offizielle „White Party“ und kriminelle „Freak-off“-Party mit Drogenorgien, Gewalt und Vergewaltigungen und ob diese Welten ineinander übergingen und die anwesende Prominenz angestrengt wegsah, wird nun ein New Yorker Gericht zu klären versuchen.

P. Diddy konnte den Gangsta-Rap nicht bändigen

Dabei könnte eine Bobachtung eine Rolle spielen, die die Anklagen gegen P. Diddy nicht schmaler machen, aber erklären könnten, was man heraushört, wenn er spricht. Rechtfertigend, in Überschriften, in „ich bin doch der Größte“, es sind Slogans aber keine Sätze. Ihm, dem Sohn eines erschossenen Drogendealers aus Harlem, dem ein kometenhafter Aufstieg mit der weltweiten Kommerzialisierung der Hip-Hop-Kultur gelang, ist es misslungen, den Gangsta-Rap zu bändigen. 

Es ist ihm entglitten, auch, weil unter seiner Regie deutlich brutalere Drogendealer und Straßengangster zu Ruhm und Reichtum kamen, aber immer Gangster blieben. Man kann davon ausgehen, dass auch bei seinen „White Partys“ seine Jungs aus Harlem Pistolen in den Taschen hatten, und dass er bei Vergwaltigungen mitmachte, weil es zu seiner, wie man dort so sagt „street credibility“ gehört.

Die Autorin Amy DuBois Barnett erzählte, wie sie damals Puff Daddy auf einer Party in den Hamptons erlebte. Er tanzte, unterhielt sein Publikum wie ein Dirigent, er rief ihnen zu „fühlt euch wohl und sexy“, was er immer sagte. Nur wenige Jahre später ein anderer Diddy. Gelangweilt auf einer weißen Couch, mit glasigen Augen ins Nichts starrend, neben ihm seine damalige Freundin „Cassie“ Ventura, genauso abwesend, auch glasiger Blick. Man hatte nicht mehr das Gefühl, auf einer Diddy-Party zu sein.

„Du hast vor niemandem Respekt!“

Andre Harrell, der 2020 verstorbene Gründer von „Uptown Records“ und Entdecker des jungen Puff Daddy, sagte kurz vor seinem Tod: „Obwohl ich Puff als Praktikant eingestellt hatte, war er sofort im Spiel, aber es fühlte sich eher so an, als würde ich nur einem Hochgeschwindigkeitszug ausweichen, der unaufhaltsam auf seinem Weg zu seinem Ziel die Gleise entlangrast. Aber je schneller ein Zug fährt, desto leichter ist es, aus den Gleisen zu springen.“ Genau das ist passiert.

„American Gangster“: Denzel Washington als Drogenhändler Frank Lucas, der im wirklichen Leben der Boss von P. Diddys Vater war
© Mary Evans/Imago Images

In einem Interview mit der „Vogue“ sagte P. Diddy, dass er Denzel Washington für den größten Schauspieler überhaupt hält. Washington war in Mount Vernon, einem nördlichen New Yorker Stadtteil aufgewachsen, in dem auch der junge Sean Combs einige seine Jugendjahre verbrachte. Der Schauspieler hatte 2007 in dem Film „American Gangster“ den Drogenhändler Frank Lucas verkörpert, der im wirklichen Leben der Boss von Diddys Vater war. 

Gut möglich, dass die beiden sich mal in Mount Vernon auf der Straße trafen, „Hey Brother“ und so. 2003 lud Diddy ihn zu einer seiner Partys ein, keine seiner „White“-Events, irgendetwas anders. Washington kam, brachte seine Frau mit und blieb ein paar Stunden. Dann verließ er irgendwann den Ort, laut, türenknallend und rufend: „Du hast vor niemandem Respekt!“