In Luxemburg beginnt Thronübergabe: Großherzog Henri und Sohn Guillaume repräsentieren jetzt gemeinsam. 

Dafür, dass es nur unwesentlich mehr Einwohner als Stuttgart hat, macht Luxemburg ganz schön was her. Mit Jacques Santer und Jean-Claude Juncker prägten Politiker des zweitkleinsten Mitgliedstaates die Europäische Union deutlich. Bedeutende Persönlichkeiten der deutschen Medienöffentlichkeit, etwa Léa Linster, Désirée Nosbusch, Danièle Thoma oder Vicky Krieps, stammen aus dem Großherzogtum an der Mosel.

Papst Franziskus (m.) mit der Großherzogsfamilie von Luxemburg: Henri, Stéphanie, Joseph, Giullaume, Charles und Maria Theresia (von rechts)
© Belga

Moment, wieso eigentlich Großherzogtum? Luxemburg, das vergisst man gerne, ist eine von zwölf verbliebenen europäischen Monarchien. Die vier kleineren davon sind so winzig, dass sie zusammen das Staatsgebiet Luxemburgs nicht annähernd ausfüllen könnten. Doch währenddessen die interessierte Öffentlichkeit genau Bescheid weiß, wie die Gebrüder Windsor gerade zueinander stehen, mit welchen Methoden Königin Margarethe von Dänemark ihre Nikotinsucht besiegt hat, wie viele uneheliche Kinder der Fürst von Monaco gerade so hat, oder welche Sorgen Kronprinzessin Mette-Marrit von Norwegen mit ihrem gewaltbereiten Sohn plagen, gilt die Mosel-Monarchie in Royal Watcher-Kreisen als terra incognita.

In Luxemburg erfolgt Thronübergabe peu-a-peu

Seit 24 Jahren ist Großherzog Henri Staatsoberhaupt, was vielen Menschen in Europa vermutlich erst jetzt wieder ins Bewusstsein gerückt ist, da er bekannt gegeben hat, an Sohn Guillaume übergeben zu wollen. Fürs erste soll der 42-Jährige Erbgroßherzog als „Lieutenant-Représentant“ wirken, eine Art Vize seines 69-Jährigen Vaters und wurde am Dienstagnachmittag vom Parlament offiziell vereidigt. 

Wer sind diese diskreten Royals, die dem einzigen Großherzogtum der Welt vorstehen? Ein Grund für die auffällige Zurückhaltung dieses Herrscherhauses könnte jener sein, dass sie mit dem eigenen Reichtum sehr diskret umgehen. International sollen sie an Platz acht der vermögendsten Herrscherhäuser rangieren, in Europa nur Fürst Hans Adam II. von Liechtenstein, der Schwager Henris, mehr besitzen. Doch genau darum wird seit Jahren gestritten, Henris Privatvermögen wird mal auf 4,6 , mal auf 3,3 Milliarden Euro geschätzt. Der Großherzog selbst lässt diese Zahlen regelmäßig empört dementieren, von seiner Pressestelle als „mediales Hirngespinst“ und „pure Fantasie“ gegendarstellen.

Zu hohe Telefonkosten als leidlicher Skandal

Seit ein hochrangiger Steuerbeamter vor vier Jahren in einem Bericht die hohen Ausgaben des großherzoglichen Hofs angeprangert hatte, darunter über eine halbe Million Telefonkosten jährlich und eine nachlässige Trennung privater und staatlicher Güter, möchte man den eigenen Lebensstil so wenig wie möglich in der Öffentlichkeit dargestellt wissen. Zudem hatte die Weigerung des erzkatholischen Henri im Jahre 2008, ein Gesetz zur Ermöglichung der Tötung auf Verlangen zu unterschreiben, zur parlamentarischen Einschränkung seiner Rechte geführt. Er steht seit seiner Jugend der katholischen Laienbewegung Sant’Egidio nahe. 

Die großherzogliche Familie hat eine verworrene Abstammungsgeschichte. Man ist Herzog von Nassau, Prinz von Bourbon-Parma, Graf von Sayn, Königstein, Katzenelnbogen und Diez, Burggraf von Hammerstein, Herr von Mahlberg, Wiesbaden, Idstein, Merenberg, Limburg und Eppstein. Auf den Großteil dieser Titel verzichtet man diskret, klingt das alles doch viel deutscher als man es gerne haben möchte. 

Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung nennt das Großherzogtum ein „Zufallsprodukt der Geschichte“, als historischen Puffer zwischen „romanischen und des germanischen Kulturen“, in seiner Position als „das Gibraltar des Nordens gleichermaßen gefürchtet und begehrt.“ 

Junge Dynastie, die sich doch bewiesen hat

Die heutige Herrscherfamilie war erst 1890 aufgrund eines Familienvertrags auf den Thron gelangt, mit ihnen endete eine lange Ära von Fremdbestimmung durch übergriffige Nachbarn, wie Belgiern oder Preußen-Deutschland. Großherzog Adolphe wurde Stammvater jener noch heute regierenden Dynastie, sein Erbe Wilhelm IV. blieb ohne männliche Nachfolger, weshalb erst dessen Töchter, Großherzogin Marie-Adelheid und nach ihr Großherzogin Charlotte, auf den Thron folgten. Über Charlottes Ehemann Prinz Félix gelangte der Titel der Prinzen de Bourbon-Parma in die Linie, den die Großherzöge Jean, Henri und bald Guillaume seitdem im Namen tragen.

Henri hat die angestammte Dualität auf eine zeitgemäße Ebene gebracht. Man spricht wie fast alle Luxemburger vier bis fünf Sprachen, trägt neben den französischen Vornamen auch jeweils eine deutsche Version, also Johann, Heinrich und Wilhelm. Man ist multikulturell aufgestellt und für Zuwanderung aufgeschlossen – besonders wenn die Neubürger vermögend sind und zur Prosperität des Landes beitragen. In der Zeit der Regentschaft ist die Bevölkerung massiv angestiegen – von 440.000 zur Jahrtausendwende auf heute rund 660.000. Dass er selbst mit Maria Theresia Mestre Batista verheiratet ist, einer gebürtigen Kubanerin, deren Familie in die USA ausgewandert war, passt perfekt. Die beiden hatten einander beim Studium der Politikwissenschaften Ende der Siebziger in Genf kennengelernt.

Erbgroßherzog Guillaume ist seit 2012 mit der belgischen Gräfin Stéphanie de Lannoy verheiratet. Dass die beiden ein paar Jahre brauchten, um Kinder in die Welt zu setzen, lieferte den medialen Observateuren der Aristokratie immerhin ein Tuschelthema, man sei „verzweifelt“. Aber auch das hielt nicht lange, die Söhne Joseph und Charles folgten alsbald.

„Noch andere Interessen“ als die Monarchie

Wirklich neu ist eine mediale Offenheit, die Vater und Sohn an den Tag legen. Nicht unbedingt in Anwesenheit von Journalisten, die kritische Fragen stellen, sondern in Form eines höflich moderierten Bühnen-Podcasts. Der Großherzog und der Erbgroßherzog präsentierten sich darin wie zwei sehr vertrauenswürdige Vertreter, die es nicht dringend nötig hätten, ihre Ware an den Mann zu bringen. Man habe den Eindruck, dass die Monarchie in Luxemburg recht beliebt sei, es aber normal wäre, „dass es auch hier im Land republikanische Ideen gibt“, so Großherzog Henri. Man zeige sich gegenüber einem Referendum offen. „Wenn die Leute hier keine Monarchie mehr wollen, dann machen wir etwas Neues. Ich habe noch viele andere Interessen.“ Endlich klang mal etwas sexy, weil am Ende doch: wie eine Drohung.