In dem Verfahren in Hanau geht es auch um Volksverhetzung, Beleidigung und Hausfriedensbruch. Erneut bleibt der Angeklagte dem Prozess fern.

Der Vater des Hanauer Attentäters hat sich laut Polizeiberichten trotz eines gerichtlichen Verbots wiederholt dem Haus von Hinterbliebenen eines der Anschlagsopfer genähert. Vor allem Ende 2022 und Anfang 2023 gab es eine Reihe von Vorfällen, bei denen er sich entweder zu Fuß in Begleitung seines Schäferhundes oder auf dem Fahrrad dem Gebäude näherte, das nah an seinem eigenen Haus im Hanauer Stadtteil Kesselstadt liegt, wie aus Akten hervorgeht, die vor dem Amtsgericht verlesen wurden.

Dem 77-Jährigen werden unter anderem die Missachtung von Näherungsverboten zu Angehörigen der Anschlagsopfer, Volksverhetzung, Hausfriedensbruch, falsche Verdächtigung und Nötigung vorgeworfen. Auch am Freitag erschien der Angeklagte nicht vor Gericht.

„Gezielte Provokationen

Der Sohn des Mannes, ein 43-jähriger Deutscher, hatte am 19. Februar 2020 neun Menschen in Hanau aus rassistischen Motiven erschossen und anschließend seine Mutter und sich selbst getötet. 

Bei den am Freitag vor Gericht geschilderten Vorfällen handelte es sich nach Worten von Staatsanwalt Martin Links nicht um gewöhnliche Wege, die den Mann etwa beim Einkaufen zufällig am Haus der Hinterbliebenen vorbeigeführt hätten. Vielmehr seien es „gezielte Provokationen“, die sich in erster Linie gegen die Polizisten gerichtet hätten, die vor dem Haus aus Sicherheitsgründen mit einem Streifenwagen postiert waren. Von den Vorgängen in den Straßen hätten sie nicht immer etwas mitbekommen, da die Beamten den Mann meist erst vor dessen Haus gestellt hätten.

Bezug auf „rechtsgerichteten Terror“

Die in der Nähe des Angeklagten lebende Mutter eines der neun Opfer ist an dem Prozess als Nebenklägerin beteiligt. Sie erschien nicht vor Gericht, sondern ließ über ihren Anwalt eine Erklärung verlesen. Darin schilderte sie, dass der Mann, den sie bis dahin nicht persönlich gekannt habe, im Oktober 2022 plötzlich vor ihrem Küchenfenster aufgetaucht sei und sie gefragt habe, wieso sie nach Deutschland gekommen sei und wie sie sich ein solches Haus leisten könne. Außerdem habe der Mann Bezug auf „rechtsgerichteten Terror“ genommen, erklärte der Vertreter der Nebenklage.

Nach diesem und ähnlichen Fällen erwirkte die Mutter vor Gericht einen Schutz vor Nachstellungen. Dem Vater des Attentäters ist es verboten, sich dem Haus auf 30 Meter zu nähern und auch sonst keinerlei Kontakt aufzunehmen. Die Verstöße gegen diese Auflagen, die mit einer Geldstrafe von 250.000 Euro oder sechs Monaten Haft bestraft werden können, sind Teil des aktuell laufenden Verfahrens. Einen Großteil der Verstöße habe die Familie nicht mitbekommen, sagte der Vertreter der Nebenklage.

Richterin erkennt Nähe zu Sprache von Reichsbürgern

Aus den am Freitag verlesenen Gerichtsunterlagen geht zudem hervor, dass der 77-Jährige sein Haus als „Gedenkstätte“ für seinen Sohn betrachtet, den er als Opfer von nicht näher genannten Geheimdienstorganisationen sieht. Einige seiner Äußerungen – etwa die Rede von einem „stillen Putsch“ in Deutschland – erinnerten ein wenig an die Sprache von Reichsbürgern, sagte Richterin Clementine Englert, die auch Direktorin des Amtsgerichts ist.

Der 77-Jährige ist bereits zweifach vorbestraft und zu Geldstrafen in einer Gesamthöhe von 9.000 Euro verurteilt worden. Da er nicht zahlte, hatte die Staatsanwaltschaft das Geld durch Zwangsvollstreckung eingetrieben. 

Im weiteren Verlauf des Prozesses sollen noch eine psychiatrische Sachverständige und die Schwester des Angeklagten gehört werden.