Endlich: Nach fast 40 Jahren hat nun jemand einen Film über Element of Crime gedreht, die Band von Sven Regener und Co. Und Charly Hübner war genau der Richtige.

Als der Osten so gerade eben noch die DDR war und Charly Hübner ein Heranwachsender im Mecklenburgischen, ist er an eine Kassette aus dem Westen gekommen. Es handelte sich um „The Ballad of Jimmy & Johnny“ von Element of Crime, und einer der ersten Sätze, die Hübner vom Album auf seinem Walkman hörte, war: „Life is a pain in the ass“. Damit konnte der junge Charly etwas anfangen, das korrespondierte mit ihm und seinem Leben, dieser Satz blieb bei ihm. Und die Band auch, inzwischen mehr als dreieinhalb Jahrzehnte, obwohl es Hübner später selbst, so rein musikalisch, in deutlich härtere Klangwelten verschlug. Jetzt hat Hübner, als Schauspieler längst nationales Kulturgut, einen Film über Element of Crime gemacht. Die Band hatte ihn gefragt. Und so viel vorweg: War eine richtig gute Idee.

Eine Nachtspeicherheizung für die Seele

„Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ heißen die eineinhalb Stunden, die Hübner produziert hat, natürlich nach einem Song von Element of Crime, einem sehr typischen sogar. Schon allein der Titel: Nur im Berlin der 1980er konnte diese Band entstehen und groß werden, und ja, ihre Musik hat eine seltsam dunkle Färbung, irgendwie ist auf allen EoC-Alben gefühlt immer Ende November. Der Sänger, Texter, Trompeter, Songwriter Sven Regener sagt doch selbst, dass da stets eine „komische Kälte“ in der knarzigen, rauen Musik ist.

Aber dann wirft er seine Texte auf die Lieder und verpasst ihnen diese melancholischen, kryptisch-schönen Sätze, die kein anderer so kann in diesem Land. Sie heizen die Stücke und die Seele auf wie eine rumpelnde Nachtspeicherheizung. Und plötzlich verliert man sich in dieser Lyrik, die manchmal vom Leben in Berlin und meistens von der Liebe handelt und warum die so schön und so kompliziert ist.

Das erste Verdienst von Charly Hübner ist, dieses Element-of-Crime-Gefühl aufgefangen zu haben. Er begleitet die Band auf eine Art Sentimental Journey: Fünf Konzerte in fünf Nächten, an Orten in Berlin, die für die Bandgeschichte wichtig waren. Das Lido, das SO36, der Privatclub und der Admiralitätspalast, am Ende die Zitadelle Spandau – Kultstätten der Popkultur, denen die Band zum Teil längst entwachsen ist.

Richard Pappik von Element of Crime: „Ohne Musik wäre ich eine verdammt kranke Type“

Aber er zeigt auch Bilder aus der Vergangenheit. Verwackelte, körnige Aufnahmen von sehr jungen Männern, 1985 haben sich Element of Crime gefunden, da war Sven Regener 24. Er hatte schon in anderen Bands wie Zatopek, Tote Piloten oder Erste Liebe gespielt, „No Wave, no Jazz. Proben waren verboten“, sagt er im Film. „Aber ich habe da schon gemerkt: Ich möchte wahnsinnig gern schöne Lieder singen.“

Er fand die richtigen Leute dafür. Jakob Ilja zum Beispiel, eigentlich ein Krautrocker, mit dem er schon bei Erste Liebe zusammenspielte. Und später Richard Pappik, der vom Punk kam und von sich sagt: „Ohne Musik wäre ich eine verdammt kranke Type.“ Zusammen erlebten sie, sagt Pappik, zwischen 1985 und 1990 fünf „zauberhafte Jahre“, mit Platten auf Englisch, die von der Velvet-Underground-Legende John Cale in London produziert wurden und trotzdem nach Kreuzberg klangen. Das musste so.STErN PAID Udo Jürgens 09.24

Und deshalb ist es ja nicht nur ein Film über beinahe 40 Jahre Bandgeschichte. Es ist auch einer über die Stadt, in der sie stattgefunden hat. West-Berlin war eine eingemauerte Frontstadt in den 1980ern, eine kreative Insel ohne gedankliche Grenzen. Und als sich nach 1989 alles, alles änderte, nahmen auch Element of Crime die eine entscheidende Veränderung vor: Sven Regener hörte auf, die Texte auf Englisch zu verfassen und zu singen. „Damals hinterm Mond“ war verblüffend, anders, fantastisch. Im Film wird gar nicht der Wind um diesen Umstand gemacht, den er verdient hätte, weil er die Band geöffnet hat für eine andere Art von Zuhörern. Aber das wäre auch komisch.

Denn Charly Hübner hat einen ganz und gar unaufgeregten Film gemacht, er macht keinen Wind. Um gar nichts. Gibt ja Leute, die behaupten, dass Element of Crime seit 30 Jahren denselben Kram machen. Wenn schon, dann machen die Gründungsväter Regener, Ilja und Pappik seit 30 Jahren Kram, den es so nicht gab und nicht noch mal gibt, der Sound, die Poesie: Alles an dieser Band ist einzigartig.

Was aber stimmt: Es liegt eine Ruhe in der Musik, eine verlässliche Unaufgeregtheit, die unglaublich guttut in einer Welt, die durch Kriege und Rechtsrutsche irgendwie wegdriftet. Und genauso kann man, muss man „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ anschauen: In aller Ruhe und mit der Wohligkeit einer Welt, die 90 Minuten lang ein bisschen langsamer rotiert.