Die Grünen verlieren den gesamten Bundesvorstand ihrer Grünen Jugend. Der verzweifelt an der Ampel und will eine Bewegung initiieren, aus der eine neue linke Partei entstehen soll.

„Her mit dem guten Leben für alle!“: So lautet der Slogan von Katharina Stolla, bislang eine von zwei Bundessprecherinnen der Grünen Jugend auf ihrem X-Account. Da gute Leben sucht sie allerdings nicht mehr bei und mit den Grünen. Unter dem Label „Zeit für was Neues“ wollen nun zwölf Personen, darunter der gesamte aktuelle Bundesvorstand der Grünen Jugend, außerhalb der Grünen eine neue politische Bewegung aufbauen.

Ihr Papier, zu lesen auf der Website https://zeitfuerwasneues2024.de, startet mit einem Absatz, der sich liest wie die Analysen, warum so viele Jungwähler in Brandenburg bei der AfD ihr Kreuz gemacht haben: 
„Seit Jahren ist vor allem eines: Krise. Die Zukunft macht uns mehr Angst als Hoffnung. Das Aufstiegsversprechen gilt für unsere Generation nicht mehr. Immer mehr Menschen erleben, dass über ihre Köpfe hinweg Politik gemacht wird. Die Lebensmittelpreise steigen, die Mieten explodieren, harte Arbeit erfährt kaum noch Wertschätzung. Die AfD profitiert von diesem Frust.“Stolla Tweet

„Die Ampel ist eine bittere Enttäuschung“

Und dann Sätze, die die Grünen ins Mark treffen müsste: „Wir sind alle innerhalb der letzten zehn Jahren den Grünen beigetreten, weil wir dachten, sie könnten diese Kraft werden. Doch unsere Zweifel daran sind immer größer geworden.“ Und weiter: „Vor der letzten Bundestagswahl hofften viele Menschen auf einen Politikwechsel: mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Klimaschutz, Fortschritt. Doch die Ampel ist eine bittere Enttäuschung. Wirksame Kritik an der Regierung kommt nur von rechts.“ Um schließlich in den Hauptvorwurf zu münden: „Die Grünen sind nicht dazu bereit, sich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen.“STERN PAID 31_24 Lisa Paus 6:25

Ex-Vorstand der Grünen Jugend: „Lauter vermeintliche Sachzwänge“ 

Das sind Aussagen, die das ganze Dilemma der Grünen in der Ampel auf den Punkt bringen: Für ihre Haltung staatsbürgerlicher Verantwortung danken ihnen offenbar nicht nur die Wähler nicht, sondern auch Teile der eigenen Jugend wenden sich deshalb ab. Gerade Ricarda Lang, die gestern zusammen mit Omid Nouripour zurückgetretene Bundesvorsitzende der Grünen Partei, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Engagement der Grünen für die Sozialen Probleme voranzutreiben und sichtbar zu machen.

Das ist offenbar nicht einmal gegenüber der eigenen Jugendorganisation gelungen. „Wir glauben, dass die Grünen vor lauter vermeintlicher Sachzwänge aus dem Blick verlieren, welche Politik sie da eigentlich mittragen“, heißt es in der Erklärung des (ehemaligen) Vorstands der Grünen Jugend und seiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter.Grünen Spitze Rücktritt 10.27

Künast über Rücktritte: „Da weine ich nicht“

Die ersten Reaktion aus der Grünen Partei auf den Austritt sind eher unversöhnlich. Renate Künast, ehemalige Agrarminister und Fraktionschefin der Grünen, kommentierte den Austritt im Radiosender RBB mit den Worten: „Da wundere ich mich nicht und da weine ich auch nicht. Ich glaube, dass es viele junge Menschen in und um die Partei herum gibt, die sich jetzt vielleicht freier engagieren können bei den Grünen.“ 

Die aktuelle Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, sagte gegenüber dem Deutschlandfunk, sie hätte „geraten, dass diejenigen, die jetzt die Grüne Jugend verlassen, dass die bleiben und für eine andere Politik werben“. Dröge war selbst einmal Vorsitzende der Grünen Jugend, zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung. Es sei immer ein „stacheliger Jugendverband“ gewesen. Tatsächlich war auch der aktuelle Bundesvorstand der Grünen Jugend regelmäßig mit sehr fundamentalistischen Positionen aufgefallen.Kommentar Grüne 12.05

Natürlich kann Fraktionschefin Dröge sich wünschen, dass der ehemalige Bundesvorstand der Grünen Jungen weiter brav in der Partei bleibt. Doch deren Plan ist ein anderer: Die Gruppe wolle eine neue Bewegung zu gründen mit dem langfristigen Ziel, eine „starke linke Partei in Deutschland“ zu schaffen. „Eine Partei, die nicht so ist wie alle anderen.“ Die Frage ist, ob da neben BSW, Linkspartei und den vielen linken Kleinstparteien und der aktuellen Polarisierung auf allen Seiten tatsächlich noch Platz für so einen Aufbruch ist.