Von allem ein bisschen – so beschreiben Kritiker die neue Pflegeausbildung. Insbesondere der Wegfall einer vertieften Kompetenz für die Pflege kranker Kinder macht den Kliniken Sorgen.

Der große Wurf für eine attraktive Pflegeausbildung ist aus Sicht vieler Kritiker nicht gelungen. Mit einem Gesetz zur Reform der Pflegeberufe in Deutschland sollte der Fachkräftemangel bekämpft werden: Dafür wurden 2020 die Ausbildungsgänge Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege in einer generalistischen Ausbildung zum Pflegefachmann oder zur Pflegefachfrau zusammengeführt. Im letzten Drittel der dreijährigen Ausbildung können die Absolventen einen Schwerpunkt in Kinderkrankenpflege oder Altenpflege setzen. Im Südwesten gibt es an der Reform einige Kritik.

Denn das Ziel, damit möglichst viele Menschen zu gewinnen, um den zusätzlichen Bedarf an 24.000 Pflegefachkräften bis 2040 allein im Südwesten decken zu können, scheint nicht erreicht zu werden. Das Interesse an dem Beruf ist nach jüngst erhobenen Zahlen des Statistischen Landesamtes verhalten. Im vergangenen Jahr hätten rund 7.300 Menschen ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft begonnen. Das entspricht in etwa dem Niveau von vor der Reform. 

Ministerium zufrieden, Kliniken nicht

Das Gesundheitsministerium zieht zwar ein positives Fazit. Die „Kinderkrankheiten“ der Reform seien geheilt und das Ausbildungsniveau sei erhalten worden. Man müsse zudem bedenken, dass die generalistische Pflegeausbildung mit der Pandemie in einem sehr schwierigen Umfeld gestartet sei, betont das Ressort von Minister Manne Lucha (Grüne).

Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) aber bemängelt, dass den Kliniken nun die früher separat ausgebildeten Spezialisten für Kinder– und Altenpflege fehlten. Um die Versorgung zu sichern, müssten die Absolventen der generalistischen Pflegeausbildungen gezielt und intensiv nachgeschult werden.

Zu viel Bürokratie 

Eine weitere Schwäche der gesetzlichen Neuordnung sei die ausufernde Bürokratie, sagt die Mannheimer Akademie für soziale Berufe. Viele Betriebe hätten sich deshalb aus der Ausbildung verabschiedet. „Um den Beruf der Pflegefachperson wieder attraktiver zu machen, braucht es weniger Bürokratie während der Ausbildung und mehr Kompetenzen im späteren Berufsleben“, heißt es aus der Ausbildungseinrichtung.

Die Wahlfreiheit – also sich im letzten Ausbildungsdrittel zu spezialisieren – wurde zumindest im ersten Jahrgang seit der Reform von den Auszubildenden so gut wie gar nicht genutzt. Nur jeweils rund 50 der rund 6.500 Männer und Frauen, die im Jahr 2020 die Ausbildung erstmals unter den neuen Voraussetzungen begonnen hatten, entschieden sich für einen Abschluss in den Vertiefungsfächern. 

Kinderkrankenschwester Auslaufmodell, Altenpflege unbeliebt

Ein Dorn im Auge ist den Kliniken insbesondere der Wegfall des Berufs der Kinderkrankenschwester. „Ein Nachteil ist, dass die speziellen Inhalte der Kinderkrankenpflege inhaltlich etwas weniger intensiv vermittelt werden“, meint Jan Steffen Jürgensen, Vorstand im Klinikum Stuttgart. 

Die Heilbronner SLK-Kliniken registrieren einen deutlichen Bewerberrückgang für die Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann mit Vertiefungsrichtung Pädiatrie. Bei einer generalistisch ausgebildeten Pflegefachperson betrage die praktische Ausbildung im Bereich der Pädiatrie lediglich 120 Stunden. Dem Verlust an Fachkenntnissen wollen die SLK-Kliniken mit einem eigenen Weiterbildungsprogramm entgegenwirken. Die Initiative „Fit für Pädiatrie – Exzellente Pflege für kleine Helden“ richtet sich an generalistisch ausgebildete Pflegefachkräfte aus der Kinderkrankenpflege. Die Teilnehmer erhalten bis zu 360 Stunden Weiterbildung.

Auch einige Altenpflegeeinrichtungen kommen laut BWKG mit der Reform nicht klar. Ihre Auszubildenden wollten nicht in der Altenpflege bleiben, sondern lieber im Krankenhaus arbeiten.

Positiv für die Absolventen ist, in den verschiedenen Bereichen mit einem qualifizierten Abschluss arbeiten zu können. Die jungen Männer und Frauen profitieren auch von der einfacheren Vergleichbarkeit und Anerkennung ihres Abschlusses in Europa.