Bei „Caren Miosga“ gehörte die Bühne dem Bundespräsidenten a.D. Joachim Gauck. Mit Blick auf die AfD fand er klare Worte. Von einer „Nazi-Partei“ wollte er jedoch nicht sprechen.

Am Sonntagabend nach der Landtagswahl in Brandenburg hat Caren Miosga mit dem ehemaligen Bundespräsidenten die Frage diskutiert: „Was wird aus Deutschland, Herr Gauck?“ Bevor es um die Zukunft ging, nutze die Moderatorin aber erst einmal die Gelegenheit, um den gebürtigen Rostocker auf zwei seiner bekanntesten Zitate aus der Vergangenheit anzusprechen.

Zu Gast bei „Caren Miosga“ waren:

Joachim Gauck, Bundespräsident außer DienstJulia Reuschenbach, PolitikwissenschaftlerinSteffen Mau, Soziologe

„Es gibt ein helles Deutschland, das sich hier leuchtend darstellt gegenüber dem Dunkeldeutschland, das wir empfinden, wenn wir von Attacken auf Asylbewerberunterkünfte oder gar fremdenfeindlichen Aktionen gegen Menschen hören“, hatte Gauck in seiner Rolle als Bundespräsident 2015 gesagt.

Ob er sich angesichts der vielen AfD-Wähler im Osten in seinem Begriff „Dunkeldeutschland“ bestätigt fühle, wollte Miosga von Gauck wissen. Der stellte klar, dass er mit „Dunkeldeutschland“ nie Ostdeutschland gemeint habe. „Das ist eine Lüge, die eifrig verbreitet wird von Rechtsaußen und Linksaußen“, so der Bundespräsident a.D..Blitzanalyse Brandenburg 19.06

Viel eher meine er mit „dunklem Deutschland“ diejenigen, die auf Fremde und alles, was sie verunsichert, mit Hass und Ressentiments reagierten und nicht mal vor Mord zurückschreckten. Im Gegensatz dazu stünden die Menschen, die auf die Menschenwürde achteten. „Davon haben wir eine Mehrheit“, betonte Gauck und stellte klar: „Das hat mit Ost und West nix zu tun.“

Caren Miosga fühlt Gauck auf den Zahn

Mit Blick auf Deutschlands Asylpolitik, die auch im Wahlkampf in Brandenburg zu den Kernthemen gehörte, erinnerte Miosga an ein weiteres Gauck Zitat aus dem Jahr 2015: „Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten, sie sind endlich“, hatte er damals im Zusammenhang mit dem großen Flüchtlingszustrom gesagt.

Ob er das heute anders formulieren würde, wollte Miosga von dem 84-Jährigen wissen und hakte konkret nach, ob Gauck womöglich sagen würde: „Wir sind da jetzt angelangt am Ende unsere Möglichkeiten.“ Die Antwort des Theologen fiel deutlich aus: „Nein, das sind wir selbstverständlich nicht“, erklärte er und ergänzte: „Gefühlt sind wir dort angelangt.“

Es sei der Zeitpunkt gekommen, an dem die Politik mehr auf Landräte und Bürgermeister hören müsse – diejenigen, die mit den realen Problemen der Asylpolitik zu tun haben, führte Gauck aus. Darüber hinaus stellte er klar, er habe 2015 nicht beabsichtigt Wasser auf die Mühlen derjenigen zu geben, die ausländerfeindlich sind.

Stattdessen habe er bewirken wollen, dass die Debatte über Probleme der Asylpolitik nicht nur am Stammtisch oder am rechten Rand geführt werden, sondern in der Mitte der Gesellschaft.

Gauck will mehr „Sympathieträger“ als Demokratie-Botschafter

Neben dem Kurztrip zu den Anfängen der Asylkrise lieferte Gauck bei Miosga auch eine Bestandsaufnahme der aktuellen Lage. Mit Blick auf die Asylpolitik sah Gauck dabei gleich mehrere Probleme. So müssten die „Kräfte der Mitte“ bei ihren politischen Programmen besser mitdenken, durch welche Solidaritäts-Maßnahmen sie bei den Wählern an Akzeptanz verlieren, erklärte er. Denn: Wenn „aus lauter Gutwilligkeit“ Dinge entschieden würden, die Ängste in der Bevölkerung auslösen, spiele das den Populisten in die Hände.

Darüber hinaus brauche es mehr Persönlichkeiten, die den Menschen Mut machten, so Gauck. „Sympathieträger aus der Mitte der Gesellschaft“ – etwa aus den Bereichen Sport oder Kultur, die den Menschen vor Augen führten, welche großen Vorteile eine offene Gesellschaft mit sich bringe, so seine Idee.

Nicht-Politiker seien häufig „stärkere Sympathieträger als unsere Politiker“, begründete Gauck seinen Vorschlag.

Was würde Pfarrer Gauck sagen?

Auch vor dem Hintergrund ihres jüngsten Wahlerfolgs in Brandenburg ging es am Sonntagabend bei Miosga immer wieder um die AfD. Ob Politiker, die die Rechtspopulisten als „Nazi-Partei“ bezeichneten recht hätten, wollte Miosga von Gauck wissen.

„Nein, das haben sie nicht!“, antwortete der ehemalige Bundespräsident entschieden. Es gebe zwar Nazis in der AfD, räumte er ein, die gebe es aber in ganz Europa, so Gauck. „Das Problem besteht nicht darin, dass eine übergroße Anzahl von Wählern in Europa Adolf Hitler zurückwollen“, führte er aus.

Viel gewichtiger sei die Tatsache, dass Menschen eine Sehnsucht nach „autoritärer Führung und Unterordnung“ verspürten, anstatt die Gesellschaft selbst mitgestalten zu wollen. Das zu vernachlässigen und sich stattdessen auf die „Nazi-Frage“ zu konzentrieren wäre ein „schwerer Fehler“, so der Theologe.

Was er den Menschen heute predigen würde, wenn er noch als Pfarrer arbeiten würde, wollte Miosga von Gauck wissen. Sowohl der Pfarrer damals als auch er heute würden die Bevölkerung ermutigen, „sich nicht nur abwartend aufs Sofa zu setzen“, sondern die Demokratie selbst zu verteidigen, erklärte Gauck.

Zukunft erlange man schließlich nicht aus einer „Angststarre“, sondern „durch ein kämpferisches Engagement.“