Sophia Loren musste als Kind betteln, dann wurde sie zur Diva, der die Männer verfielen. Ihre Schönheit und ihre Sinnlichkeit verzauberten die Welt.

Es gab nichts, was Sophia Loren nicht darstellen konnte. Sie war eines der größten Sexsymbole der so versexten Sechziger Jahre. Sie war die große Diva – elegant und unnahbar. Doch Lumpen standen ihr noch besser. Sie konnte urkomisch sein, und sie konnte tanzen – ungestüm und wild. Sie konnte wütend fauchen wie eine Großkatze – aber vor allem war sie ungeheuer sinnlich. US-Stars wie Marilyn Monroe posierten in sexy Posen – die Loren war ein Vulkan, der jederzeit ausbrechen konnte.

Sophia Loren: Entschärfte Version ihrer selbst

In vielen Filmen wurde ihre Körperlichkeit gebändigt. Mit schweren, mit Brokat besetzten Kostümen wie in den Historienschinken „El Cid“ oder „Der Untergang des Römischen Reiches“. Oder es waren elegante Abendroben, die sie für die gewünschten Rollen einschnürten und in Form brachten. Die größte Präsenz, die meiste „Sophia“, sieht man in den neorealistischen Filmen von Vittorio De Sica so wie „… und dennoch leben sie“ (1960) und „Gestern, heute und morgen“ (1963). Nicht umsonst trägt ihre Autobiografie den Titel dieses Films: „Ieri, oggi, domani. La mia vita.“

Sophia Loren trug den Neorealismus und die Bitterkeit der Armut in sich. Ihr Vater ließ die Familie in größter Not zurück. Ihre Mutter musste betteln und Soldaten unterhalten. Die Wohnung diente als illegale Bar. Loren nutze ihre erste Gage, um die Ehrbarkeit ihrer Schwester zu kaufen. Dem unehelichen Vater kaufte sie das Recht am Namen ab. Ihren eigenen Vater sah sie, nachdem er die Familie verlassen hatte, erst auf dem Sterbebett wieder. Nur im Moment des Todes konnte die stolze Neapolitanerin ihm verzeihen.

Einfach alle wollten Sophia Loren 

Beinahe jeder Schauspieler, mit dem Loren drehte, begehrte sie. Cary Grant, Marlon Brando, Peter Sellers gehörten zu der Armee an Anwärtern, die sie abblitzen ließ. Die sinnliche Diva blieb ihrem Mann, dem Produzenten Carlo Ponti, stets treu. Aber sie schätzte die Avancen. In ihrer Autobiografie behandelt sie die Verehrer mit gütiger Nachsicht. Als wüsste sie, dass man ihr einfach verfallen musste.

Neben dem Auftritt als großer Star kultivierte Loren ihre Lebensrolle als italienische Mutter und Matriarchin. Essen war immer wichtig für die Frau, die den Hunger der Kindheit nie vergessen konnte. Legendär ist ihr Ausspruch: „Alles, was Sie sehen, verdanke ich Spaghetti.“

Keinen einzigen Fehltritt oder Skandal leistete sie sich in den so skandalreichen 1960ern und 1970ern. Später ging Loren allerdings ein paar Tage ins Gefängnis. Eine Szene wie aus einem ihrer Filme: Sie wurde wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Sie selbst war eigentlich unschuldig, ein stümperhafter Buchhalter hatte das Problem verursacht. Doch Sophia nahm die Haft auf sich, denn sonst hätte sie das geliebte Italien nicht wiedersehen können. Ein moralischer Triumph.

Niemand altert so wie Sophia Loren  

Sophia Loren konnte altern – sie verblühte nicht, sie reifte mit Humor. In Robert Altmanns „Prêt-à-Porter“ (1994) inszenierte sie noch einmal eine in den 1960ern berühmte Striptease-Szene. Nur dieses Mal entflammt ihr Partner Marcello Mastroianni nicht in Leidenschaft. 32 Jahre später schläft der alte Herr während der Darbietung erschöpft ein. 

Im Jahr 2020 sah man Sophia Loren zum vorerst letzten Mal – nicht auf der großen Leinwand, sondern auf dem kleinen Bildschirm der Netflix-Produktion „Du hast das Leben noch vor dir“. Sie spielte Madame Rosa, eine achtzigjährige ehemalige Prostituierte und Auschwitz-Überlebende, die etwas unwillig einen zwölfjährigen Straßenjungen und Möchtegern-Drogendealer aufnimmt. Auch ein ewiges Thema der Loren: Kinder. Kinder, die sie umsorgt, mit denen sie tanzt und spielt und die sie wie eine Löwin beschützt.

In dem kleinen Film führt Sophia Loren vor, was es heißt, als Star in Würde zu altern. Es fällt ihr schwer, Haltung einzunehmen, die Bewegungen schmerzen, und doch sieht man immer die Göttin in ihr.

Am 20. September wird Sophia Loren 90. Wir gratulieren.